Viel Ärger und wenig Identität

23.01.2003
Neue Strukturen halten in der internationalen Jobwelt Einzug. Unter dem Stichwort "nonterritoriales Arbeiten" wollen Großunternehmen die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter flexibler und nach eigener Aussage kommunikationsfreundlicher gestalten. Kann das funktionieren? Darüber streiten im Pro & Contra die ComputerPartner-Redakteure Beate Wöhe und Christian Töpfer.

Etwas Neues muss nicht automatisch etwas Besseres sein - schon gar nicht das so genannte "Büro der Zukunft". Der nonterritoriale Arbeitsplatz wird sich niemals auf breiter Front durchsetzen, da er nichts als Nachteile bringt.

Das geht schon morgens los: Wer später ins Büro kommt oder seinen Arbeitsplatz später bucht als die Kollegen, muss mit den "schlechteren" Plätzen vorlieb nehmen - im Winter mit Büro-räumen auf der kalten Gebäudenordseite, im Sommer mit jenen auf der durch die Sonne aufgeheizten Südseite. Neben einem Fenster direkt über der Lieferanteneinfahrt möchte auch niemand gerne sitzen. Folglich wird es begehrte und gehasste Büroräume geben - und der Ärger ist vorprogrammiert. Unangenehm wird es auch, wenn man einen Kollegen, der raucht, Mundgeruch hat oder dauernd redet, als Nachbarn "begrüßen" darf.

Täglich wechselnde Arbeitsplätze bedeuten für Assistentinnen oder Boten auch mehr Aufwand, um Post oder Unterlagen der richtigen Person zu bringen. Sie müssen erst herausfinden, wo Herr Müller oder Frau Meyer heute sitzen. Und das mit dem Aufräumen des temporären Arbeitsplatzes ist ein zweischneidiges Schwert. Wer es nicht gewohnt ist, dazu aber angehalten wird, räumt eben nicht erst nach Feierabend, sondern schon während der Arbeitszeit auf. Was die Firma wiederum Geld kostet.

In einem Zimmer, in dem er nicht ständig von persönlichen Gegenständen umgeben ist, fühlt sich ein Mitarbeiter auch deutlich unwohler. Und wenn nicht auf Anhieb bekannt ist, wo sich welcher Kollege heute befindet, leiden auch die zum Teil über Jahre gewachsenen sozialen Kontakte. Mit der Folge, dass die Leute vereinsamen und die Identifikation mit dem Unternehmen verlieren. Daraus resultieren fehlende Motivation und höhere Per-sonalfluktuation. Aber wollten die Erfinder des "Büros der Zukunft" genau das nicht eigentlich verhindern?

Christian Töpfer

ctoepfer@computerpartner.de

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