Vorsicht Falle: Scheinfirmen nehmen langsam Überhand

24.06.1999

MÜNCHEN: Ohne es zu wollen, geraten seriöse Mobiltelefonhändler zunehmend ins Fadenkreuz der Finanzbehörden. Schuld daran sind Scheinfirmen, die ihnen Handies verkaufen, für die sie nie eine Mark Umsatzsteuer bezahlt haben. Peter Rössler* berichtet über einen aktuellen Fall.Früher waren es die Kraftfahrzeughändler, heute sind es die Verkäufer von mobilen Telefonen, die vielfach in das Fahndungsnetz der Finanzbehörden geraten. Ein konkreter Fall beschäftigt derzeit beispielsweise die Steuerfahndung in Mannheim, die als zentrale Ermittlungsstelle mit der Überprüfung beschäftigt ist.

Der Fall: Ein türkischer Landsmann eröffnet im Dezember 1997 ein Unternehmen für den Im- und Export von elektronischen Waren aller Art. Umsatzsteueridentifikationsnummer, Gewerbeanmeldung und die Anmeldung beim Finanzamt können nachgewiesen werden, ein Inkassounternehmen hat das Unternehmen auch gelistet. So weit, so rechtsgemäß.

Das Millionen-Umsatzgeschäft betreibt der Unternehmer von seiner Wohnung in Mannheim aus. Im Frühjahr 1998 prüft die Steuerbehörde und stellt fest, daß der Unternehmer Handys im Ausland einkauft und im Inland verkauft. Nur: Die Umsatzsteuer wird von ihm nicht abgeführt. Die Verkaufspreise sind niedriger als die üblicherweise angebotenen Preise. Entsprechend viele Unternehmen kaufen also bei ihm ein und verkaufen in diesem wachsenden Markt zigtausend Stück der Telefone.

Die Konsequenz aus dem Besuch der Finanzbehörde: Der ehemalige Un-ternehmer verschwindet auf Nimmerwiedersehen von der Bildfläche ins Ausland - und ist damit dem Zugriff der Behörden entzogen.

Doch die legen damit den Fall nicht zu den Akten: Plötzlich steht die Steuerfahndung vor der Tür der Unternehmen, die arglos bei dem Steuerflüchtling gekauft haben. Unterlagen werden beschlagnahmt, Geschäftsräume und Bankkonten durchsucht. Wenig später wird diesen Unternehmen der Vorsteuerabzug versagt, also die in den Rechnungen ausgewiesene Steuer (16 Prozent), die der Unternehmer selber abziehen kann (siehe Beispiel im Kasten). Für den Unternehmer bedeutet das überraschend: Vorsteuer in beträchtlicher Höhe ist zurückzuzahlen.

Beschwerden, man habe von nichts gewußt, nutzen gar nichts - das Finanzamt läßt sich auf nichts ein: man habe mit einer Scheinfirma Umsätze getätigt, weshalb der Vorsteuerabzug - in dem Fall eben nachträglich - zu versagen ist.

Zwischenzeitlich sind längst andere Unternehmen gegründet, die ein ähnliches Spiel treiben. Und das Finanzamt vertritt den Standpunkt weiter: Zahle erst, und streite gegebenenfalls dann.

Wie kann man sich schützen?

Ein Schutz davor, einer Scheinfirma auf den Leim zu gehen, besteht praktisch nicht. Selbst Firmen der Baubranche, die in der Handwerksrolle eingetragen sind, werden vom Finanzamt als Scheinfirmen qualifiziert. Vielfach sind Unternehmen mit ausländischer Beteiligung, die nur für einige wenige, aber sehr lukrative Geschäfte gegründet werden, in diesem Sektor vertreten.

Die Finanzbehörden berufen sich auf von ihnen geführte sogenannte schwarze Listen, und argumentieren so gegen die betroffenen, geschädigten Unternehmer. Diese haben den Finanzbehörden das Gegenteil zu beweisen, und das ist meist schwer. Die Beweislast für die Unternehmereigenschaft des Lieferanten und die Bewirkung des Leistungsaustausches trägt nämlich der Steuerpflichtige

(ñ 15 Abs1UstG). Zuletzt hat das niedersächsische Finanzgericht jedoch einen betroffenen Bauunternehmer in Schutz genommen: Er habe auf die Richtigkeit der Angaben in den offiziellen Dokumenten vertrauen können. Diese Entscheidung ist allerdings nicht rechtskräftig, da das verklagte Finanzamt den Streitfall durch den Bundesfinanzhof (BFH) überprüfen läßt. Wann mit einem Urteil des BFH zu rechnen ist, ist offen: Diese Verfahren dauern in der Regel sehr lange. Gerade deshalb ist es ratsam, vorsichtig zu sein, da die Finanzämter weiter praktizieren wie gehabt. Auch für "unseren Fall" gibt es noch keine Entscheidung. Doch wer Telefone günstig einkauft, sollte besonders sorgfältig den Lieferanten unter die Lupe nehmen. Nach BFH besteht eine Obliegenheitspflicht des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten wie Anschriften, Firma, Existenz von Geschäftsräumen, Handelsregistereintragung, Rechtsform, über die Personen der Handelnden und gegebenenfalls über Mitarbeiter zu vergewissern. Sind diese Punkte überrüft, besteht zumindest nicht mehr der Verdacht, es handle sich um eine Scheinfirma oder sogar um eine Briefkastenfirma.

Um ganz sicher zu gehen, sollte man beim Finanzamt erfragen, ob das Unternehmen, mit dem die Geschäfte getätigt werden, nicht auf der schwarze Liste steht. Erteilt das Finanzamt hierzu eine Auskunft, ist diese verbindlich (Vertrauensschutz), später kann der Vorsteuerabzug kaum versagt werden. Besteht der Verdacht, es könne sich beim Lieferanten um ein "schwarzes Schaf" handeln, sollte in jedem Fall ein Steuerberater oder Rechtsanwalt konsultiert werden. Dieser wird die Sachlage prüfen. Ob eine Selbstanzeige beim Finanzamt gestellt wird, ist eine Einzelfallentscheidung.

* Peter Rössler ist Rechtsanwalt/ Fachanwalt Steuerrecht bei Klein & Rössler, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte in Frankfurt am Main

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