Vorzeige-Systemhaus aus Nürtingen: "... und immer an den Kunden denken!"

04.10.2002
Das Systemhaus Bürotex aus dem schwäbischen Nürtingen zählt, was die Größe betrifft, nicht zu den Unternehmen in der ersten Reihe. In Bezug auf die Leistung und die Unternehmensentwicklung braucht es sich hinter den ganz Großen aber nicht zu verstecken.

Man muss sich den Anfang der Geschichte etwa so vorstellen: Zwei Männer, beide Mitte 20, schlendern durch die Straßen der Stadt und kommen an einem Milchladen vorbei, an dessen Schaufenster ein Zettel hängt: "Zu vermieten". Die jungen Männer, Angestellte bei einem Olivetti-Vertragshändler mit schlechtem Betriebsklima und ungewisser Zukunft, beschließen spontan, den Laden zu mieten und sich selbstständig zu machen. Sie rufen am Abend noch einen dritten Arbeitskollegen an, können auch ihn von der Idee begeistern. Das war im Jahr 1983, und das war der Anfang der Bürotex GmbH in Nürtingen bei Stuttgart.

Einer dieser drei jungen Männer war der damals 26-jährige Werner Führer, der auch heute noch als Geschäftsführender Gesellschafter mit seinen beiden Gründungskollegen Norbert Kampa und Ulrich Graß das Unternehmen leitet. Die Geschichte von Bürotex ist die Geschichte eines jener IT-Systemhäuser, wie sie zahlreich in den 1980er- und 1990er-Jahren geschrieben wurden. Die Geschichte von Bürotex aber ist noch nicht zu Ende - ein großer Unterschied zu anderen IT-Systemhäusern, die wirklich schon Geschichte sind, weil sie übernommen wurden oder nicht mehr lebensfähig waren.

Auch Bürotex-Gründer Führer ist ein typischer Vertreter dieser Unternehmergeneration im Systemhausbereich: ein Mann mit dem klaren Ziel, das Unternehmen nach vorne zu bringen, ein Mann, der es gewohnt ist, dicke Bretter zu bohren und seine Interessen beziehungsweise die seiner Firma durchzusetzen, der aber bei aller Härte, Konsequenz und Professionalität eine Art Vaterfigur für seine Angestellten ist. Und Führer ist auch insofern ein typischer Vertreter seiner Zunft, als er auf dem Teppich geblieben ist und sich nicht in den Vordergrund drängt. "Bodenständig" nennt man diese Menschen, was als Kompliment gemeint ist.

Natürlich ist Führer stolz auf das, was aus den Anfängen geworden ist, wenn er dies auch nicht so zeigen kann. Was aus Bürotex geworden ist, ist ein Systemhaus, das im vergangenen Jahr mit rund 200 Mitarbeitern einen Umsatz von 37,5 Millionen Euro erzielte. "Wir haben in den fast 20 Jahren jedes Jahr unseren Umsatz und die Zahl unserer Mitarbeiter steigern können. Und wir haben in jedem Jahr einen Gewinn erzielt", sagt Führer. "Dass wir irgendwann einmal ein Unternehmen dieser Größenordnung haben würden, war damals, als wir anfingen, absolut utopisch", fügt er hinzu. Und auch, dass diese Entwicklung "mit viel Knochenarbeit" verbunden war, wirft er ein.

Einer der Gründe für den stetigen Erfolg des schwäbischen Systemhauses steht auf jedem Firmenwagen: "Immer eine Spur sympathischer". Ist das ein Ziel, eine Tatsache oder einfach nur Marketing? "Wir wollen ganz einfach einen guten Job machen", bringt es Unternehmer Führer auf einen Nenner, den man im Tagesgeschäft umsetzen kann. Das hat bisher offenkundig gut funktioniert, dafür sprechen die langjährigen Kundenbeziehungen wie zum Maschinenbauer Gebr. Heller AG in der Nachbarschaft, der bereits seit 14 Jahren auf der Bürotex-Kundenlis-te steht und noch immer 90 Prozent seines IT-Bedarfs bei den Schwaben deckt. Oder zum Energieversorger EnBW in Stuttgart, heute der größte Kunde. Oder die Autobauer Porsche und Daimler-Chrysler. "Wir haben bis heute so gut wie keinen Kunden verloren", freut sich Führer.

