Girocard mit Apple Pay nutzen

Vom Online-Potenzial der deutschen Debitkarte



Ralf Gladis ist Mitgründer und Geschäftsführer des internationalen Payment Service Providers Computop – the payment people. Ralf Gladis ist verantwortlich für das Produktportfolio und die strategische Ausrichtung von Computop. 2022 wurde Ralf Gladis in das Digital Finance Forum berufen, die Expertenkommission des Bundesfinanzministeriums.

 
Die Girocard ist nach 27 Jahren im E-Commerce angekommen und erweitert das Wallet von Apple Pay. Ob sich das durchsetzen kann, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab.
In einem geplanten gesamteuropäischen Zahlungsnetzwerk soll es nur noch eine einheitliche Karte geben. Das könnte das Ende der Girocard bedeuten.
In einem geplanten gesamteuropäischen Zahlungsnetzwerk soll es nur noch eine einheitliche Karte geben. Das könnte das Ende der Girocard bedeuten.
Foto: Werner Spremberg - shutterstock.com

Für die Zukunftsfähigkeit der Girocard war die Integration in die Apple Pay Wallet ein wichtiger Schritt. In ihr neues, elektronisches Umfeld bringt sie ihre größte Stärke, die Verbreitung, mit ein. Zugleich bringt sich auch die European Payments Initiative (EPI) in Stellung mit dem Ziel, ein gesamteuropäisches Bezahlsystem aufzubauen. Welche Chance hat die Girocard noch mit ihrem Apple-Pay-Einstieg nach fast 30 Jahren E-Commerce?

Im Januar 1968 gaben die ersten Banken Scheckkarten aus. Sie waren zusammen mit einem Scheck zunächst als Zahlungsgarantiekarten gedacht. Mit der Einführung der Eurocheque-Karte (EC-Karte) wandelte sich die Karte von einer deutschen zu einer europaweiten Zahlungsmöglichkeit. In den 1990er Jahren wurde dank der neuen Debitfunktion aus Eurocheque das Electronic cash und die Nutzer konnten mit der Karte und ihrer PIN bezahlen. Vor 14 Jahren wurde der Name erneut geändert, seither heißt die EC-Karte Girocard. Seit 2017 kann man mit ihr mittels NFC-Technologie auch kontaktlos bezahlen.

27 Jahre E-Commerce - und wo bleibt die Debitkarte?

Seit vielen Jahren liegt der prozentuale Zuwachs des Umsatzes im Onlinehandel um die 10 Prozent. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung weiter gepusht, sodass 2020 ein Zuwachs von 23 Prozent verzeichnet werden konnte. Auch die Prognosen für 2021 sehen für den E-Commerce rosig aus. Längst kann mit Kartensystemen wie Visa oder Mastercard online bezahlt werden. Nur die Girocard suchten Kundinnen und Kunden bei den Bezahlmethoden bislang vergeblich. Zwar lässt sich die Girocard beim Onlinebanking verwenden, doch direkt im Checkout mit ihr zu bezahlen war bis dato nicht möglich.

Mit 100 Millionen ausgegebenen Karten in Deutschland hat die Girocard für den E-Commerce großes Potenzial, das die Deutsche Kreditwirtschaft dem Onlinehandel über Jahre hinweg vorenthalten hat. Es musste erst mit Apple ein amerikanischer Konzern in das Geschäft einsteigen, um der Girocard den Weg in den E-Commerce zu ebnen. Seit letztem Jahr können Kundinnen und Kunden der Sparkasse mit ihrer Girocard via Apple Pay am POS bezahlen. Über das digitale Wallet des iPhone kann sie seit kurzem auch für das Online Shopping genutzt werden.

Betrachtet man die Girocard via Apple Pay unter dem technischen Aspekt, so ist sie kein eigenständiges Bezahlverfahren, sondern ein sogenanntes Settlement-Zahlungsmittel. Darauf wird zurückgegriffen, wenn im Wallet kein Guthaben mehr vorhanden ist oder das Wallet systembedingt - wie bei Apple Pay - gar kein Guthaben verwaltet. Für einen umfassenden Erfolg der deutschen Debitkarte im Onlinehandel müssen aber weitere Banken und andere Wallets einsteigen, um die Marktabdeckung weiter zu erhöhen. Außerdem müssen die PSPs (Payment Service Provider) diese Lösung unterstützen, die ja die Schnittstelle zwischen Onlinehändler und Wallet darstellen. Bei der Girocard via Apple Pay hat genau das funktioniert: Die Sparkasse hat 46 Mio Karten digitalisiert und die drei größten PSPs in Deutschland haben die entsprechenden Schnittstellen bereitgestellt. Damit die neue Funktion ein Erfolg wird, müssen die Händler das Zahlen mit der Girocard in ihren Onlineshops anbieten.

