Vobis-Chef Hügler: Die nächsten zwei Jahre gibt es kein Wachstum im Consumer-Markt

03.07.1997
WÜRSELEN: Bei Deutschlands größtem Computerhändlerer Vobis AG fand zum Jahresanfang der vielbeachtete Wachwechsel an der Unternehmensspitze statt. Vobis-Gründer Theo Lieven übergab das Zepter an seinen bisherigen Vize Dr. Gert Hügler. ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking wollte von dem neuen Vobis-Chef wissen, wie er sich die Zukunft des Unternehmens und der Branche vorstellt.

WÜRSELEN: Bei Deutschlands größtem Computerhändlerer Vobis AG fand zum Jahresanfang der vielbeachtete Wachwechsel an der Unternehmensspitze statt. Vobis-Gründer Theo Lieven übergab das Zepter an seinen bisherigen Vize Dr. Gert Hügler. ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking wollte von dem neuen Vobis-Chef wissen, wie er sich die Zukunft des Unternehmens und der Branche vorstellt.

? Herr Dr. Hügler, als Begründung für seinen Rücktritt gab Ihr Vorgänger Theo Lieven an, er wolle nicht der Hausverwalter sein. Wie

gefallen Sie sich denn in dieser Rolle?

HÜGLER: Wer Herrn Lieven kennt, der weiß auch, daß er immer einen lockeren Spruch auf Lager hat. Aber seine lockeren Sprüche enthalten auch immer ein Körnchen Wahrheit. Und das ist auch hier der Fall.

Nach dem stürmischen Wachstum der letzten fünf Jahre ist jetzt die Optimierung der internen Prozesse und Abläufe eine sehr wichtige Aufgabe. Und man kann Herrn Lieven so interpretieren, daß er nicht der Mann ist, der diese Arbeit tun möchte. Er möchte nicht strukturieren und organisieren, sondern Herr Lieven ist ein Unternehmer, der möchte einkaufen und verkaufen und dabei Gewinne machen. Das möchten wir natürlich auch, aber ohne Streß mit der Organisation.

?Lieven sagte auch: "Vobis braucht jetzt eine Führung, die mehr auf Konsolidierung als auf Expansion drängt." Das paßt aber doch gar nicht zu der Aussage Ihres Chefs, Kaufhof-Sprecher Wolfgang Urban, der Mitte Mai letzten Jahres noch erklärte, daß Vobis in den nächsten Jahren kräftig wachsen soll.

HÜGLER: Natürlich wollen wir weiter wachsen. Wir wollen nicht schrumpfen. Aber wir werden nicht mehr die Wachstumssprünge von früher schaffen. Wir hoffen natürlich, daß wir zweistellig wachsen können. Vielleicht werden es manchmal auch nur fünf oder sieben Prozent sein. Die Aussagen von Lieven und Urban sind gar nicht soweit von einander entfernt.

Konsolidieren, strukturieren, Organisation überdenken heißt nicht, daß man das andere läßt.

?Im letzten Geschäftsjahr ist der Vobis-Umsatz um 6,5 Prozent auf 3,3 Milliarden Mark angestiegen. Geplant war ein Umsatz von 3,5 bis 3,6 Milliarden. Der Gewinn '96 ist ebenfalls unter dem Vorjahresergebnis von rund 50 Millionen Mark geblieben. Damit können Sie nicht zufrieden sein.

HÜGLER: Mit dem Wachstum kann man nicht so ganz zufrieden sein. Mit dem Gewinn kann man zufrieden sein. Vor allem wenn man bedenkt, daß in 1996 unser Hauptwettbewerber ausgeschieden ist, der mit seinen Notverkäufen und Preissenkungen für enorme Irritationen auf dem Markt gesorgt hat. Wir konnten zwar Mitte des Jahres von seinem Marktaustritt profitieren, aber zu Beginn des Jahres hat er uns das Leben richtig schwer gemacht. Der andere Punkt ist natürlich das schwache Einzelhandelsgeschäft im letzten Jahr insgesamt, das kein Wachstum verzeichnete. Vor diesem Hintergrund sind unsere Zahlen doch gar nicht schlecht.

