Von guten und von schlechten Tagen: Über den richtigen Umgang mit sich selbst

11.07.1997
MÜNCHEN: Warum fühlen wir uns an einem Tag in Hochform, sprudeln vor Ideen und sind erfolgreich und an anderen gelingt einfach gar nichts? Woher kommen diese oft völlig verschiedenen Gefühlszustände und Befindlichkeiten und wie kann man selbst Einfluß darauf nehmen? Diesen und anderen Fragen geht Helmut Seßler* im folgenden Beitrag nach.Vor kurzem führte ich an einem Tag fünf Gespräche, die alle sehr erfolgreich verliefen. Ich war hoch motiviert und fühlte mich großartig. Ich kann mich aber genau an einen anderen Tag erinnern, an dem ich zwei Gespräche führte, die einfach nicht meinen Vorstellungen entsprachen, ebenso verliefen alle weiteren Gespräche an diesem Tag", erzählt ein Vertriebsmitarbeiter. Eine Situation, die Sie vielleicht auch schon erlebt haben. Es gibt Tage, da gelingt nichts und es gibt Tage, da gelingt alles. Aber wir sind doch ein und dieselbe Person mit denselben Ressourcen und Potentialen. Warum gibt es diese Unterschiede? Wir wissen, daß Boris Becker und Steffi Graf Tage haben, an denen jedes Match hervorragend läuft, und daß es Tage gibt, an denen sie bereits daran scheitern, daß sie nicht einen einzigen guten Aufschlag zustande bringen.

MÜNCHEN: Warum fühlen wir uns an einem Tag in Hochform, sprudeln vor Ideen und sind erfolgreich und an anderen gelingt einfach gar nichts? Woher kommen diese oft völlig verschiedenen Gefühlszustände und Befindlichkeiten und wie kann man selbst Einfluß darauf nehmen? Diesen und anderen Fragen geht Helmut Seßler* im folgenden Beitrag nach.Vor kurzem führte ich an einem Tag fünf Gespräche, die alle sehr erfolgreich verliefen. Ich war hoch motiviert und fühlte mich großartig. Ich kann mich aber genau an einen anderen Tag erinnern, an dem ich zwei Gespräche führte, die einfach nicht meinen Vorstellungen entsprachen, ebenso verliefen alle weiteren Gespräche an diesem Tag", erzählt ein Vertriebsmitarbeiter. Eine Situation, die Sie vielleicht auch schon erlebt haben. Es gibt Tage, da gelingt nichts und es gibt Tage, da gelingt alles. Aber wir sind doch ein und dieselbe Person mit denselben Ressourcen und Potentialen. Warum gibt es diese Unterschiede? Wir wissen, daß Boris Becker und Steffi Graf Tage haben, an denen jedes Match hervorragend läuft, und daß es Tage gibt, an denen sie bereits daran scheitern, daß sie nicht einen einzigen guten Aufschlag zustande bringen.

Womit hängen diese Reaktionen zusammen? Der Unterschied liegt darin, daß wir uns in verschiedenen neuro-physiologischen Gefühlszuständen befinden und diese unterschiedlich erleben. Es gibt Zustände, die uns beflügeln, zum Beispiel Freude, Begeisterung, Liebe, Vertrauen und auch mehr und es gibt Zustände, die uns lähmen - Frust, Angst, Trauer etc. Und so erleben und empfinden wir diese als gute oder schlechte Zustände. Könnten wir diese Gefühlszustände kontrollieren oder ändern, würde sich auch unser Verhalten ändern. Der Schlüssel für den richtigen Umgang mit uns selbst steckt also im Umgang mit unseren Zuständen oder anders ausgedrückt, unserer Befindlichkeit

Zustände und Befindlichkeiten

Warum wir in solche Zustände kommen, hängt mit unserer Vorstellung zusammen. Die Vorstellung von den Erkenntnissen, die wir ein Leben lang machten. Es sind Erinnerungen, die wir wie Programme in uns abgelegt haben. Diese Programme werden bereits in frühester Kindheit angelegt und sind unglaublich tief verwurzelt. Sicherlich kennen Sie Menschen, die öfters sagen: "Nie werde ich so wie meine Mutter oder mein Vater." Trifft man diese Menschen nach 20 Jahren wieder, erlebt man häufig, daß sie genau das Verhalten der Eltern übernommen haben, trotz bester Vorsätze. Die Ursache liegt in der festen Verankerung der elterlichen Verhaltensweisen und dem fehlenden Erleben von Alternativen. Wenn also unsere Eltern immer übermäßig besorgt waren oder wir ein solches Verhalten bei anderen uns nahestehenden Personen erlebten, kann oder wird es so sein, daß auch wir uns oftmals übermäßige und unnötige Sorgen machen. Das liegt einfach daran, daß wir dieses Verhalten über viele Jahre erlebt haben.