Lesetipp: Diese Einschränkungen gibt es - Sparkassen-Girocard für Apple Pay einrichten

Apple Pay mit Girocard: Vorteile für Händler und Kunden

Die Kombination aus Girocard und Apple Pay punktet bei Kunden unter anderem im Bereich Datenschutz: Die Debitkarte wird laut einer im Jahr 2017 durchgeführten Bundesbank-Studie von Nutzern im Vergleich zu amerikanischen Kartenmarken als vertrauenswürdiger eingestuft. Außerdem speichert Apple, gemäß eigenen Angaben anders als andere Wallet-Systeme, die personenbezogenen Transaktionsdaten nicht. Besonders profitieren die Kunden aber von der komfortablen User Experience: E-Wallets wie Apple Pay, aber auch PayPal oder das neue Click to Pay sind einfach zu bedienen und mittels der Expresskauf-Funktion ist ein schneller Check-out gewährleistet. Die Karten- und Adressdaten des Users werden direkt aus dem Wallet an den Händler übermittelt. Außerdem wird die Zahlung durch biometrische Authentifizierung bestätigt, was sie besonders sicher macht.

Die Girocard via Apple Pay hat jedoch nicht nur für die Kunden Vorteile, auch die Händler profitieren von dieser Kombination. Einerseits kann durch den schnellen und einfachen Kaufprozess die Konversion im Check out erhöht werden. Anderseits sind die Transaktionskosten für die Händler geringer als bei einer Kreditkarte. Vom POS bereits bekannt, bleibt dieser Bonus in der Regel auch im Onlinehandel erhalten. Allerdings weichen die einzelnen Kostenvorteile voneinander ab, je nachdem, welcher PSP die Schnittstelle bereitstellt und welchen Acquirer der Händler nutzt.

Auch Branche und Größe des Onlinehandels spielen dabei eine Rolle. Daneben ist der Integrationsaufwand der Girocard als Zahlungsmittel im Shop gering, vor allem für Händler, die über ihren PSP bereits Apple Pay anbieten. Es muss lediglich ein Akzeptanzvertrag für die Girocard hinzugefügt werden. Händler, denen Apple Pay noch fehlt, müssen zunächst noch das Wallet über einen PSP integrieren lassen. Aufgrund der großen Marktabdeckung der Girocard und der Kaufkraft von Apple-Usern können Händler neue Kundengruppen erschließen.

Lesetipp: Die wichtigsten Payment-Trends

European Payments Initiative: Das Ende der Girocard?

Die European Payments Initiative (EPI) strebt bis zum Ende des Jahrzehnts eine europaweit einheitliche Lösung an, indem sie ein gesamteuropäisches Zahlungsnetzwerk (Scheme) aufbaut, das auch die existierenden nationalen Debitkarten durch eine einheitliche Karte ablösen soll. Bei Gelingen prognostizieren einige Branchenkenner das Ende der Girocard.

Allerdings wird die EPI dann eine technische Aufwärtskompatibilität von nationalen Debitkarten zu der neuen paneuropäischen Karte schaffen müssen. Nur so werden die EU-Bürgerinnen und Bürger auf längere Sicht bereit sein, ihre gewohnten Karten aufzugeben. Für Händler, die in Zukunft Debitkarten mit einem Wallet als Bezahloption anbieten wollen, bedeutet das, dass sich der mögliche Nutzerkreis dieser Kombination auf Kunden in ganz Europa ausweiten könnte, die die Karte der EPI nutzen.

Kommt die digitale Girocard für den E-Commerce zu spät? Sollte es der EPI gelingen, einen geschlossenen Bezahl-Kosmos aufzubauen, wird die Girocard darin keine Rolle mehr spielen. EPI-Wallets mit Instant-Payments werden den E-Commerce abdecken, in Apple Pay steckt die EPI-Karte. Am POS wird eine physische Karte zum Einsatz kommen, oder ebenfalls ein Wallet. (bw)

Lesetipp: E-Payment - Europa sucht den Anschluss

Zur Startseite