Viel Ärger für wenig Geld: Hardware-Ramsch findet reißenden Absatz

20.06.1997
MÜNCHEN: So mancher hat geglaubt, mit der Einführung des CE-Zeichens für IT-Produkte wäre auch das Ende für Dumping-Anbieter aus Taiwan und anderswo gekommen. Weit gefehlt. Solange die Computer-Käufer zuerst und vor allem auf den Preis schauen, werden Billigkomponenten miserabler Qualität auch weiterhin den Fachhändlern das Leben schwer machen.Eigentlich kann man kein einziges taiwanisches Notebook mit gutem Gewissen empfehlen", gesteht Alibey Yazici, Geschäftsführer bei SEH Computer-Systeme-Vertriebs-Gesellschaft mbH mit resigniertem Unterton. Yazici hat aber dennoch keine Angst, daß er mit dieser Offenheit seinen Konkurrenten in die Arme spielt - aus zweierlei Gründen: Zum einen tut er natürlich alles, um seinen Kunden dennoch bestmögliche Qualität zum niedrigen Preis zu liefern. Zum anderen weiß er: Auch der preisbewußte Mitbewerb kommt an den Lieferanten aus Taiwan einfach nicht vorbei.

MÜNCHEN: So mancher hat geglaubt, mit der Einführung des CE-Zeichens für IT-Produkte wäre auch das Ende für Dumping-Anbieter aus Taiwan und anderswo gekommen. Weit gefehlt. Solange die Computer-Käufer zuerst und vor allem auf den Preis schauen, werden Billigkomponenten miserabler Qualität auch weiterhin den Fachhändlern das Leben schwer machen.Eigentlich kann man kein einziges taiwanisches Notebook mit gutem Gewissen empfehlen", gesteht Alibey Yazici, Geschäftsführer bei SEH Computer-Systeme-Vertriebs-Gesellschaft mbH mit resigniertem Unterton. Yazici hat aber dennoch keine Angst, daß er mit dieser Offenheit seinen Konkurrenten in die Arme spielt - aus zweierlei Gründen: Zum einen tut er natürlich alles, um seinen Kunden dennoch bestmögliche Qualität zum niedrigen Preis zu liefern. Zum anderen weiß er: Auch der preisbewußte Mitbewerb kommt an den Lieferanten aus Taiwan einfach nicht vorbei.

An Taiwan kommt kein Hersteller vorbei

Fast ein Drittel aller Notebooks, das sind 3,37 Millionen Stück, kamen im vergangenen Jahr von dem Inselstaat. Auch bei Handscannern (95 Prozent), Mäusen (65 Prozent), Motherboards (74 Prozent) und Tastaturen hält die taiwanische Industrie weltweit den ersten Platz unter den Herstellernationen - und der Wert der Exporte steigt weiter um jährlich mehr als 20 Prozent. Die Inselchinesen bezeichnen ihr Land als Outsourcing Center für Elektronikprodukte, und das ist nicht einmal unbescheiden. Branchengrößen wie Compaq, NEC, Digital, Hewlett-Packard und Intel wollen ihre Einkäufe in den nächsten Jahren drastisch erhöhen. Allein nach Deutschland verschifften die Taiwaner 1996 IT-Produkte im Wert von mehr als 1,4 Milliarden Dollar. Der Tiger brummt.

Für diese Erfolgsgeschichte gibt es vor allem einen Grund: Die Produkte sind deutlich billiger als die aus Japan, USA oder Europa. Kein Wunder, daß Assemblierer und Markenhersteller aus aller Welt bei diesem riesigen High-Tech-Discounter begierig zugreifen. Schließlich verkauft kaum eine anderen Branche ihre Produkte so sehr über den Faktor Preis wie die Computeranbieter. Qualität aber hat, wie jeder weiß, ihren Preis, und hier fängt der Ärger an.

Die Kunden wollen für Qualität nichts zahlen

Scharfkantige, instabile Gehäuse, Erweiterungskarten, die aus ihren Slots herausspringen, minderwertige Displays und Netzteile, wacklige Tastaturen, mangelhafte Kompatibilität, fehlende Treiber, keine Updates, Mainboards, die keinen Burn-in-Test überleben: Jeder Händler kennt diesen und ähnliche Horrorkataloge aus seiner täglichen Praxis. Den Schwarzen Peter schieben die Händler meist anderen zu: den Kunden, der Branche, der allgemeinen Wirtschaftslage.

