"Von 150 Vertriebspartnern wird nur die Hälfte übrig bleiben"

04.10.2001
Mit Greatplains stieg Microsoft in das Geschäfts mit ERP-Lösungen ein. Der seit Mai amtierende Geschäftsführer bei Greatplains Deutschland Thilo Roetger sprach mit ComputerPartner-Redakteur Eberhard Heins über die aktuelle Vertriebsstrategie und Veränderungen in der Produktpolitik.

Bislang erwirtschaftet Great-plains 90 Prozent seines Umsatz in Amerika. Welchen Anteil an den verbleibenden zehn Prozent generiert das Unternehmen in Deutschland?

Roetger: Wir machen 100 Prozent des deutschen Umsatzes - Scherz beiseite, die Zahlen werden, wie Sie wissen, nicht veröffentlicht. Durch die Akquisition von Microsoft gehen wir aber davon aus, dass sich unsere Verhältnisse an die der Redmonder anpassen werden. Microsoft erwirtschaftet nur 40 Prozent seines Umsatzes in den USA. Wir müssen nicht 60 Prozent machen, rechnen mittelfristig aber mit 40 bis 50 Prozent.

Aus dem Stand 40 Prozent vom Gesamtumsatz in Deutschland zu erwirtschaften ist ein sehr ehrgeiziges Ziel.

Roetger: Da haben Sie Recht. Hierzulande sind wir als Greatplains bislang unbedeutend. Die Zielrichtung gilt aber auch in Deutschland der Marktführerschaft.

Ein ehrgeiziges Vorhaben. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Roetger: Indem wir massiv eine qualifizierte Partnerbasis aufbauen.

Einige andere ERP-Hersteller wie Navision oder Sage KHK verfügen bereits über einen ausgebauten Partnerkanal in Deutschland. Qualifizierte Fachhändler sind nicht beliebig produzierbar. Wie und wo wollen sie neue Partner gewinnen?

Roetger: Wir sind bisher wenig aggressiv aufgetreten. Als Teil von Microsoft können wir das auch nicht. Wir werden auch künftig nicht versuchen, Partner anderer Hersteller aktiv abzuwerben. Viele von ihnen kommen aber von selbst auf uns zu, weil sie in Greatplains eine sichere Investition in die Zukunft sehen. Es gibt vergleichbare Produkte, aber wenn ein Endkunde vor der Entscheidung steht, eine ERP-Lösung zu kaufen, kann er bei Greatplains sicher sein, dass wir nahe an den technologischen Entwicklungen sind und es unsere Produkte in fünf Jahren auch noch geben wird.

Gibt es noch andere Instrumente, die Sie einsetzen wollen, um ihr Ziel zu erreichen?

Roetger: Preisdumping kommt für uns nicht in Frage. Wir können dieses Ziel sowohl mit unseren Produkten als auch der Stärke der Company insgesamt erreichen.

Wie viele Partner hat Greatplains in Deutschand zertifiziert?

Roetger: Insgesamt sind es rund 150, überwiegend natürlich für das Produkt Apertum. Davon sind aber sicherlich nicht mehr als 20 A-Partner. Alle anderen sehen wir uns sehr kritisch an. Sie müssen nachweisen, ob sie mit Greatplains Geschäft machen wollen.

Welche Auswahlkriterien legen Sie an?

Roetger: Sowohl qualitative als auch quantitative Faktoren. Als erster Indikator dient der aktuelle Umsatz. Ist er nicht ausreichend, beraten wir mit dem Händler, mit welchen Maßnahmen er seinen Absatz steigern kann.

Wie viele der 150 Partner werden übrig bleiben?

Roetger: Die Hälfte.

In Deutschland bietet Greatplains die vier Produktlinien E-Enterprise, Enterprise-Reporting, das durch die Übernahme von BTK erworbene Apertum und als CRM-Lösung die modifizierte Midmarket-Edition von Siebel an. Zu diesem Produkten verkauft Greatplains in Amerika noch weitere ERP-Software wie Dynamics und Solomon. Dieser Bauchladen soll für das Framework Dotnet von Mircrosoft verfügbar gemacht werden. Wie ist der derzeitige Stand?

