Vom Ende der Depression war nicht die Rede

25.05.2001
Mit fast 1.000 Ausstellern konnte die "Internet World" in Berlin einen neuen Rekord feiern. Doch der E-Mix, der sich unter dem Funkturm versammelte, weiß: Es wird weiter ausgesiebt, die Geschäfte sind mau, und erfolgreiche Modelle sind nicht in Sicht.

Der Aufmarsch der fast 1.000 "New-Economy"-Companies unter dem Berliner Funkturm stand unter keinem guten Stern. Die Branche hatte sich während der vergangenen zwölf Monate jeden Negativwimpel ans Revers gesteckt - spektakuläre Börsenabstürze, leichthin formulierte, Tage später korrigierte Ad-hoc-Meldungen, Entlassungen und Pleiten und schließlich auch die Bekanntschaft mit Gerichtsdienern...

Wer sich also in diesem Jahr als Aussteller in die sechs Hallen große "Internet-World"-Arena wagte, musste neben einer geballten Ladung "Überlebenswillen" einen guten Grund haben, sich für rund 500 Mark pro Quadratmeter Standfläche in Berlin zu produzieren. "Flagge zeigen" gehörte folglich zu den meist gebrauchten Vokabeln auf den Ständen; dicht gefolgt von "Kontaktaufnahme" und der Hoffnung, "Partner zu finden".

Es erscheint allerdings als übertrieben, dass man damit schon den dreitägigen Messeauftritt begründet hätte. Schließlich laufen die E-Companies derzeit "jedem Projekt hinterher", wie auf einem Content-Management-Stand mit vorgehaltener Hand zu hören war, und das bei beinahe leeren Kassen.

Doch wer nun meinte, das Geschäft ankurbeln zu können, sah sich arg enttäuscht: "Pro Tag bleiben maximal fünf ordentliche Leads", stöhnte Openshop-Manager Gerd Bauer. Klaus Peter Stoll, Vorstand des Software-Anbieters Internolix, verabschiedete gleich ganz den Gedanken ans Geschäft: "Von Shops reden wir nicht mehr", Messefrischling BMC gab unumwunden zu: "Das Konzept ist falsch", und auf dem Dannet-Stand übte man sarkastisch den imaginären Kundenfang.

Die New Economy schlägt nicht zurück

Nun stehen diese Aussagen und Eindrücke im schreienden Gegensatz zu den Verlautbarungen des Münchener Messeveranstalters Communic. Der sagte: "Die Internet World Berlin 2001 war ein umwerfender Erfolg. Die Aussteller sind begeistert. Die Besucher übertrafen qualitativ und quanti-tativ alle Erwartungen."

Doch dass die leidgeprüfte Bran-che in den von keinerlei Massenbewegung gestörten Hallen auf ihre Kosten gekommen wäre, muss deutlich bezweifelt werden. So ermittelte das Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen Innofact in einer Umfrage "merkliche Unzufriedenheit" der Aussteller mit dem Geschäftsklima auf der Messe. BMC-Geschäftsführer Jürgen Richter stellte denn auch "wenig Fachpublikum" fest, und dass dem Münchener Distributor Computerlinks "die Schulklassen" nicht aufs Gemüt schlugen, hat einzig damit zu tun, dass er mit dem Thema "E-Security" anscheinend einen "thematischen Volltreffer" landete.

Man muss das Internet bezahlen

So blieb den Ausstellern als Rettung nur, in jenen Teichen zu fischen, die ihnen bis gestern zu trübe waren. Unter dem Motto "Pay per view" verkündeten sie das Ende der bisherigen "Kostenloskultur des Netzes". Peter Würtenberger, scheidender Geschäftsführer von Portalanbieter Yahoo Deutschland, hatte die Vorlage dazu in seiner gut besuchten Eröffnungsrede gegeben. Dieser Gedanke hatte sich mit rasender Geschwindigkeit in den Hallen ausgebreitet. Mit "Die Internet-Benutzer müssen sich von Gaffern zu Käufern entwickeln", fasste Fairad-Geschäftsführer Alexander Gaigl die Botschaft bündig zusammen.

Doch abgesehen davon, dass derzeit offen ist, wieviele Aussteller diesen Tag in ihren Geschäftsstellen erleben werden, sei daran erinnert, dass "Micro-Payment" weltweit seit wenigstens fünf Jahren ohne nennenswerte Konsequenz diskutiert wird. Dem Internet-Nutzer einen Obolus abzuverlangen, entzückt vorerst nur eine E-Branche, die sich, wie es scheint, davon erholen muss, dass sie sich mit ihren Ideen bei den Kunden gründlich blamiert hat (siehe Kommentar auf Seite 8). (wl)

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