Wachstumspotential des WLAN-Marktes bleibt vorerst Spezialisten vorbehalten

26.09.1997
MÜNCHEN: Nach langwierigen Verhandlungen ist endlich ein verbindlicher Standard für WLAN-Produkte (Wireless LAN) unter Dach und Fach. Die Rahmenbedingungen, um als Händler in diesem Marktsegment aktiv zu werden, sind somit gesteckt. Dennoch warnt Mike Lange, Product Manager Internetworking beim Dietzenbacher Netzwerker Controlware, Neueinsteiger davor, das notwendige Know-how zu unterschätzen. Das Gespräch führte CP-Mitarbeiter Siegfried Dannehl.

MÜNCHEN: Nach langwierigen Verhandlungen ist endlich ein verbindlicher Standard für WLAN-Produkte (Wireless LAN) unter Dach und Fach. Die Rahmenbedingungen, um als Händler in diesem Marktsegment aktiv zu werden, sind somit gesteckt. Dennoch warnt Mike Lange, Product Manager Internetworking beim Dietzenbacher Netzwerker Controlware, Neueinsteiger davor, das notwendige Know-how zu unterschätzen. Das Gespräch führte CP-Mitarbeiter Siegfried Dannehl.

?Ständig werden neue Einsatzmöglichkeiten mobiler Computer propagiert. Welchen Einfluß hat diese Entwicklung auf den Markt drahtloser Kommunikationsprodukte?

LANGE: Das Marktsegment für Wireless LAN-Produkte im 2,4 GHz Frequenzbereich gilt als eines der wachstumsstärksten. Die Steigerungsraten für Deutschland sind, nicht zuletzt aufgrund der kürzlich erfolgten Allgemeinzulassung der Geräte und des verabschiedeten Standards IEEE 802.11, als überaus positiv einzuschätzen. Die jährlichen Steigerungsraten liegen zwischen 200 bis 300 Prozent. In 1997 ist weltweit ein Umsatz von etwa 650 Millionen Dollar zu erwarten. Für Händler, die jetzt Ihren Einstieg planen, ist es weiterhin positiv, daß der Markt erst am Anfang steht und demzufolge auch die Mitbewerbssituation als günstig einzustufen ist.

?In welchen Marktsegmenten sehen Sie Wachstumspotentiale für WLAN-Produkte?

LANGE: Die größten Wachstumspotentiale in Deutschland sind in den Bereichen Logistik, in Warenhäusern mit POS-Terminals (Point-of-Sale), Supermärkten, Krankenhäusern, bei temporären Netzwerken in Schulungszentren, Auditierungsfirmen, Ausstellungen, sowie generell bei der Anbindung von entfernten Firmenstandorten zu erwarten.

?Welche Bedeutung hat dabei die Tatsache, daß sich führende Hersteller von WLAN-Produkten auf den IEEE 802.11 Standard geeinigt haben?

LANGE: Damit ist es erstmals sichergestellt, daß Produkte verschiedener Hersteller interoperabel sind. Für die Endanwender wird sich dies langfristig in günstigeren Preisen für die Produkte niederschlagen.

Auf der anderen Seite wird sich die Verabschiedung des Standards auch für die Hersteller beziehungsweise Händler positiv auswirken, da für den Endanwender die Hemmschwelle, um in diese Produkte zu investieren, gesunken ist. Erste Produkte nach IEEE 802.11 sind für Ende diesen Jahres zu erwarten.

Der Anwender sollte sich aber auf die Standardkonformität nach IEEE 802.11 nicht gänzlich verlassen. Es gibt noch kleinere Schlupflöcher. Der Kunde sollte vorsichtshalber entweder auf Interoperabilitätstests schauen beziehungsweise unter Umständen auf eine Testinstallation beharren. Im Standard IEEE 802.11 hat man sich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Das heißt, die Produkte der einzelnen Hersteller bieten zusätzliche, über den Standard hinausgehende, Features. Für den Endanwender kann es demzufolge weiterhin sinnvoll sein, nur auf eine Lösung eines einzelnen Herstellers zu setzen und dadurch in den Genuß von dessen zusätzlichen Leistungsmerkmalen zu kommen.

