Vom Apple-Schock erholt: Gravis hofft auf Peripherie

24.04.1998

BERLIN: Apple-Großhändler Gravis hat die Kehrtwende in der Lizenzpolitik seines Hauptlieferanten ohne lebensgefährliche Blessuren weggesteckt. Doch das Loch, das der Verlust der Clone-Umsätze in die Finanzkasse gerissen hat, mußte erst mühsam gestopft werden, das Unternehmen schafft so gerade den Turnaround im positiven Bereich.Es war nicht anders zu erwarten: Gravis bietet seit dem ersten April keine Apple-Clones mehr an. Gefertigt wurden die Systeme des Berliner Apple-Großhändlers schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Die MacOS-Lizenzpolitik seines Lieferanten hat dem Unternehmen einen gewaltigen Schlag versetzt: "Die Entscheidung hatte für uns natürlich einen bitteren Beigeschmack", untertreibt Gravis-Chef Archibald Horlitz. Schließlich und endlich verkaufte sein Unternehmen von November 1996 bis zum Schlußpfiff im April 1998 rund 12.000 Clones, also etwa so viel wie die verkauften Original-Apples bei Gravis.

"Spannend" nennt Horlitz die Tatsache, daß die Low-end-Systeme, die er für den Apple-Markt fertigte, vorerst wohl keinen Ersatz durch ähnlich positionierte Produkte seines Lieferanten finden werden. "Da müssen wir eben warten, bis Apple mit Produkten für diesen Markt kommt", faßt er mit philosophischem Gleichmut zusammen.

Abgesehen von den internen Umstrukturierungen - die Mitarbeiter der Fertigung wurden nicht entlassen - beraubt die Entscheidung der Apple-Zentrale, keine Macintosh-Lizenzen mehr zu vergeben, die Berliner "der Chance, sich über ein eigenes Produkt im Markt zu profilieren", wie Horlitz dann doch bedauert.

Doch Gravis hatte seit Mitte vergangenen Jahres Zeit, sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen, mittlerweile ist die ursprünglich wohl heftige Verbitterung einer gelassenen Resignation gewichen. Im Gegensatz zu den meisten Apple-Partnern, die von dem Lizenzstopp betroffen waren, kann Horlitz schließlich ein "ausgeglichenes Jahresendergebnis" erwarten. Die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor, er hofft allerdings auf ein "minimal positives Ergebnis". Und das nächste Geschäftsjahr plant er unverdrossen wieder "Wachstum in zweistelliger Prozenthöhe" (siehe Kasten "Facts & Figures").

Insgesamt hat Horlitz seine Hoffnungen auf eine Eigenmarke also begraben - er setzt in Zukunft verstärkt auf die Peripheriesysteme rund um die Apple-Macintoshs. Dazu schließen sich die Berliner enger mit Acer zusammen, die zum einen bereits seit längerer Zeit als Apple-OEM mit dem Hersteller zusammenarbeiten, zum anderen auf Macs abgestimmte Modems und Displays bauen, die Gravis nun in seinen Shops anbieten wird. Horlitz, so scheint es, freut sich besonders über die TFT-Displays (13,3 und 15,1 Zoll), die er ab Ende Mai/Anfang Juni im Preissegement "unter 3.000 Mark" an seine Niederlassungen liefern will. Auf längere Sicht, so vermuten die Gravis-Leute, werde Apple wohl seine Macs so bauen, daß sie auch mit Intel-Prozessoren laufen - damit, so vermutet ein Mitarbeiter, wären die Geräte zum einen "noch offener für alle Betriebssysteme" und zum anderen auch endlich interessant für Softwarehäuser und Value-Added-Distributoren, die dann für die Systeme entsprechende Programme liefern könnten.

Das wäre allerdings kein Trostpflaster für Gravis, die nach eigenen Angaben keinerlei Ambitionen haben, sich vom Box-Moving weg hin zu Softwaretüfteleien zu bewegen. (du)

Gravis-Chef Archibald Horlitz kann wieder lachen: Trotz der Hü-und-Hott-Lizenzpolitik von Apple hat er das Geschäftsjahr ohne Minuszeichen in seiner Bilanz überstanden.

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