Roetger: Die Frage zielt ins Mark. Microsoft hat Dotnet für das nächs-te Jahr angekündigt. Ich gehe aber davon aus, dass Greatplains seine Lösungen über die nächsten vier bis fünf Jahre parallel zu diesem Framework entwickeln wird. Dann wird sich zeigen, wer von unseren Kunden wann und in welcher Form migrieren will. Dass es uns damit ernst ist, sehen Sie daran, dass wir von Apertum gerade das neue Release 3.6.1. auf den Markt gebracht haben.

Wird dieses Produkt auch in fünf Jahren noch am Markt sein?

Roetger: Davon gehe ich aus. Es besteht überhaupt kein Anlass, ein ausgereiftes Produkt sterben zu lassen, unabhängig davon, in welcher Form sich Dotnet entwickelt.

Die zumindest parallele Ausrichtung auf Dotnet spricht dafür, dass einzelne Funktionen aus dem Portfolio künftig über das Mittelstandsportal B-Central von Microsoft oder im ASP-Betrieb angeboten werden. Was planen Sie für Deutschland?

Roetger: Das Portal hat eigene Funktionen und ist auch dazu gedacht, Dotnet in der Praxis zu erproben.

Heißt das, dass beispielsweise das ERP-Flagschiffprodukt E-Enterprise nicht für das Portal verfügbar gemacht wird?

Roetger: B-Central ist derzeit eine rein US-amerikanische Angelegenheit. Derzeit bestehen für Europa noch keine konkreten Pläne.

Der IT-Hype des vergangenen Jahres Application-Service-Providing spielt momentan auch nicht mehr die ganz große Rolle. Was planen Sie für den ASP-Markt?

Roetger: Das ist für uns dennoch ein ganz heißes Thema. Wir verhandeln derzeit mit einem sehr namhaften deutschen Unternehmen, welches das ASP-Geschäft mit uns angehen wird. Wir haben in den USA in den vergangenen vier Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht. Aber die Nachfrage muss von den Kunden kommen. Greatplains wird nichts in den Markt pressen, was dort nicht verlangt wird.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für Vertriebspartner, am ASP-Geschäft teilzuhaben, und welche Lösungen sollen über diesen Kanal vertrieben werden?

Roetger: Bei den Produkten gibt es im Prinzip keine Einschränkungen. Die Partner erwirtschaften schon heute einen Großteil ihres Umsatzes über Add-ons und im Dienstleistungsgeschäft. Auch im ASP-Betrieb angebotene Lösungen müssen angepasst werden.

Wann werden Sie in Deutschland das ASP-Geschäft starten?

Roetger: In diesem Jahr entwickeln wir das Konzept. Start wird Anfang nächsten Jahres sein.

Für Nordamerika entwickelt Greatplains derzeit die ERP-Lösung Small Business-Manager. Wird diese Software für Kleinstunternehmen auch auf den deutschen Markt kommen?

Roetger: Nein. Die unter den Codenamen Blue entwickelte Software kommt nicht auf den europäischen Markt.

Warum nicht?

Roetger: Es soll ein Massenprodukt sein. In Deutschland müsste ich mir dafür einen neuen Vertriebskanal eröffnen. In Amerika werden wir diese Software zum größten Teil über B-Central verkaufen. Wir überlegen aber derzeit, unter welchen Modifikationen eine solche Lösung im SMB-Bereich in Deutschland sinnvoll sein könnte.

Würde das Produkt dann über B-Central vertrieben werden?

Roetger: Ja, es macht Sinn, dieses Produkt über ein entsprechendes Portal direkt zu vermarkten. Es passt nicht in den bestehenden Partner-Channel. Jede Beratung, die länger als zehn Minuten dauert, würde die Marge auffressen.

Jim Sheperd, Senior Vice President beim amerikanischen IT-Beratungshaus AMR, sagt voraus, dass künftig von einem ERP-Anbieter erwartet wird, CRM-Funktionalität als Teil seines Kernprodukts anzubieten. Große ERP-Hersteller wie

Peoplesoft, SAP und JD Edwards haben dies bereits vorgemacht. Gibt es von Seiten Greatplains über die Midmarket-Edition von Siebel hinaus Pläne, diesem Anspruch gerecht zu werden?

Roetger: Die Pläne gibt es sicherlich. Der CRM-Markt ist für Microsoft zu interessant, um nicht kritisch zu prüfen, was über die Zusammenarbeit mit Siebel hinaus für andere Marktsegmente angeboten werden kann. Die klassischen Möglichkeiten sind, selber zu entwickeln oder zu kaufen.

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