WAP: Kommunikationskünstler scheitern an der Realität

04.06.2000
Das Thema WAP beherrschte die diesjährige CeBit, eine regelrechte Euphorie hat den Markt ergriffen. Dazu besteht kein Anlass: Das Produktmarketing verspricht mehr, als die Realität halten kann.

Um es mal auf den Punkt zu bringen: Telefonieren wird man mit den Handys der dritten Generation auch noch können. Ansonsten sind die neuen Geräte eher Kommunikationskünstler: E-Mails, Ton, Grafik, Fotos und Videos abrufen und verschicken, Veranstaltungstipps geben, Hotelreservierungen vornehmen oder mal eben eine Website abrufen - alles kein Problem. Zumindest, wenn man den Herstellern Glauben schenkt, die ihre WAP-Handys an den Mann beziehungsweise die Frau bringen wollen. WAP (Wireless Application Protocol) hatte nicht nur die CeBIT voll im Griff, eine regelrechte Euphorie scheint den Markt ergriffen zu haben. Dazu besteht aber wahrlich kein Anlass, denn den realistischen Möglichkeiten sind nach wie vor deutliche Grenzen gesetzt.

Die Displays sind zu klein

Während die Hersteller echten Internetsurf-Spaß via Handy versprechen, können über die entsprechenden Mobiltelefone tatsächlich nur simple Texte und Grafiken abgerufen werden. Noch immer scheitert man an dem Versuch, komplizierte Texte, Menüs und Grafiken auf die Darstellungsmöglichkeiten der winzigen Displays heutiger Endgeräte zurechtzustutzen. Zumindest die Hersteller haben schnell reagiert: Auch wenn man ansonsten Wert auf handliches Format legt, die Displays der neuen WAP-Handy-Generation werden wieder größer.

Die Datenübertragungsrate reicht nicht aus

Doch selbst wenn der Platz ausreichte: Üppige Illustrationen oder gar Fotos würden die Ladezeiten enorm in die Höhe treiben. Die Datenübertragungsrate im GSM-Funknetz beträgt gerade mal 9.600 Bit pro Sekunde. Doch hier ist Abhilfe in Sicht: Der neue Mobilfunkstandard UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) könnte die heutige Funktechnik ab 2002 - bis dahin soll der Testbetrieb abgeschlossen sein - allmählich ablösen. Dann würde aus dem heutigen Datenrinnsal ein wahrer Datenstrom: sekündlich zwei Megabit und damit die zweihundertfache Menge gegenüber GMS soll der Standard übertragen können.

Als erster Schritt ist angedacht, den WAP-Service künftig mit dem Übertragungsverfahren GPRS (General Packet Radio Service) zu verknüpfen. Mit dieser Technik könnten bis zu 160 Kilobit pro Sekunde übertragen werden, was in etwa der Geschwindigkeit eines ISDN-Anschlusses entspricht. Die Daten werden dabei außerdem als "Pakete" übermittelt und belasten die Mobilfunknetze somit weniger. T-Mobil will sein D1-Netz von Alcatel mit der GPRS-Technik aufrüsten lassen. Bis dahin bleiben WAP-Dienste nur für auf Zahlen basierende Infos wie Flug- oder Fahrpläne, Aktienkurse oder Kurznachrichten interessant. Das kann man allerdings per SMS auch einfacher haben.

Angebotspalette noch immer beschränkt

Prognostizierten Kritiker den WAP-Handys noch im vergangenen Jahr eine düstere Zukunft, weil es an entsprechenden Diensten mangelte, kann heute keine Rede mehr davon sein. So ist beispielsweise T-Mobil inzwischen zahlreiche Kooperationen eingegangen, beispielsweise mit Focus Online, ADAC und der Heute-Redaktion, um dem WAP-User vom Verkehrs- und Nachrichtendienst über Kino-News bis hin zum Hotel-Reservations-Service alles bieten zu können. Offenbar werden die Angebote gern genutzt: So rechnet man allein bei Mannesmann Mobilfunk bis Ende dieses Jahres mit einer Million WAP-Kunden. Bei D2 sind die Abfrage von Aktienkursen in Echtzeit und das Ordern von Wertpapieren dank der Zusammenarbeit mit dem Discount-Broker Consors angeblich kein Problem mehr, Ya-hoo und die Tagesschau sitzen auch schon mit im Boot. E-Plus bietet neben Nachrichten auch TV-Tipps, Horoskope und das Neueste aus der Formel 1. Viag Interkom verkündete noch Anfang vergangenen Jahres, man wolle erst loslegen. wenn "genügend WAP-Handys auf dem Markt sind". Das ist inzwischen offenbar der Fall: Seit Ende 1999 werden WAP-Infos angeboten, seit März 2000 kommen auch die Genion-Kunden in den Genuss, und zwar für zehn Pfennig pro Minute. Ansonsten ist das Surf-Vergnügen per Handy kein billiges: Grundsätzlich muss man mit 39 Pfennig pro Minute rechnen. Meist wird aber nur die reine Netznutzung in Rechnung gestellt, die WAP-Dienste selbst sind kostenlos.

Es hat sich auch einiges beim so genannten M-Commerce getan: WAP-Handy-Nutzer können Waren und Dienstleistungen künftig nicht nur per Knopfdruck bestellen, sondern auch bezahlen. Eine entsprechende Technik will die Leipziger Virbus AG entwickelt haben. Dabei werden die Konto- oder Kreditkartennummer nach Angaben des Herstellers nicht mehr dem jeweiligen Zahlungsempfänger übermittelt, sondern nur einmal der autorisierten Bank. Für alle weiteren Zahlungsvorgänge muss dann nur noch ein Passwort in das WAP-Handy eingegeben werden. Die Universität Eichstätt will ihren Studenten Prüfungsergebnisse und Klausurtermine via WAP-Dienst bereitstellen und auch Literatur-Recherchen ermöglichen.

Dennoch ist das Angebot weiterhin beschränkt: Zwar ist das Erstellen von WAP-Inhalten nach Meinung von Experten in der entsprechenden Auszeichnungssprache Wireless Markup Language (WML) nicht schwieriger als das Design von Web-Seiten, das mit der Hypertext Markup Language (HTML) gefertigt wird, dennoch ist es ein Mehraufwand, vor dem viele potentielle Anbieter zurückschrecken. Viele speichern ihre Inhalte deshalb in einem dienstunabhängigen Format wie beispielsweise der Extensible Markup Language (XML). Das hat den Vorteil, das HTML- und WML-Daten nicht mehr unabhängig voneinander erstellt und verwaltet werden müssen. Auch das World Wide Web Consortium (W3C) beschäftigt sich mit dem Thema: Die neue Auszeichnungssprache XHTML 1.0 speichert die erzeugten Inhalte ebenfalls in einer universellen Form, die eine Anpassung an die verschiedenen Endgeräte erleichtert und zudem bestehende HTML-Inhalte in dieses Format überführen kann.

WAP und der Datenschutz

Nach wie vor bringen WAP-Dienste allerdings auch datenschutzrechtliche Probleme mit sich: Services wie der Local Based Service erkennen, in welcher Region sich der Nutzer aufhält, und übermitteln die dortigen WAP-Informationen wie Restaurant-Tipps, Verkehrsinfos oder Kinoprogramme. Damit ist allerdings auch der Aufenthaltsort des Handynutzers immer bestimmbar. Auch ist es möglich, anhand der genutzten Dienste Nutzerprofile zu erstellen und diese zu Marketingzwecken zu verwerten. In Deutschland ist das zwar nicht erlaubt, aber eben trotzdem machbar. (mf)

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