Wachsender Widerstand gegen Meisterzwang in der IT-Branche

17.10.2002
So wie die Handwerkskammern Druck auf die Politik ausüben, wächst auch der Widerstand gegen den Meisterbriefzwang in der IT-Branche. Für eine Aufhebung der Zwangsverordnung plädiert auch die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Initiative D21.

Bei den Grünen ist es quasi schon Programm, und auch in höchsten Regierungskreisen gibt es im Hinblick auf die Umsetzung der Hartz-Vorschläge bereits Überlegungen, den Meisterbriefzwang für bestimmte Berufszweige zu lockern beziehungsweise sogar ganz abzuschaffen. Bezogen auf die IT-Branche ist dies auch eine der Forderungen der von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Initiative D21.

Denn streng genommen darf ein IT-Händler ohne Meisterbrief nur "Kisten schieben" und kann für veredelnde Arbeiten oder Reparaturarbeiten von den Handwerkskammern sogar abgemahnt bis hin zur Schließung seines Geschäftsbetriebes gezwungen werden. Offiziell bleiben Bundeskanzler Gerhard Schröder und Noch-Wirtschaftsminister Werner Müller jedoch noch auf der Linie der Handwerkskammern, die an dem Meisterbriefzwang festhalten.

Ein Bericht über die Forderung der Initiative D21 in ComputerPartner-Online vom 2. Oktober wurde so zahlreich kommentiert wie sonst kaum. "Keine Arme, keine Kekse", schreibt Bernd Boeker vom Computer-Service Hagen als Befürworter des Meisterbriefes oder eines anderen Qualifikationsnachweises im Handel.

Handwerkskammern in Erklärungsnot

Hintergrund: Seit August 1999 gibt es den neuen Meisterberuf Informationselektroniker, der aus den von den Handwerkskammern ebenfalls anerkannten Berufsfeldern Radio-/Fernsehtechniker und Büroinformationselektroniker hervorgeht. Um sich zur Meisterprüfung anmelden zu können, muss man zunächst in einer der oben genannten Berufe eine Gesellenprüfung ablegen und dann in 560 Stunden, zweimal abends und einmal am Samstag Vormittag, eine Ausbildung in Praxis und Theorie absolvieren. Das dauert in der Regel zehn bis zwölf Monate und ist mitKosten zwischen 3.000 und 4.000 Euro verbunden. Nähere Auskünfte erteilen die Handwerkskammern vor Ort. Hinzu kommen natürlich noch die Kosten durch Arbeitsausfälle, die in die Zigtausende gehen können. Die Meisterprüfung Informationselektroniker haben bis Ende 2001 deutschlandweit noch nicht einmal 1.000 Männer und Frauen abgelegt. Wie Claudia Dietrich vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) versichert, sind Marktteilnehmer der "Anlage-A-Berufe", sprich Meister, vor allem in betriebswirtschaftlicher Hinsicht in der Regel wesentlich erfolgreicher als jene, die großen Qualifikationsnachweis nicht mitbringen. Auch täten sie sich mit der Jobsuche und der Übernahme von zum Verkauf angebotenen Geschäften leichter. Ob eine widerrechtliche Tätigkeit vorliegt, liege meist im Ermessensfall. Kleinere Reparaturen oder der Austausch einer Festplatte hier und da können einem Fachhändler ohne Meistertitel nicht zum Verhängnis werden, wohl aber, wenn er es nachweislich zur Haupttätigkeit werden lässt. Doch gerade die vielen Grautöne, die dazwischen liegen, können schnell in einen Hexenprozess zwischen konkurrierenden Händlern führen, geben Kritiker des Meisterzwangs zu bedenken.

Der auf Java-Hardwareanbindung spezialisierte Daniel Schwinn von Düsi Computersoftware ist nicht grundsätzlich gegen den Meisterbrief, wohl aber gegen den Zwang. Außerdem fordert er eine klarere Abgrenzung vonseiten der Handwerkskammern. "Von einem Obst- und Gemüsehändler, der hin und wieder mal ein faules Blatt wegschneidet, kann man ja auch nicht verlangen, dass er einen Gärtnermeisterbrief vorlegt. Und Softwareentwicklung - zum Beispiel - ist für mich nun mal kein Handwerksberuf." Für die Erhebung von Mitgliedsgebühren bei den Handwerkskammern zeigt Schwinn allerdings Verständnis. Denn schließlich finanzieren diese nicht nur Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, sondern sind auch beratend tätig und vergeben oder vermitteln Sozialleistungen.

