Gericht sieht kein Vermögensdelikt

Von Patientenpizza gegessen – Rauswurf nicht rechtens

22.02.2011
Ein Pfleger, der übrig gebliebenes Patientenessen verzehrt, darf nicht fristlos gekündigt werden.

Verzehrt ein in einem Krankenhaus langjährig beschäftigter und bislang unbescholtener Arbeitnehmer ein Stück einer Patientenpizza sowie einen nicht verbrauchten Rest einer Patientenportion Gulasch, rechtfertigt dies in aller Regel nicht dessen fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Dies, so der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem am 16.11.2010 veröffentlichten Urteil vom 29.09.2010 - Az.: 3 Sa 233/10, entschieden und deshalb nicht mehr aufgeklärt, ob die Vorwürfe überhaupt zutreffen.

Der 56-jährige Kläger ist in der von der Beklagten betriebenen psychiatrischen Fachklinik seit 1991 als Krankenpflegehelfer beschäftigt. Der Kläger genießt tariflichen Kündigungsschutz. Die Beklagte bezichtigte den Kläger, eine Ecke Pizza abgerissen und gegessen sowie einen Rest Gulasch verzehrt zu haben, das beides den Patienten zugestanden hätte. Er habe zulasten der Patienten Vermögensdelikte begangen und deren besondere Schutzbedürftigkeit ausgenutzt.

Der Kläger bestritt die Vorwürfe. Ohne vorherige Abmahnung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats fristlos. Der daraufhin vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Lübeck statt. Die Berufung der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg, betont Klarmann.

Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass es für die Prüfung eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens ankomme. Zweck der fristlosen Kündigung dürfe nicht die Sanktion einer Vertragsverletzung sein, vielmehr diene sie der Vermeidung des Risikos weiterer arbeitsvertraglicher Verstöße.

Bei den Vorwürfen des unerlaubten Verzehrs von Essensresten handele es sich allenfalls um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Bei einem steuerbaren Verhalten diene eine vorherige Abmahnung der Objektivierung einer negativen Zukunftsprognose. Sie sei nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handele, aufgrund derer die Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei.

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