Vorratsspeicherung bringt den Behörden gar nichts

13.06.2002

Ist Europa auf dem besten Wege, ein Kontinent der totalen Überwachung zu werden? In den USA hat Datenschutz seit dem 11. September vergangenen Jahres verständlicherweise keine sehr guten Karten mehr. Aber auch die alte Welt - Europa - legt sich mächtig ins Zeug, den Datenschutz zumindest für Telekommunikation und Internet komplett auszuhebeln. Ein Abgeordneter des EU-Parlaments hat ein Dokument der europäischen Polizei Europol ausgegraben, das unter anderem eine Art Wunschliste der europäischen Datenspeicherer darstellt. So steht es zumindest auf der Homepage der Zeitschrift Telopolis zu lesen. In diesem Dokument wird auch ein wenig deutlicher, was denn im Klartext geplant wird.

Auf der Wunschliste der Europol steht sehr genau, was auf uns Bürger an Überwachung zukommen könnte. Demnach sollen Provider in Zukunft bei Usenet-Servern folgende Daten speichern: das Datum und die Zeit der Client-Server-Verbindung, den Host-Namen und die ID der versandten Nachrichten. Bei FTP-Servern soll die IP-Source-Adresse, die User-ID mitsamt des ansonsten wohlgehüteten Passwortes sowie Pfad und Dateiname gespeichert werden. Die Telekommunikationsbetreiber müssen über ihre Kunden noch etwas mehr erzählen. Gespeichert wird: Wer wird angerufen oder wer ruft an - und das auch, wenn die Gespräche gar nicht zu Stande gekommen sind. Dann soll vermerkt werden, was mit dem Anruf geschah. Wurde er lediglich angenommen? Wurde er weiter- oder durchgeleitet? Kam etwa eine Konferenzschaltung zu Stande? In diesem Falle möchte die Europol übrigens alle beteiligten Nummern haben. Außerdem sollen Name, Geburtsdatum, Adresse und Rechnungsanschrift der zu den Gesprächen gehörigen Kunden gespeichert werden. Darüber hinaus: Geht es nach dem Deutschen Bundesrat soll dies doch bitte in Echtzeit und automatisch an die zuständige Behörde weitergeleitet werden.

Auf den Punkt gebracht: Es soll die gesamte Kommunikation der europäischen Bürger auf Vorrat gespeichert werden. Die Frage ist, ob dies wirklich Sinn macht. Der Grund für diese Kontrolle ist sicherlich - wie in den USA - der Kampf gegen Terrorismus und andere Verbrechen, wie sexueller Missbrauch gegen Kinder. Dies hat ja auch der Bundesrat in seiner offiziellen Mitteilung zur Gesetzesinitiative ausdrücklich betont, und dieser Kampf ist auch notwendig - kein Zweifel. Doch eine Speicherung aller Daten der gesamten EU-Bevölkerung auf Vorrat ist überzogen. Die Initiatoren hebeln damit nicht nur den Datenschutz aus, sondern, zumindest in Deutschland, auch die Verfassung. Außerdem wird man durch diese Maßnahmen die wirkliche Zielgruppe, nämlich die organisierten und professionellen Verbrecher, nicht treffen. Schon jetzt gibt es Tools, die mit einfachen Mitteln verschleiern, wer sich wann und wo im Internet bewegt. Diejenigen, die tatsächlich Dreck am Stecken haben, werden ziemlich schnell Mittel und Wege finden, ihre Telefongespräche und Internetaktivitäten unbeobachtet zu erledigen. Was dann übrig bleibt, sind Daten von Bürgern, die an sich nichts zu verbergen, aber dennoch ein Recht auf ihre Privatsphäre haben.

Zudem wäre die Datenmenge, die durch die Vorratsspeicherung anfallen würde, gigantisch. Ohne Frage würde dies ein glänzendes Geschäft für die Storage-Hersteller werden. Und auf die vielen brachliegenden Glasfaserkabel in Europa käme eine Renaissance zu. Aber es ist zweifelhaft, ob die Damen und Herren von Europol, des EU-Parlaments und jetzt des Bundesrates auch nur annähernd wissen, was für eine Datenflut bei der gewissenhaften Durchführung eines solchen Gesetzes auf sie zukommt.

Gabriele Nehls

gnehls@computerpartner.de

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