"Dequalifizierung des Handwerks"

Gegen den Meisterzwang kämpft seit Jahren schon Horst Mirbach, Wirtschaftsjurist und Vorsitzender der Aktion Gewerbefreiheit, Seite an Seite mit Akcent-Vorstand Frank Garrelts. "Wenn uns die Automobilindustrie vorschreiben würde, nur 7er BMWs oder Mercedes-Topserien zu fahren, dann könnte sich die Masse der Leute bald gar keine Autos mehr leisten", so Mirbach. Abgesehen davon führe die Modularität der Bauweise in der Industrie tendenziell zu einer "Dequalifizierung" des Handwerks. Meister seien in erster Linie Unternehmer, in der Praxis sei die meisterliche Ausbildung aber kaum gefordert. "Der Meisterbriefzwang hat Abschottungsfunktion und behindert den Wettbewerb. Nicht umsonst sind deutsche Dienstleistungen im Schnitt um zehn Prozent teurer als die in den europäischen Nachbarländern", erklärt der auf Handwerksrecht spezialisierte Jurist aus Bad Honnef. In der IT-Branche trete das Problem möglicher Auseinandersetzungen wegen der Parallelität der Handwerks- und IHK-Berufe besonders stark hervor. "Theoretisch kann man hier jede Tätigkeit untersagen."

Mit juristischem Beistand, wie Mirbach und einige seiner Kollegen ihn bieten, habe man aber gute Chancen, dass die Handwerkskammern von Zwangsmaßnahmen absehen. Formal hätten Radio- und Fernsehtechniker zwar die Qualifikation, aber in der Praxis sehe es in dem schnelllebigen Metier meist ganz anders aus.

In dasselbe Horn bläst auch ein Fachhändler aus Leipzig: "Seit wann garantiert ein irgendwo eingestellter Meister denn eine ordentliche Qualität? Der ganze Fachhandel lebt doch nur deswegen, weil gerade die ,meisterbepflasterten’ Großen eben doch an Sach- und Fachkenntnis zu wünschen übrig lassen."

80 Prozent Quereinsteiger

Für Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchendachverbandes Bitkom, ist der Meisterzwang "so überflüssig wie ein Kropf" und ein "Überbleibsel aus dem mittel-alterlichen Zunftwesen". Er sieht darin auch "Schutzmaßnahmen, um zu verhindern, dass Bessere in den Markt eingreifen". Außerdem sei der vor fünf Jahren erworbene Meisterbrief überhaupt kein Beleg für die Qualifikation im Umgang mit neuen Technologien. Reihenweise habe es im Channel schon Abmahnungen gegeben, dabei sind seiner Schätzung nach 80 Prozent der IT-Fachhändler Quereinsteiger. "Letztendlich bezahlen die Kunden den Meisterbrief mit", argumentiert Rohleder. Dabei stellt sich Bitkom nicht gänzlich gegen eine Qualifikation in der IT-Branche. Schließlich hat er maßgeblich zur Schaffung der vier neuen Ausbildungsberufe Fachinformatiker, Systemelektroniker, Informatikkaufmann und IT-Systemkaufmann beigetragen und sich auch für die Zusammenlegung der 300 bestehenden Zertifikate eingesetzt.

Auch die Initiative D21 wendet sich nicht grundsätzlich gegen qualifizierende Maßnahmen, fordert aber statt des Meisterzwangs ständige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.

www.bitkom.org

www.initiatived21.de

www.zdh.de

www.hwk-xxxx.de

www.gewerbefreiheit.de

www.akcent.de

Computerpartner-Meinung:

Der Meisterzwang hat im IT-Handel nichts zu suchen, zumal der Titel Meister ein Handwerk voraussetzt. Und mit Handwerk haben die meisten Tätigkeiten im Computerumfeld herzlich wenig zu tun. Denn wer würde sich schon daranwagen, mit dem Lötkolben bewaffnet den Chip auf einer Platine auszuwechseln? (kh)

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