Doch wodurch entstehen Zustände und was bewirken sie? Zum einen entstehen sie durch unsere innere Kommunikation und zum anderen durch unseren Körperzustand, wie zum Beispiel Haltung, Atmung, Muskelanspannung und so weiter Stellen Sie sich folgendes Beispiel vor: Ihr Partner kommt um einiges später nach Hause. Sie haben von Kindheit an erlebt, daß, wenn jemand zu spät nach Hause kommt, man sich Sorgen machen muß, weil ja etwas Schreckliches passiert sein könnte. Sie befinden sich somit in einem Zustand der Besorgnis. Dieser Zustand wird Ihr Verhalten bestimmen. Sie werden nervös, spielen mit dem Gedanken, Polizei und Krankenhäuser anzurufen, können sich nicht mehr auf das konzentrieren, was Sie gerade tun. Dann endlich, Ihr Partner kommt nach Hause. Jetzt ist Ihr Zustand ein Zustand der Erleichterung. Ihr Verhalten ist dementsprechend gelöst, die Anspannung verschwindet aus Ihrem Körper und ein Gefühl der Wiedersehensfreude breitet sich aus.

Nehmen wir jetzt dieselbe Ausgangssituation: Ihr Partner kommt um einiges später nach Hause. Sie allerdings haben früher mitbekommen, daß man mißtrauisch sein muß, wenn jemand unentschuldigt später kommt. Es könnte ja sein, daß man betrogen wird. Sie befinden sich in einem Zustand des Mißtrauens. Jetzt sieht Ihr Verhalten anders aus, Sie ärgern sich, Sie stellen sich vor, was er oder sie gerade tut und überlegen sich, was sie sagen werden, um die Wahrheit zu erfahren, wenn Ihr Partner zurückkommt. Dann endlich, Ihr Partner kommt nach Hause. Wie ist Ihr Zustand jetzt? Er ist nach wie vor angespannt. Sie möchten sich dennoch nichts anmerken lassen und fragen: "Na, wo kommst Du denn her?" und Ihr Partner hört sofort den angespannten Unterton heraus. Das liegt daran, daß Ihr Zustand immer noch Mißtrauen ist, und dieser Zustand Ihr Verhalten steuert. Dies geschieht durch Ihre innere Kommunikation, die Befürchtungen, die in Ihnen Bilder erzeugten, alles, was Sie dachten und zu sich selbst sagten, hatte auf Ihren Zustand eine bestimmte Wirkung. Unter innerer Kommunikation verstehen wir all das, was wir uns an inneren Bildern vorstellen, wie wir es uns vorstellen, was wir innerlich sagen, hören und wie wir es sagen und hören. Stellen Sie sich deshalb nochmals die Beispiele vor. Welche inneren Worte hören und welche inneren Bilder sehen Sie in der ersten und welche in der zweiten Situation? Diese Bilder und Worte wirken auf unseren Zustand, und wenn Sie sich in die Situation hineinversetzen, werden Sie feststellen, daß auch Ihr Körper sehr angespannt ist, die Atmung kurzatmig wird sowie Blutzirkulation und Adrenalinzufuhr gesteigert sind. Diese physiologischen Vorgänge wirken wiederum auf unseren inneren Zustand, und diese Zustände steuern letztlich unser Verhalten. Der Zustand ist verantwortlich für das, was wir sagen und tun, also wie wir uns nach außen verhalten.

Vorstellung aus Bildern und innerem Dialog

Das eben beschrieben Zusammenspiel funktioniert auch umgekehrt. Stellen Sie sich vor, Sie sind körperlich verkrampft. Sie sind müde, Ihr Körper schmerzt, vielleicht ist Ihr Blutzuckerspiegel niedrig und Sie sollen nun Ihre Kunden anrufen, um Termine zu vereinbaren. Wie werden diese Telefonate verlaufen, wie wird Ihr Verhalten sein - sofern Sie überhaupt anrufen? Ganz anders dann, wenn Sie sich energiegeladen, fit und ausgeruht ans Telefon setzen. Wie werden Sie sich jetzt verhalten? Auch unser Körperbefinden wirkt auf unseren Zustand und erzeugt dementsprechend positive oder negative Bilder, die wiederum den Zustand beeinflussen. Zustände entstehen nicht von ungefähr, sondern sind Modelle und Programme, die über viele Jahre in unserem Unterbewußtsein abgespeichert wurden. Modelle, die wir von unseren Eltern oder Mitmenschen übernommen haben, Programme, die wir durch das Lesen von Büchern und das Betrachten von Film und Fernsehen in uns angelegt haben. Diese bei jedem Menschen unterschiedlich abgelegten Modelle bestimmen die Vorstellung der Welt jedes Einzelnen, sind Ursachen, weshalb wir Dinge mit Plus oder Minus bewerten. Wer also mit sich selbst richtig umgehen will, muß lernen, bewußt seine Zustände zu steuern beziehungsweise Zustände zu erzeugen, die hilfreich und fördernd sind.