Alle Verkäufer bei Bürotex sind im eigenen Unternehmen ausgebildet worden. Die Loyalität mit dem Unternehmen ist groß, was auch daran liegen mag, dass Führer Langzeitarbeitslosen eine Chance gibt und dass er im sozialen Bereich einiges für die Mitarbeiter tut. "Die Leute, die bei uns arbeiten, können hier auch alt werden", sagt er.

So etwas hört man selten. Alt werden im Unternehmen bedeutet für die Mitarbeiter aber freilich nicht, dass sie auf der faulen Haut liegen können. "Jedem muss klar sein, dass nicht wir, sondern die Kunden sein Gehalt zahlen", sagt Führer. Gerade hat er eine neue Telefonanlage für rund 120.000 Euro angeschafft, um die Kundenbetreuung zu optimieren. Professionell auch, dass nicht nur seine Vertriebsleute - deren variabler Gehaltsanteil bei 80 bis 90 Prozent liegt - vor dem Kontakt mit einem Neukunden über dessen Geschäft informiert werden, sondern auch die Techniker. Der Lohn für die Mühe: Der Bonus der Hersteller für die Zielerreichung wird an die Mitarbeiter ausgeschüttet.

Das Neukundengeschäft steht aber bei Bürotex nicht im Vordergrund. Anders als bei anderen, wo der Stammkunde als Letzter sein Bier bekommt, hat die Pflege bestehender Kunden Priorität. "Wir machen für unsere Kunden alles", sagt Führer. Das Ergebnis: Kunden, mit denen Bürotex vor zehn Jahren 50.000 Euro im Jahr umgesetzt hat, stehen nun für einen Umsatz von einer halben bis einer Million Euro.

Ein Glücksfall für Bürotex war für den Unternehmensgründer auch die langjährige Partnerschaft mit Compaq. "Das war damals eine gute Entscheidung, auf Compaq zu setzen", klopft sich Führer noch heute auf die Schulter. Momentan sieht er die Zusammenlegung mit HP durchaus mit Sorge. Er fühlt sich unzureichend informiert und stand auch schon bei einem Kunden im Wettbewerb zu HP, konnte beim Preis aber nicht mithalten.

In jüngster Zeit klopft Dell immer wieder bei dem schwäbischen Sys-temhaus an, um es für eine Zu-sammenarbeit zu gewinnen. Der Grund: Dell will unbedingt beim Bürotex-Kunden Porsche ein Bein in die Tür bekommen. Weil Porsche aber die Leistungen des langjährigen IT-Partners nicht missen will, haben die Autobauer im Gespräch mit Dell zur Bedingung gemacht, dass Bürotex mit im Boot sein muss. Eine Zusammenarbeit mit Dell lehnt Führer aber standhaft ab. "Wenn Porsche Dell will, ist das okay, aber nicht mit uns. Unsere Glaubwürdigkeit würde Schaden nehmen, wenn wir mit Dell zusammenarbeiten würden, nachdem wir jahrelang gegen Dell gekämpft haben. Im Übrigen sind wir der Ansicht, dass bei Porsche niemand einen besseren Job machen kann als wir", sagt Führer. Offenkundig ist man bei dem Autobauer der gleichen Ansicht, und so mussten die Dell-Verkäufer bisher immer zähneknirschend den Rückzug antreten.

Natürlich gab es in der Unternehmensgeschichte auch Rückschläge und Enttäuschungen. Auch setzte man zuweilen auf Trends, die sich dann nicht so entwickelten wie gehofft. Der Bereich Dokumenten-Management-Software (DMS) ist so ein Fall. "Vor vier Jahren, als wir in dieses Thema eingestiegen sind, habe ich gedacht, dass einmal 50 bis 70 Prozent unserer Mitarbeiter in diesem Bereich arbeiten würden. Es sind aber heute nur 15 Leute, die sich ausschließlich um die DMS-Thematik kümmern", sagt Führer.