?Wie leistungsfähig sind WLAN-Lösungen im Vergleich zu verkabelten LANs?

LANGE: Die derzeit höchstmögliche Übertragungsrate im 2,4-GHz-Frequenzbereich für WLANs beträgt 3 Mbit/s. Herkömmliche Ethernet-Verkabelungen realisieren Übertragungsraten von mindestens

10 Mbit/s. Wenn Anwender höhere Übertragungsraten benötigen, so sind hier eindeutig die bisherigen Technologien im Vorteil. Die Ausrichtung eines Wireless LANs zielt aber auch nicht darauf ab, die bisher bestehende Verkabelung zu ersetzen. Vielmehr lassen sich durch Wireless LANs gänzlich neue Bereiche erschließen und die Mobilität und Flexibilität gegenüber festen Verkabelungsstrukturen erhöhen. Jedoch besteht auch bei WLANs unter Umständen die Möglichkeit, in die Leistungsregionen von Standard-Ethernet zu kommen. Zum einen ist zu berücksichtigen, daß es sich bei Ethernet zumeist noch um Shared-Ethernet-Implementierungen handelt, bei der sich die Nutzer die verfügbare Bruttobandbreite von 10 Mbit/s teilen müssen, und zum anderen bestehen bei WLANs zwei Möglichkeiten die verfügbare Bandbreite zu erhöhen.

Zum einen kann durch die Anbindung von nur ein bis zwei Nutzer an einen Access-Point die maximal mögliche Übertragungsrate diesen Nutzern dediziert zur Verfügung gestellt werden, und zum anderen können in Umgebungen mit mehreren Nutzern auch mehrere sich überlappende Funkzellen implementiert werden, bei denen durch geeignete Load-Sharing-Mechanismen eine optimale Auslastung erreicht wird. Dennoch ist bei vergleichbaren Implementierungen das Standard-Ethernet zumeist mit einem Preisvorteil versehen.

?Welche Probleme können bei der Nutzung von WLANs auftreten?

LANGE: Aufgrund der kürzlich erfolgten Allgemeinzulassung von WLANs im 2,4-Ghz-Frequenzbereich ist es ohne Beantragung einer Lizenz möglich, sofort ein WLAN zu installieren und zu betreiben. Eine Einschränkung ist derzeit, daß keine Allgemeinzulassung für Sprachübertragung besteht. Bei Installationen ist weiterhin in Betracht zu ziehen, daß bereits vorhandene Funkanlagen in der Umgebung nicht gestört werden dürfen beziehungsweise daß durch diese keine Störung der eigenen Anlage zu erwarten ist. Starke Störungen können zum Beispiel von einer Mikrowelle ausgehen, welche im gleichen Frequenzbereich arbeitet. Hierzu sind unter Umständen Test-installationen zu empfehlen.

?Sind WLAN-Produkte uneingeschränkt international einsetzbar?

LANGE: Aufgrund unterschiedlicher internationaler Regulierungsbestimmungen und Zulassungsvorschriften gibt es unterschiedliche Hardware-Versionen der WLAN-Produkte. So ist es beispielsweise in den USA oder China erlaubt, mit einer Leistung von 4 Watt zu senden, wobei in Europa lediglich 100 Milliwatt genehmigt sind. Aber auch in den einzelnen europäischen Ländern sind aufgrund der unterschiedlichen Zulassungsvorschriften unterschiedliche Modelle anzutreffen. So kann ein in Deutschland genehmigtes Produkt nicht in Frankreich verwendet werden und umgekehrt. Dies hängt mit den freigegebenen Hopping-Frequenzen im 2,4-Ghz-Frequenzband zusammen.

?Wie sicher ist die drahtlose Datenübertragung gegen den unberechtigten Zugriff Dritter geschützt?

