Vorwurf der Bilanzfälschung bei Compunet: "Diese Affäre ist ein mehrfaches Watergate"

22.08.2002
Wieder mal ist Compunet in die negativen Schlagzeilen geraten, wieder mal sollen es die eigenen Mitarbeiter sein, die das Unternehmen denunzieren. Der IT-Dienstleister soll Bilanzen gefälscht haben, heißt es in einem anonymen Brief. Ob das nun stimmt oder nicht, ein Imageschaden ist dem Unternehmen sicher.

Den Startschuss gab eine Meldung bei n-tv, zahlreiche Medien zogen nach: Vergangene Woche berichtete der Nachrichtensender von einem anonymen Brief, in dem gegen GE Compunet der Vorwurf der Bilanzfälschung erhoben wird. "Nach langem Ringen" habe man sich entschlossen, das eigene Gewissen zu erleichtern und Anzeige zu erstatten, heißt es in dem Schreiben, das inzwischen auch ComputerPartner vorliegt. "Hier wird gelogen und getürkt, (...) gemogelt und verschleiert", stellen da angebliche Mitarbeiter der deutschen Konzerntochter fest. Der oder die Absender machen sich deshalb Sorgen um die eigene Gesundheit: "Viele Abteilungen würden sich sehr freuen, wenn einige Missstände beseitigt werden. Aber Namen unter diesem Schreiben würden uns nicht nur unseren Kopf kosten - es könnte Schlimmeres passieren."

Bilanzfälschung in großem Rahmen?

Schlimm wäre es zunächst einmal für Compunet, sollten sich die Vorwürfe bestätigen: Der IT-Dienstleister soll nämlich Aufträge von Großkunden wie BMW, Airospace und Deutsche Bank sofort verbucht haben, obwohl sie erst Monate später tatsächlich eingegangen seien. Die fiktiv ausgestellten Rechnungen seien vernichtet und die Buchungen bei Eingang des regulären Auftrages nachträglich bereinigt worden, so die schriftlichen Vorwürfe. Bei der deutschen Tochter von General Electric sei das gängige Praxis: "Es wird alles getan, um die Quartalszahlen mit entsprechend vorgegebenen Zielerfüllungen zu erreichen." In der Branche habe man sich doch schon oft gefragt, wie es möglich sei, dass GE seine Ziele seit fast 20 Jahren mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit erreiche.

Auch wenn die Anschuldigungen etwas wirr klingen, der Absender des Schreibens hatte offenbar Einblick in die Interna. Er nennt zahlreiche interne und externe "Mitwisser" beim Namen: Darunter sind Vorstandssprecher Johannes Meier sowie die Compunet-Gründer Jost Stollmann und Günther Lamperstorfer. Lamperstorfer hat sich bereits zu Wort gemeldet: Er sieht sich von einer Mitwisserschaft "weit entfernt", könne sich eine Buchführungspraxis, wie sie jetzt beschrieben wird ("egal wie ich zu GE stehe") nur schwer vorstellen, ließ er verlauten. Ausdrücklich ausgeschlossen hat er die beschriebenen Vorgänge in seinem Statement aber nicht. Vorgebaut hat auch Carsten Barth, Pressechef von General Electric Deutschland: Unregelmäßigkeiten könnten, wenn überhaupt, nur in Unkenntnis des GE-Managements stattgefunden haben, sagt er.

Bei Compunet selbst reagierte man zunächst bestürzt: "Wir nehmen die Vorwürfe falscher Bilanzierung sehr ernst, und wir werden alles daransetzen, die Angelegenheit zu klären", so Unternehmenssprecherin Uta Letzel gegenüber ComputerPartner. Man habe sofort eine Untersuchung eingeleitet, bei der externe Experten eingesetzt werden sollen. Inzwischen sei man bereits ziemlich sicher, die Vorwürfe bald entkräften zu können. Deranonyme Brief sei "voller Ungereimtheiten und wirrer Anschuldigungen", so Letzel. "Wir sind auf Basis des Inhalts und der ersten Ergebnisse unserer Untersuchungen zuversichtlich, dass diese Behauptungen jeglicher Grundlage entbehren."

Darüber, dass das Schreiben angeblich aus dem eigenen Haus kommt, sei man wirklich verwundert: Bei Compunet gebe es schließlich Möglichkeiten, Probleme und Verstöße vertraulich weiterzugeben. Der Verfasser des Schreibens weiß das durchaus, beschreibt die internen Strukturen allerdings so: "Jeder bespitzelt da jeden."

N-tv spricht von Skandal

N-tv hat nach eigenen Angaben inzwischen eine weitere Spur: Die Hinweise auf bilanzielle Ungereimtheiten bei deutschen Tochterunternehmen des US-Mischkonzerns General Electric hätten sich verdichtet, so der zuständige Redakteur. Neben dem Urheber des Schreibens hätten sich auch weitere Personen gemeldet und darauf hingewiesen, dass es nicht nur bei GE Compunet sondern beispielsweise auch bei GE Power Controls (Niederspannungstechnik) nicht mit rechten Dingen zugehe. Mehr könne man derzeit leider nicht sagen, doch die erste Anzeige sei inzwischen auf jeden Fall bei der Staatsanwaltschaft eingegangen.

Das ist so nicht ganz korrekt, meint dazu die Kölner Behörde. Man habe das Schreiben zwar auf dem Tisch, aber Anzeige im üblichen Sinne sei eigentlich nicht erstattet worden: "Uns wurde das Schreiben von n-tv zugeschickt. Letztendlich kann man aber schon sagen, dass es bei uns eingegangen ist", erklärt eine Sprecherin gegenüber ComputerPartner. Derzeit prüfe der zuständige Beamte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den US-Konzern General Electric (GE) in Deutschland. "Wir sind uns noch nicht sicher, ob ein Anfangsverdacht besteht oder nicht." Bislang habe man jedenfalls noch keinen konkreten Hinweis gefunden. Das endgültige Ergebnis soll gegen Ende der Woche vorliegen.

Wenn man dem oder den Verfasser(n) des Schreibens glaubt, findet die Staatsanwaltschaft vermutlich nichts, weil sie selbst schon fest in GE-Hand ist. Vom Einfluss der Firma wird nämlich eindringlich gewarnt: "Von diesem Unternehmen geht eine menschlich unvorstellbare Macht aus", heißt es. "GE kann alles erreichen und lässt Menschen zu Figuren und Regierungen zu Tellerwäschern verhungern." Zumindest der Absender ist sich da ganz sicher: "Diese Affäre ist ein mehrfaches Watergate."

www.compunet.de

ComputerPartner-Meinung:

In Zusammenhang mit Compunet fallen einem immer wieder zwei Sätze ein: "Im Zweifel für den Angeklagten" und "wo Rauch, da Feuer". Gerade weil es immer wieder angeblich die eigenen Mitarbeiter sind, die schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen erheben, ist man allmählich geneigt, zumindest die Hälfte davon zu glauben. Allerdings fehlen auch diesmal konkrete Beweise: Die schweren Vorwürfe könnten also auch nur der Racheakt eines verärgerten Ex-Mitarbeiters sein. (mf)

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