Ein bekannter Bergsteiger erzählte seinem Freund kurz vor seinem Absturz, daß er sich vor Wochen hätte abstürzen sehen. Kurze Zeit später wurde dies zur Realität. Manche sprechen hier von "Vorahnung", aber es ist wieder die "sich selbst erfüllende Prophezeihung". Der Bergsteiger hatte in sich ein Bild davon aufgerufen, was er keinesfalls wollte - nämlich abstürzen. Solche Bilder können sich mithin so stark im Unterbewußtsein verankern und auf den Zustand wirken, daß - bewußt oder unbewußt - ein dementsprechendes Verhalten folgt, und ein kleiner Fehltritt kann dadurch den Tod bedeuten. Deshalb ist es ganz wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was Sie wollen und nicht darauf, was Sie nicht wollen. Wenn Sie sich vorstellen, daß Sie ein schweres und hartes Verkaufsgespräch zu führen haben und Sie ein dementsprechendes Bild des Kunden vor Ihrem inneren Auge sehen, schon jetzt seine fordernden Worte hören, welches Gefühl entsteht dann bei Ihnen? Suchen Sie die Chance, die in solch einem Gespräch liegt, aber suchen Sie sie bereits vor dem Gespräch. Ändern Sie Ihre Vorstellung und Ihre inneren Sätze, die wie eine Tonbandkassette immer wieder ablaufen. Schaffen Sie sich Bilder und Worte von dem, was Sie haben möchten. Nehmen Sie die entsprechende Körperhaltung ein und wirken Sie so über Ihren Zustand positiv auf Ihr Verhalten, rufen Sie keine Bilder von Dingen auf, die Sie nicht wollen, denn diese wirken unbewußt negativ auf Ihr Verhalten.

In einen guten Zustand versetzen

Menschen, die erfolgreich arbeiten, sind permanent in der Lage, sich schöpferische Zustände zu verschaffen. Unterscheiden sich erfolgreiche von erfolglosen Menschen nicht gerade dadurch, wie sie ihre Zustände erkennen, aufrufen oder verändern können? Erfolgreiche Verkäufer, Manager, Eltern oder auch Trainer haben oft die Fähigkeit, Ereignisse so darzustellen, daß diese in scheinbar hoffnungslosen Situationen dennoch positive Empfangssignale ausstrahlen. Sie bringen sich und andere immer wieder in einen guten Zustand, so daß sie so lange an einer Situation arbeiten können, bis sie schließlich zum gewünschten Ziel kommen. Glaube und unsere Einstellung erzeugen innere Bilder und innere Worte sowie ein gewisses Körperempfinden, das über unseren Zustand eine direkte Auswirkung auf unser Verhalten hat. Wer ein exzellenter Beziehungsmanager ist oder werden will, hat die Aufgabe, zuerst mit sich selbst gut umzugehen und dann als Beziehungsmanager mit anderen Menschen zu kommunizieren - eine Beziehung zu managen.

Aber auch unser Gesprächspartner befindet sich in diesem zuvor beschriebenen Prozeß, das heißt, es besteht die Möglichkeit, daß wir auf Menschen treffen, deren Verhalten nicht so ist, wie wir es gerne hätten, denn auch deren Verhalten wird durch ihren Zustand gesteuert. Häufig möchten wir das Verhalten unserer Mitmenschen ändern - ganz gleich, ob bei Kunden, Kollegen, Mitarbeitern oder Partnern, doch das ist unmöglich. Verhalten ändern kann nur jeder für sich. Wir können unser Gegenüber lediglich in einen besseren Zustand versetzen, der ihn veranlaßt, sein Verhalten zu ändern. Deshalb ist das Beziehungsmanagement einer der wichtigsten Faktoren des Verkaufens. Ich kann das Kundenverhalten nicht ändern, aber ich kann meinen Kunden über seine innere Kommunikation, das heißt, über Bilder und Worte, die er für sich wählt, und/oder die ich bei ihm erzeuge, in seinem Zustand beeinflussen und somit auch auf sein Kaufverhalten einwirken. Wenn Sie bei anderen einen guten Zustand hervorrufen wollen, ist es wichtig, in der Lage zu sein, bei sich selbst einen gewünschten Zustand erzeugen zu können. Mit dem Wissen vom richtigen Umgang mit sich selbst können Sie immer mehr schlechte Tage in gute verwandeln. Viel Spaß beim Ausprobieren!

* Helmut Seßler ist Geschäftsführer der INtem-Trainingszentrale in Mannheim.

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