LANGE: Selbst für sehr kritische Sicherheitsbestimmungen sind WLAN-Produkte heute geeignet und wie die Praxis zeigt auch bereits im Einsatz. Bei den meisten Produkten treffen wir ein dreistufiges Sicherheitskonzept an. Zum ersten wird das aus der Militärtechnik stammende Frequency-Hopping-Verfahren verwendet. Dies heißt, daß die benutzte Frequenz mehrmals pro Sekunde gewechselt wird und durch dieses ständige "Hin-und-Her-Springen" ist es äußerst schwierig, sich auf die jeweils benutzte Frequenz zu synchronisieren. Dies ist auch einer der Vorteile von Frequency-Hopping-Produkten gegenüber Direct-Sequence-Implementierungen. Jedoch darf an dieser Stelle nicht verheimlicht werden, daß es mit hohem technischen Aufwand möglich ist, sich auf die Frequenzen zu synchronisieren. Diese Technologie ist heute aber zumeist noch dem Militär und Geheimdiensten vorbehalten.

Die zweite Stufe im Sicherheitskonzept ist die Verschlüsselung der gesendeten Daten. Hier finden wir unterschiedliche Realisierungen der einzelnen Hersteller, die untereinander zumeist inkompatibel sind.

Der dritte Schritt ist der Zugangsschutz durch Paßwortkontrolle. Bevor ein Nutzer Zugang zu einem Access-Point erhält, hat er sich durch Angabe seines Paßwortes zu identifizieren. Auch hier gibt es unterschiedliche Implementierungsvarianten der verschiedenen Hersteller.

Wie bei nahezu jedem heute verwendeten Sicherheitsverfahren kann festgestellt werden, daß es für jede Vorsichtsmaßnahme immer Versuche gibt, diese zu umgehen. Bei geeigneter Verwendung des beschriebenen dreistufigen Sicherheitskonzeptes ist es heute jedoch nur mit extrem hohem Aufwand möglich, dieses Konzept außer Kraft zu setzen. Schaut man sich die begangenen Schutzverletzungen an, so ist die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes an dieser Stelle äußerst gering. Am häufigsten sind interne Einbrüche zu verzeichnen, das heißt, die eigenen Mitarbeiter begehen Schutzverletzungen beziehungsweise ermöglichen diese. Tür und Tor stehen zumeist auch bei den Anschlüssen an das Internet und den herkömmlichen Telefonleitungen offen.

?Was sollten interessierte Wiederverkäufer beachten, die in dieses Marktsegment einsteigen wollen?

LANGE: Für den Eintritt in den Wireless-LAN-Markt könnten die Voraussetzungen nicht besser sein. Der gesamte Bereich erfährt ein starkes Wachstum und mit der erfolgten Allgemeinzulassung und dem verabschiedeten Standard IEEE 802.11 finden wir eine positive Gesamtumgebung vor. Neben aller Euphorie darf jedoch nicht übersehen werden, daß dieser Bereich das Know-how auf verschiedensten Gebieten erfordert.

Zu nennen wäre hier das Know-How von Wireless-LAN-Konzepten und Netzwerkdesign, welches nicht mit dem bisherigen Wissen von Standard-Ethernet zu vergleichen ist. Das Netzwerkdesign und die Installation erfordern ebenso spezielles Wissen in der Funk- und Nachrichten-technik. Dazu kommt Know-how und Erfahrung bei der Installation von Antennen, beispielsweise auf Hochhäusern und die genaue Ausrichtung der Antennen auch über kilometerweite Entfernungen hinweg.

Sollte ein WLAN durch einen Defekt ausfallen, so ist zumeist schnelle Störungsbeseitigung gefragt. Zu empfehlen wäre also an dieser Stelle, sich einen geeigneten und starken Partner zu suchen, der in der Lage ist, auf allen Gebieten Komplettlösungen anzubieten. Die Mitbewerbssituation in diesem Marktsegment ist günstig. Von großer Bedeutung für den Erfolg ist es jedoch, sich für den richtigen Partner zu entscheiden, um keinen Schiffbruch zu erleiden.

Wer bei drahtloser Kommunikation nur an die Einbindung von Notebooks an ein bestehendes Netzwerk denkt, übersieht, daß mit Hilfe entsprechender Empfänger und Sender, die an den Servern angeschlossen werden, beispielsweise auch einzelne Netzwerke auf einem Firmengelände miteinander gekoppelt werden können.

Controlware-Manager Lange: "Die Mitbewerbersituation für Wiederverkäufer ist in diesem Markt sehr günstig"

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