Tatsächlich interessieren sich die meisten Computerkäufer fast ausschließlich für den Preis der Hardware. Das Qualitätsbewußtsein ist selbst bei Unternehmenskunden schwach bis nicht existent. Das ist in keiner anderen Branche so schlimm, stellt Frank P. Dietrich fest, Geschäftsführer des Münchner Systemhauses FD Computer GmbH: "Jeder weiß, was ein Mercedes ist, und was ein Trabant. Und es weiß auch jeder, was beide kosten.

Nicht so der Computerkäufer: Für den besteht ein Auto aus vier Rädern, einem Dach und einem Steuer. Das war's. Mehr interessiert ihn nicht. Qualität ist selbstverständlich", so Dietrich. Die Innovationen in der IT-Branche kämen einfach so schnell, daß sich ein Marken- und Qualitätsbewußtsein wie bei Autos, Möbeln oder HiFi-Anlagen gar nicht entwickeln könne.

Den Billigherstellern aus Fernost kommt dies natürlich zupaß. Natürlich produzieren nicht alle taiwanischen Firmen nur Ramsch. Der Ruf des Landes als Hardware-Lieferant ist aber insgesamt beschädigt. "Es gibt viele schwarze Schafe", bestätigt auch Karl Zhang von der Hamburger Niederlassung der Chaintech Computer Co., Ltd.

"Deshalb sind die Deutschen oft sehr skeptisch."

Hinzu kommt, daß auch im Wilden IT-Westen die gesetzlosen Pionierjahre langsam zu Ende gehen. Law and Order halten Einzug in Gestalt von ISO-Standards und CE-Zertifizierungen. Es wird kleinen Händlern und Assemblierern zunehmend erschwert, wie bisher nach eigenem Gutdünken Komponenten zweifelhafter Herkunft zu Rechenmaschinen zusammenzuschrauben.

Die Kleinen beißen die CE-Hunde

Friedrich Boll, Inhaber der Boll Computer in Ahnatal, gehört zu denen, die das Handtuch schon geschmissen haben. Er assembliert nicht mehr selber, weil er sich die CE-Scheine nicht leisten kann. Fast wehmütig erinnert sich Boll der Zeiten, in denen er scharfkantige Gehäuse eigenhändig mit der Feile bearbeitet hat, um nicht von blutenden Kunden verklagt zu werden. Zwar verfluchen Händler und Schrauber das CE-Regelwerk der Brüsseler Eurokraten leidenschaftlich, doch muß auch Boll zugeben, daß sich seither in Sachen Qualität manches zum Besseren gewendet hat. Die Billiganbieter aus Taiwan und anderswo müssen jetzt zumindest gewisse Mindeststandards einhalten, um ihre Ware in Europa einführen zu dürfen.

Ein Qualitätssiegel ist das CE-Zeichen deshalb noch lange nicht. Nach wie vor obliegt es dem Distributor, OEM-Partner oder Assemblierer, dafür zu sorgen, daß die Gradwanderung zwischen Qualität und Preis nicht allzu sehr zu seinen Ungunsten ausfällt. Kunden wie IBM, Compaq, HP und sogar Vobis können ihren taiwanischen Lieferanten die Daumenschrauben natürlich ganz anders ansetzen, als ein Mittelständler aus Deutschland. "Die zahlen einfach nicht, bis die Qualität stimmt", weiß Yazici. Die Großen lassen ihr Gerät in der Regel auch von scheinbar renommierten Unternehmen wie Mitac, Inventec, Acer, Elitegroup oder FIC fertigen. Den Kleinen bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie kaufen die Katze im Sack, oder sie betreiben Risikominimierung.

Kunden und Taiwaner liefern sich Katz-und-Maus-Spiel

Actebis etwa unterhält seit fünf Jahren ein eigenes Einkaufsbüro in Taipeh, das die Ware schon vor Ort unter die Lupe nimmt. Andere lassen den Propheten lieber zum Berg kommen. Christian Forstmaier, Geschäftsführer der Archtec Computer Handels GmbH, hat ständig Techniker seiner asiatischen Geschäftspartner vor Ort in Freising - gegen Kost und Logis. Die sehen sich dann höchstselbst mit

Ausfall-Ärger konfrontiert und kommunizieren diesen und seine Ursachen an die Vorgesetzten im fernen Taiwan. Auch Yazici beherbergt ständig für jeweils zwei bis vier Wochen einige Ingenieure, darunter auch von FIC, das nebenher Mehrheitseigner von SEH ist. "Die Taiwaner wollen ihre Kunden nicht verlieren. Die haben gemerkt, daß es dünn wird. Viele, auch wir, kaufen nicht mehr bei denen ein, wenn sie keine Niederlassung in Deutschland haben und keinen Vor-Ort-Service anbieten", erklärt der Wahlhesse, der die Zahl seiner Lieferanten verringert hat und heute die meisten Komponenten von FIC bezieht.

