"Ordentlich und gewissenhaft"

Wann ist eine Bilanz steuerlich fehlerhaft?

15.04.2013
Geänderte Rechtssprechung: Der Bundesfinanzhof hat den subjektiven Fehlerbegriff hinsichtlich bilanzieller Rechtsfragen aufgegeben.
Für die Beurteilung einer Bilanz ist die Sichtweise eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns einzunehmen.
Für die Beurteilung einer Bilanz ist die Sichtweise eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns einzunehmen.
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Für die Beurteilung, ob eine beim Finanzamt (FA) eingereichte Bilanz "fehlerhaft" in dem Sinne ist, dass sich das FA von den Bilanzansätzen des Steuerpflichtigen lösen kann, galt nach der bisherigen Rechtsprechung auch hinsichtlich der Beurteilung von Rechtsfragen ein subjektiver Maßstab. War die einer Bilanz oder einem Bilanzansatz zugrunde liegende rechtliche Beurteilung im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbar, war das FA daran bei der Steuerfestsetzung auch dann gebunden, wenn diese Beurteilung objektiv fehlerhaft war.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat nun auf Vorlage des I. Senats des BFH vom 7. April 2010 - I R 77/08 (BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739) entschieden, dass das FA abweichend von der bisherigen Rechtsprechung im Rahmen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden ist, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war. Das gilt auch für eine in diesem Zeitpunkt von Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte, später aber geänderte Rechtsauffassung. Im Ausgangsverfahren ist streitig, wie die verbilligte Handy-Abgabe bilanzsteuerrechtlich zu beurteilen ist.

Diese Rechtsprechung, so der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.03.2013 zu seinem Beschluss vom 31.01.13 - GrS 1/10 -, hat der Große Senat des BFH nunmehr aufgegeben. Eine Bindung des Finanzamts an eine objektiv unzutreffende, aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbare rechtliche Beurteilung, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Handels oder Steuerbilanz oder deren einzelnen Ansätzen zugrunde liegt, lasse sich weder aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG noch aus § 4 Abs. 2 EStG ableiten. Die Finanzverwaltung und die Gerichte seien insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, ihrer Entscheidung die objektiv richtige Rechtslage zugrunde zu legen. Dies gelte unabhängig davon, ob sich die unzutreffende Rechtsansicht des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten ausgewirkt habe. Eine Übergangsregelung sei nicht zu treffen.

Passau empfiehlt, dies zu beachten und ggfs. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf den DUV Deutschen Unternehmenssteuer Verband (www.duv-verband.de) verweist. (oe)
Weitere Informationen und Kontakt:
Jörg Passau, Steuerberater und Vizepräsident sowie geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV, c/o Passau, Niemeyer & Collegen, Walkerdamm 1, 24103 Kiel, Tel.: 0431 9743010, E-Mail: info@duv-verband.de, Internet: www.duv-verband.de

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