Vom Freizeitspaß zum Business-Boom?

09.07.2000
Im Internet einzukaufen, macht den meisten Kunden anscheinend noch keinen so rechten Spaß. Der Grund: Den Kunden fehle die persönliche Beratung. Diesen Job sollen in Zukunft virtuelle Verkaufsberater übernehmen.

Einen wunderschönen guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?", tönt es aus den Lautsprechern. Kaum hat sie die Antwort vernommen, lächelt die hübsche Blondine kokett und trippelt voraus durch die Verkaufsräume. Es geht durch die Hifi-Abteilung, vorbei an Stereoanlagen und CD-Playern. Wir kreuzen die Haushaltswaren und halten zielstrebig auf die Kosmetikabteilung zu. Dort angekommen, verbreitet die blonde Verkaufsberaterin wieder ausnehmend gut Laune und wartet auf weitere Informationen.

Dieses Szenarium hat nie statt-gefunden - schon gar nicht in der realen Welt. Aber dies könnte eventuell das Ritual beim Online-Shopping von morgen sein. Die Rolle der Verkäufer im richtigen Leben übernehmen so genannte Avatare in der virtuellen Welt. Nonverbale Kommunikation wird durch Bits und Bytes ersetzt - ein strahlendes Lächeln, ganz nach den Vorstellungen der Kunden.

Aus der Not könnte eine ganze Branche entstehen

Die Sterilität der Internet-Kauflandschaft, die den meisten frisch gebackenen Internet-Shops immer noch Kopfzerbrechen bereitet, birgt unwahrscheinliche Potentiale. Das Stichwort heißt: virtuelle Welten. Das Online-Kaufhaus der Zukunft wird aus virtuellen Räumen bestehen. Der Kunde kann darin umherwandern, an die Regale treten, die Waren herausnehmen und von allen Seiten betrachten.

Für das persönliche Entertainment sind virtuelle Charaktere zuständig - auch Avatare genannt. Der Kunde kann zu Beginn seines Besuchs bestimmen, wie der Avatar aussehen soll. Auch seine eigene Person könnte der Kunde durch einen Avatar darstellen lassen - natürlich nach den ureigensten Schönheitsvorstellungen.

Im Moment nur stark im Privat-Sektor

Soweit ist es allerdings noch lange nicht. Im Moment finden sich vir-tuelle Welten und ihre Bewohner vorwiegend im Privatbereich. Chat-Communitys erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Das Fraunhofer Institut ist sich allerdings sicher, dass sich hinter dieser Technik ein enormes Umsatzpotential verbirgt. Die neuen Einsatzfelder müssen nur noch entdeckt werden.

Neben dem digitalem Kaufhaus mit "Look-and-Feel"-Effekt lassen sich dreidimensionale Multiuser-Plattformen hervorragend für die Schulung einsetzen. Als Telelearning und Web-Based-Learning-Instrument unterstützt die Simulation des Klassenzimmers zum Beispiel die Vermittlung der Lerninhalte über Entfernungen hinweg. Auch Versicherungen oder Banken könnten von virtuellen Beratungsbereichen profitieren. Mit Online-Banking - durch digitale Banker ergänzt - könnten auch Kredite oder Anlagen über das Netz abgewickelt werden.

Dreidimensionale Kommunikation über das Netz spielt im Prinzip überall dort eine Rolle, wo Informationen anschaulich vermittelt werden sollen. So könnten auch Präsentationssysteme mit der Fähigkeit, Informationen zwei und dreidimensional darzustellen, zu den Einsatzbereichen der virtuellen Plattformen zählen. Ebenfalls großes Potential birgt laut der Studie des Fraunhofer Instituts die professionelle Kommunikation zwischen Zulieferer und Abnehmer. Virtuelle Konferenzräume, in denen die Meeting-Partner, vertreten durch ihre digitalen Persönlichkeiten, raumunabhängig an einem Tisch sitzen können. Dies wäre eine Alternative zu Videokonferenzsystemen, die für die Datenübertragung höhere Bandbreiten fordern. Außerdem wäre dies zum Beispiel auch für die Telearbeit förderlich.

Der Markt ist überschaubar

Zu den Herstellern von 3D-Multiuser-Kommunikationsplattformen gehören zum Beispiel Blaxxun, Active World, Entrance oder Paraworld. Alle Systeme funktionieren mit Windows und sind sowohl im Business- als auch im Consumer-Bereich einsetzbar. Eines der Praxisbeispiele für einen dreidimensionalen Chat-Raum ist der Juristentreffpunkt Advopolis. Dort wurde eine virtuelle Welt von Blaxxun ins Netz gestellt, in der sich die Mitglieder der Community per Avatar unterhalten können.

Als Hersteller von Avataren, besser gesagt künstlichen Agenten oder Cyber-Robotern, haben sich Firmen wie Artificial Life, Hearme oder die Kölner Vista New Media GmbH einen Namen gemacht. Die künstlichen Gesprächspartner warten allerdings nicht nur mit ebenmäßigen Gesichtszügen auf. Hinter den digitalen Menschen stecken ausgeklügelte Wissensdatenbanken, was das Geschäft mit Avataren auf jeden Fall zum Projektgeschäft werden lässt. Die Fähigkeiten eines Cyber-Roboters müssen exakt auf die Bedürfnisse des Online-Shops zugeschnitten sein, sonst endet jedes Verkaufsgespräch in einem belanglosen Geplapper zwischen Surfer und virtuellem Agenten.

Ein Beispiel für einen virtuellen Charakter in Aktion ist Cira. Sie ist eine gut gebaute Blondine aus dem Hause Vista New Media, die auf der Cellway-Homepage Beratungsfunktionen übernommen hat. Noch lebensnaher wird die digitale Agentin, wenn sie auf Messen ihren Auftritt hat. Gesteuert per PC, lockt sie die Messebesucher und potentiellen Kunden lebensgroß an den Stand. Die rothaarige Lucy dagegen sorgt dafür, dass die Besucher der Artificial-Site alles erklärt bekommen, was sie wissen möchten - dies allerdings bislang nur in Englisch. Sowohl die Hersteller der virtuellen Realitäten als auch die Marktforscher sind sich sicher, dass 3D-Kommunikationsplattformen gute Chancen haben, sich als lukrativen Markt zu etablieren. Gerade weil die Welten und somit auch die Software sich genau an die Bedürfnisse der Kunden anpassen müssen, ist dies auch ein Thema den Fachhandel. (gn)

www.activeworlds.com

www.cybertown.com

www.vr-shop.iao.fhg.de

www.dimension3d.de

www.blaxxun.de

www.vrt.de

www.artificial-life.com

www.advopolis.de

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