Rechtskraft des letzten Willens gefährdet

Vorsicht bei Korrekturen des Testaments

20.03.2012
Was Erblasser angesichts der Rechtsprechung beachten sollten, sagt Dr. Stephanie Thomas von WWS.
Foto:

Heirat, Scheidung, Patchwork-Familie: Wechselnde Lebensumstände erfordern immer häufiger Anpassungen des Testaments. Viele Erblasser nehmen eigenhändig Korrekturen, Ergänzungen oder Streichungen vor, ohne vorab rechtlichen Rat einzuholen. Das ist riskant. Änderungen im Testament können das Gegenteil von dem bewirken, was beabsichtigt ist.

Schnell entsteht Streit unter den Erben. Mehr als bei allen anderen rechtlichen Dokumenten kommt es beim Testament auf den eindeutigen und wirksamen Willen des Verfassers an. Schließlich kann der Erblasser bei Streitigkeiten nicht mehr befragt werden und das Testament nachbessern. Viele Erblasser unterschätzen die formalen Anforderungen an Testamentsänderungen, wie eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts München erneut zeigt (Az. 31 Wx 298/11). Ein Erblasser hatte auf seinem eigenhändigen Testament unterhalb der Unterschrift eine Bedingung ergänzt. Seine Lebensgefährtin sollte nur dann Alleinerbin werden, wenn sie eine gleichlautende testamentarische Verfügung trifft. Vorerst sollte das Testament ungültig sein. Die Richter werteten die Ergänzung als nicht formwirksam. Grund: Der Nachtrag war nicht unterschrieben. Die Lebensgefährtin erbte das ganze Vermögen.

Schon kleine Formfehler können die Gültigkeit des Testaments teilweise oder ganz in Frage stellen. Je weitreichender die Änderungen, desto strenger die Formvorschriften: Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen bloßen Streichungen, Ergänzungen und widersprechenden Anordnungen. Eine Einordnung ist in der Praxis oft schwierig. Korrekturen auf der Testamentsurkunde sind nur in Ausnahmefällen ohne Unterschrift wirksam. Bei widersprechenden Anordnungen ist eine Datumsangabe zwingend. Sicherheitshalber sollten alle Änderungen mit Unterschrift und Zeitangabe versehen werden.

Gemeinschaftliche Testamente erfordern ein besonderes Augenmerk. Wechselbezügliche Verfügungen unter Eheleuten können grundsätzlich nur in notarieller Form widerrufen werden. Nach dem Tod eines Ehepartners ist ein Widerruf ausgeschlossen Häufig ist Eheleuten nicht bewusst, dass ihr Testament wechselbezügliche Regelungen enthält und welche Konsequenzen damit verbunden sind. Problematisch sind auch Nachträge, die nur mit der Unterschrift eines Ehepartners versehen sind. Aufgrund der komplexen Anforderungen sollten Ehepaare vor Änderungen eines gemeinschaftlichen Testaments immer rechtlichen Rat einholen.

Bei weitreichenden Änderungen sollten Erblasser besser gleich ein neues Testament erstellen. Sicherheitshalber sollte das vorherige Testament mit einem Ungültigkeitsvermerk auf der Urkunde versehen oder komplett vernichtet werden. Bloßes Wegwerfen ist nicht ausreichend, der Verfasser sollte das Testament zerreißen oder anderweitig zerstören. Ein zerrissenes Testament ist ein für alle Mal widerrufen und lässt sich durch Zusammenkleben nicht wieder in Kraft setzen. (oe)
Die Autorin Dr. Stephanie Thomas ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin in der Wirtschaftskanzlei WWS in Mönchengladbach.
Kontakt: www.wws-gruppe.de

Zur Startseite