Die Insolvenz des DMS-Partners Ceyoniq hat Bürotex zwar zurück-, aber nicht umgeworfen. Sie haben auf der Basis des Kernels eine eigene Lösung entwickelt, die sie auch als ASP-Dienstleistung anbieten. Durchaus mit Erfolg und einer Perspektive. So archiviert Bürotex beispielsweise für die Spedition Schenker jeden Tag 30.000 Lieferscheine. "Wir haben hier sehr viel investiert, aber jetzt allmählich kommen wir in den grünen Bereich", atmet Führer durch.

Die allgemeine Lage freilich stimmt ihn nicht besonders gut gelaunt. "Der Markt ist äußerst schwierig", stöhnt er. Und als ob die schwache Nachfrage nicht schon schlimm genug wäre, der knochenharte Konkurrenzkampf der Systemhäuser und Hersteller setzt die Unternehmen zusätzlich unter Druck. "Die Maler und Anstreicher sind, was Ausschreibungen betrifft, viel weiter als die IT-Branche. Bei den Malern liegen zwischen dem teuersten und dem billigsten Angebot vielleicht acht Prozent Unterschied. Davon kann die IT-Branche nur träumen", sagt er.

Das liegt aber zum großen Teil auch an einer unsäglichen Praxis auf Kundenseite, nämlich auf der einen Seite Pauschalpreise haben zu wollen, auf der anderen Seite aber die Information für eine solide Kalkulation zurückzuhalten. "Da können Sie gar nicht kalkulieren", regt sich Führer auf. "Das ist genauso, wie wenn Sie einen Maler auffordern, ein Angebot für den Innenanstrich eines Hauses zu machen, ihm aber nicht mitteilen, wie groß das Haus überhaupt ist", schüttelt er den Kopf.

Völliges Unverständnis hat er auch für die Haltung mancher Kunden, die Stundenhonorare der IT-Dienstleister immer weiter drücken zu wollen. So erzählt er von einem Unternehmen aus der Kfz-Branche, das einen Stundensatz für einen Automechaniker von 90 Euro berechnet, für einen IT-Techniker von Bürotex aber im Höchstfall 50 Euro zahlen will. "Als ob die Leistung eines IT-Fachmanns we-niger wert wäre. Finden Sie, dass das in Ordnung ist?", fragt Führer und erwartet nicht wirklich eine Antwort.

Trotzdem schlägt sich Bürotex auch in diesem Jahr wacker. Im ersten Halbjahr steigerten die Schwaben den Umsatz um knapp 17 Prozent, für das Gesamtjahr rechnet Führer mit einer Steigerung um 10 bis 15 Prozent. Er betont aber, auch auf Umsatz zu verzichten, wenn die Marge nicht stimmt. Für die Zukunft schließt Führer Übernahmen nicht aus, entweder dass sich Bürotex in einen größeren Verbund einbringt oder dass das Unternehmen ein anderes übernimmt. Im vergangenen Jahr stand Bürotex kurz vor der Übernahme der PC-Service GmbH in Stuttgart, im letzten Augenblick ist der Deal aber noch geplatzt. "Wir können aber auch alleine und eigenständig weiterbestehen", sagt Führer.

Er selbst jedenfalls hat auch nach fast 20 Jahren noch immer Lust und den nötigen Antrieb, sich reinzuhängen. "Es war nie meine Intention, möglichst viel Geld zu verdienen. Das Geld kommt von alleine, wenn man einen guten Job macht. Was mich reizt, ist die Unabhängigkeit, die Selbstständigkeit, die Möglichkeit, nach eigener Überzeugung gestalten zu können." Wie gesagt: Führer ist ein typischer Vertreter jener Unternehmergeneration in der IT-Szene, die die Branche in den vergangenen 20 Jahren geprägt hat.

www.bürotex.de

ComputerPartner-Meinung:

Bei Bürotex möchte man gerne arbeiten, und bei Bürotex möchte man gerne Kunde sein. Der Name klingt heute zwar ein wenig angestaubt, wie Unternehmenschef Führer einräumt, aber das Unternehmen selbst ist mit seinem Angebot up to date. Die Unternehmensführung hat Grundsätze, die sie nicht leicht über Bord wirft, wie die Weigerung zeigt, mit Dell zu-sammenzuarbeiten. Man muss sich nicht scheuen, Bürotex als Vorzeigeunternehmen im Systemhausbereich zu bezeichnen. (sic)

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