?Daß Vobis den Umsatz im letzten Jahr überhaupt steigern konnte, haben Sie ausschließlich der Tocher Maxdata zu verdanken, die ihren Umsatz 1996 um fast 300 Millionen Mark ausweiten konnte. Und das entspricht ungefähr dem Wachstum von Vobis insgesamt

HÜGLER: Das ist völlig richtig.

?Um noch einmal auf die Ertragslage zu sprechen zu kommen. Die Umsatzrendite im letzen Jahr lag bei etwa 1,2 Prozent. Ist das nun eine Größenordnung, auf die Sie sich langfristig einstellen?

HÜGLER: Wir werden langfristig natürlich schon eine bessere Rendite haben wollen.

?Wie wollen Sie das schaffen?

HÜGLER: Sie müssen davon ausgehen, daß unser Geschäft zu 80 Prozent von äußeren Faktoren bestimmt wird und zu 20 Prozent durch interne Faktoren, also in erster Linie Kostenmanagement etc. Bei den äußeren Faktoren spielen natürlich hauptsächlich die Konsumneigung und die Wettbewerbslage eine Rolle. Eins ist klar: Wenn die Nachfrage weiterhin stagniert oder schrumpft und sich der Markt dem entsprechend nicht entwickelt, dann werden wir ein Problem haben, die Rendite zu steigern. Denn dann wird es weitere Preiskämpfe und einen ganz harten Verdrängungswettbewerb geben. Dann werden weiterhin Firmen den Markt verlassen. Das Renditepotential wird sich unter diesen Umständen nicht verbessern.

?Dieses Szenario klingt ja eigentlich doch sehr realistisch.

HÜGLER: Ich gehe davon aus, daß sich in den nächsten zwei Jahren die Situation im Einzelhandelsbereich nicht wesentlich ändern wird. Vielleicht wird die Steuerreform das Konsumklima ein wenig aufbessern, aber das müssen wir abwarten. Wir werden jedenfalls das Unternehmen weiter so verändern, daß, sobald die Konsumneigung ein bißchen besser wird, der Kunde weiß, wo er seinen PC kaufen muß.

Eins ist klar: Grundsätzlich ist der PC ein Wachstumsmarkt. Der Großteil der Bevölkerung hätte sicherlich auch gerne einen PC zuhause. Nur kann und will sich momentan nicht jeder einen Rechner leisten und fährt vielleicht lieber von seinem letzten Geld noch zwei Wochen in Urlaub. Sobald sich die Stimmung etwas bessert, kommt nach dem Urlaub hoffentlich gleich der PC.

?Aber kauft der Interessent dann wirklich bei Vobis? In puncto Preisaggressivität machen eine Reihe von Wettbewerbern Ihnen das Leben schwer. Und wegen der tollen Beratung und des guten Services hat noch niemand bei Vobis einen Rechner gekauft.

HÜGLER: Es gibt zwei Gründe, warum man bei Vobis kauft. Das ist der günstige Preis und das ist die Technik, die immer auf dem neuesten Stand ist. Aber Sie haben recht: Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades und der hohen Akzeptanz der Marke Highscreen können wir es uns heute leisten, immer etwas über dem aggressivsten Preispunkt zu liegen. Natürlich haben wir immer auch ein besonders preisgünstiges Angebot für Leute mit einem sehr begrenzten Budget. Und diese Strategie werden wir auch beibehalten.

?Nach der Escom-Pleite im letzten Jahr sehen Sie in der Konzernschwester Media-Saturn Holding Ihren Hauptwettbewerber. Die ja bereits rund 1,5 Milliarden Mark mit Computern und Telekommunikation umsetzt. Für Außenstehende ist es nicht ganz nachvollziehbar, daß sich zwei demselben Konzern zugehörende Unternehmen gegenseitig zerfleischen.

HÜGLER: Zu diesem Thema müssen Sie den Kapitaleigner dieser beiden Firmen fragen. In meiner Position als Vorstand von Vobis kann ich nur sagen, daß hier eine Firma existiert, die in unser Marktsegment eindringt. Und wir müssen uns diesem Wettbewerb stellen.

?Was ist eigentlich aus dem Systemhauspartnergeschäft von Vobis geworden? Man hört gar nichts mehr davon.