Trotzdem erlebt der Grossist noch immer Reinfälle. "Riesenprobleme" gab es beispielsweise zeitweise mit dem Notebook-Hersteller Clevo, auf den er aber trotzdem nicht verzichten will. Auch Forstmaier kauft bei Clevo ein. "Wir sind abhängig von Taiwan, sonst sind wir nicht konkurrenzfähig. Ich bin oft gezwungen, diese Qualität zu kaufen. Zehn Prozent Ausfall muß ich dann halt manchmal in Kauf nehmen", gibt Forstmaier zähneknirschend zu. Yazici proklamiert für SEH eine aktuelle Ausfallrate von "unter fünf Prozent", und ist damit sehr zufrieden. "Andere sagen, sie hätten unter zwei Prozent. Die lügen", stellt er fest. Der SEH-Chef ist überzeugt, daß der Kunde für bessere Qualität höchstens fünf bis sieben Prozent mehr zu zahlen bereit sei.

Alles eine Frage der Einstellung

Systemhäusler Dietrich bringt diese Einstellung in Rage. "Immer das gleiche: Mit Gewalt Umsatz fahren! Die haben keine Argumente für ihre Preise", ärgert sich der Münchner und verweist auf die hohen Kosten, die durch Reparaturen und Reklamationen entstehen: "Die basteln einfach drumherum" ohne eine Ahnung von betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung zu haben. "Wie kann man von drei bis fünf Prozent Marge leben? Das geht nicht. Aber die begreifen's nicht und machen einfach weiter", verzweifelt Friedrich über seine Standesgenossen. Mit seinen selbst assemblierten PCs für kleine und mittelständische Unternehmen verdient er angeblich "eine normale Handelsmarge". So, wie sich seine Mitbewerber und die Kundschaft darstellen, bringt Friedrich seine Strategie allerdings auch keine Reichtümer ein: "Natürlich bin ich nicht zufrieden. Es gibt keinen, der zufrieden ist. Wer das behauptet, lügt oder ist bescheuert", poltert er.

Mehr Qualität für weniger Geld: Selbst für die bienenfleißigen Inselchinesen verwandelt sich dieses Kundenpostulat zunehmend zur Quadratur des Kreises. Je besser es dem aufstrebenden Schwellenland geht, desto mehr ähnelt es den Hochlohnländern des Westens. Steigende Löhne, hohe Bodenpreise, Arbeitskräftemangel und verschärfte Umweltauflagen machen inzwischen auch den taiwanischen Bossen zu schaffen.

Taiwaner suchen sich schon eigene Billiglohnländer

Ein Pentium Motherboard aus der Inselrepublik kostet je nach Spezifikation "zwischen 140 und 500 Mark netto", verrät Chaintech-Manager Zhang. Im Markt seien aber auch welche für 100 Mark oder weniger zu haben. Auch Grafikkarten werden schon für läppische 20 Dollar angeboten.

Um für solche Dumpingpreise anbieten zu können, machen es viele taiwanischen Unternehmen inzwischen so wie die deutsche Industrie: Sie gehen ins billigere Ausland. Thailand, Malaysia und der Erzfeind Volksrepublik China gehören zu den

neuen High-Tech-Billiglohnländern in Asien. Schon fast ein Drittel der taiwanesischen IT-Ware wird im Ausland hergestellt. Diese Zahl enthält allerdings auch Fabriken in den USA und Europa. Chaintech gehört zu denen, die diesen Weg nicht gehen wollen. "Wir produzieren nur in Taiwan nach ISO 9002 und nehmen die höheren Arbeitskosten in Kauf, um gute Qualität zu gewährleisten", verspricht Zhang.

Und nicht nur niedrigere Produktionskosten machen die Ware aus den südostasiatischen Nachbarländern billiger. Die EU verlangt obendrein mit 2,1 statt 3,3 Prozent einen niedrigeren Einfuhrzoll als für taiwanische Hardware. Schließlich ist die Förderung des Handels mit der Dritten Welt ein hehres Ziel. Qualitätskontrolle ist dabei reine Nebensache, und die Fachhändler dürfen bei jedem Paket aus dem fernen Osten aufs neue gespannt sein, ob die Wahl dieses Lieferanten nun ein Schnäppchen war, oder doch ein Griff in den Orkus. (ld)

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