HÜGLER: Aus den Systemhauspartnern sind in den letzten Jahren Franchise-Partner geworden. Mehr als die Hälfte unserer Filialen arbeiten heute im Franchise-Verbund. Etwa 70 Stück dieser Franchise-Outlets sind Kaufhof-Horten-Häuser. Dann gibt es einige andere kleine Braune-Ware-Ketten und dann gibt es natürlich Franchise-Nehmer, die ehemalige Systempartner von uns waren. Die haben so zwischen drei und zehn Filialen.

?Suchen Sie da noch weitere Franchise-Partner?

HÜGLER: Es gibt noch einige weiße Flecken, die wir sicher mit Franchise-Partnern besetzen werden. Aber grundsätzlich ist die Expansion im Franchise-Bereich heute fast abgeschlossen. Potentielle

Franchise-Partner können sich natürlich trotzdem immer melden.

?Das heißt, Sie denken auch nicht daran, den Restbestand an Vobis-Filialen auf Franchise-Basis umzustellen?

HÜGLER: Es gibt vielleicht immer noch die eine oder andere Filiale, die man noch umstellen kann. Aber zur Zeit denken wir da nicht dran, weil wir nach dem stürmischen Wachstum im Franchise-Bereich auch hier erst einmal verschnaufen und konsolidieren müssen.

?Mit der Aufgabe des Systemhausgeschäfts mußten wohl auch die 1996 eigens dafür entwickelten Highpaq-Rechner dran glauben?

HÜGLER: Die Highpaq-PCs gibt es zwar noch, sind aber kein strategisches Produkt.

?Kommen wir zum Wachstum in diesem Jahr. Auch 1997 wird das Wachstum im Inland wohl wieder vor allem von Maxdata kommen, die ja erstmals die Milliardengrenze überspringen will. Wie sieht es denn im Ausland aus? Da haben Sie ja auch noch einiges vor.

HÜGLER: Die Zeiten, als man in Länder gehen und zwei Filialen aufmachen konnte und dann noch mal zwei und dann vier und fünf und sechs und sieben und so langsam ein Filialnetz hochziehen konnte, so wie wir es in der Vergangenheit taten, sind vorbei. Unser Auslandsengagement steht ebenfalls unter dem Thema Franchise. Damit meine ich nicht nur das Einzel-Franchise, sondern wir suchen Firmen, ähnlich wie Kaufhof in Deutschland, um mit denen Flächenpartnerschaften aufzubauen. So arbeiten wir zum Beispiel mit Migros in der Schweiz zusammen. Nach diesem Modell wollen wir auch in England und Frankreich operieren.

?Mit welchem Sortiment? Nur Highscreen-Rechner oder das komlette Vobis-Sortiment?

HÜGLER: Das hängt natürlich stark von den jeweiligen Landesgegebenheiten ab. Der Highscreen wird jedenfalls immer mit dabei sein.

?Derzeit liegt der Auslandsanteil am Vobis-Gesamtumsatz bei rund 30 Prozent. Wo liegt Ihre Zielmarke?

HÜGLER: Unser strategisches Ziel ist, den Auslandsanteil auf 50 Prozent zu bekommen.

?Zurück nach Deutschland. Die Braune-Ware-Händler gehen ja verstärkt in den Computer- und Telekommunikationsbereich. Glauben Sie, daß sich die PCs und Software zum Stammsortiment bei den Rundfunkhändlern entwickeln wird?

HÜGLER: Die meisten Braune-Ware-Händler werden gezwungen sein, PCs in ihr Sortiment mit aufzunehmen. Meiner Meinung nach kann das für einige erfolgreich sein. Aber ich glaube nicht, daß zum Beispiel alle 3.000 angeschlossenen Interfunk-Ruefach- oder Expert-Händler erfolgreich PCs verkaufen können. Vielleicht sind zehn oder auch nur fünf Prozent dazu in der Lage. Die großen Ketten wie Media-Markt oder ProMarkt werden Erfolg haben. Das steht für mich außer Frage.

?Für den PC-Händler vor Ort, der im Privatkundensegment unbedingt glaubt tätig sein zu müssen, bedeutet dies, daß der Gegenwind noch etwas schärfer werden wird.

HÜGLER: Aber nicht durch den kleinen Radiohändler. Weil der sich schwer tut, sich die Kompetenz im PC-Bereich anzueignen. Der PC-Händler, der im Privatkundenbereich tätig ist, steht im Wettbewerb mit Vobis, Comtech/Escom 1001, PC-Spezialist, Schadt und dann natürlich auch Media-Markt, Saturn, Pro-Markt und den anderen Retailern. Und das wird auch so bleiben. Aber ich glaube nicht, daß die vielen kleinen Braune-Ware-Händler zu einem ernsthaften Wettbewerb für reine PC-Sortimente avancieren werden.

?Nach Ihrer Darstellung versteht sich Vobis eher als Händler denn als PC-Assemblierer. Im letzten Jahr bezweifelte Compaq-Europa-Chef Andreas Barth, daß das Modell Vobis noch zeitgemäß ist. Also entweder Händler oder Assemblierer. Was würden Sie Herrn Barth antworten?

HÜGLER: Daß Herr Barth als Vertreter der Firma Compaq diese Auffassung hat, kann ich gut nachvollziehen. Wir halten aber unser Modell trotzdem für sehr zeitgemäß. Man muß die Historie des Highscreen sehen. Der Highscreen ist entstanden, weil ein paar clevere Leute erkannt haben, daß die Komponenten für den Bau eines PCs sehr leicht zugänglich waren und der Zusammenbau auch kein unüberwindbares Hindernis darstellte. Und als nächstes haben dieses cleveren Menschen erkannt, daß sie den PC schneller zusammenbauen und preisgünstiger am Markt anbieten können. Das heißt hier hat ein Händler erkannt, daß er in seiner Handelsstufe einen Schritt weiter in den Einkaufsmarkt reingeht und eine gewisse kleine Wertschöpfung vornehmen kann. Und dieses Konzept haben dann Escom und Schadt und viele kleine PC-Händler nachgemacht. An dieser Systematik dieses Modells hat sich bis heute eigentlich nichts geändert. Durch unser Angebot, dem Kunden seinen individuell konfigurierten PC zu fertigen, haben wir den Unterschied zu den anderen Herstellern eigentlich noch zu unseren Gunsten vergrößert.

?Einer der Hersteller, dessen Träume im Privatkundensegment zerplatzt sind, ist ja Siemens- Nixdorf. Vor ziemlich genau einem Jahr hat sich SNI mit zehn Prozent an Vobis beteiligt. Seitdem hat man nichts mehr davon gehört.

HÜGLER: Siemens-Nixdorf hält nach wie eine Beteiligung von zehn Prozent. Und wir arbeiten auch in bestimmten Bereichen zusammen.

?In welchen denn? Die Idee war ja damals, vor allem Synergien im Einkauf zu nutzen, aber Vobis sollte auch für SNI fertigen und ebenfalls SNI-Rechner verkaufen.

HÜGLER: Wir haben auch versucht, SNI-PCs zu verkaufen, die wir auch hier in Würselen fertiggestellt haben. Wir haben das versucht, wir haben das beworben, wir haben die Rechner in unseren Filialen ausgestellt, wir haben sogar unseren Verkäufer den Verkauf von SNI-Rechnern attraktiv gemacht, aber ich muß sagen, es hat nicht funktioniert.

?Warum nicht?

HÜGLER: Wir haben ja bereits vorher ähnliche Erfahrungen mit Compaq gemacht. Es ist ganz eindeutig so, daß im Consumer-Markt der Preis vor Marke kommt. Wir hätten SNI gerne als zweite Marke in unseren Läden etabliert, aber es hat in dieser Form nicht funktioniert.

?Herr Dr. Hügler, Sie sind jetzt gerade 40 Jahre alt geworden und. Vorstandsvorsitzender eines dreieinhalb-Milliarden-Konzerns. Sind Sie am Ziel ihrer beruflichen Träume angelangt?

HÜGLER: Zumindestens für die nächsten Jahre.

?Und macht der Job Spaß?

HÜGLER: Nun, der Amtwechsel ist ja gerade erst vollzogen. Aber klar ist, die Last der Verantwortung drückt mehr, die Entscheidungen werden doch einsamer. Also ich denke, dieser Job füllt mich bestimmt fünf Jahre aus. Weiter möchte ich vorerst noch nicht denken. Nun will ich erst einmal nicht nur mir, sondern natürlich vor allem den Mitarbeitern und den Kapitaleignern beweisen, daß der richtige Mann an der Vobis-Spitze sitzt.

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