IT-Systemhausverkauf und Nachfolge

Warum Beteiligungsgesellschaften IT-Systemhäuser attraktiv finden

Oliver Wegner schreibt über gesundes Wachstum in IT-Unternehmen. Dabei werden vor allem die Perspektiven Mergers & Acquisition, IT-Lösungsvertrieb, Führungswandel und Vertriebssteuerung beleuchtet. Wegner verhilft seit knapp 25 Jahren Herstellern sowie IT-System- und Beratungshäusern gezielt den Unternehmenswert sowie Roherträge zu steigern. Er ist CEO der evolutionplan AG, Buchautor, Keynote-Sprecher und bringt sich in diversen Verbänden ein.
In der DACH-Region gibt es aktuell rund ein Dutzend Buy-and-Build-Strategien mit Fokus auf IT-Systemhäuser. Dabei treten Beteiligungsgesellschaften häufig in Konkurrenz, um die besten Unternehmen. Erfahren Sie, welche Strategien Finanzinvestoren mit dem Kauf von IT-Dienstleistern verfolgen und wie ein Gruppenaufbau funktioniert
Ob ein IT-Systemhaus zu einer Buy-and-Build-Strategie passt, gilt es individuell zu prüfen und auf die persönlichen Ziele der Verkäufer abzustimmen.
Ob ein IT-Systemhaus zu einer Buy-and-Build-Strategie passt, gilt es individuell zu prüfen und auf die persönlichen Ziele der Verkäufer abzustimmen.
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Am Markt ist zu beobachten, dass seit über zwei Jahren die Intensität von Finanzinvestoren beim Kauf von IT-Systemhäusern zunimmt. Das hat vor allem damit zu tun, dass sich in den letzten fünf bis zehn Jahren IT-Systemhäuser in ihrem Geschäftsmodell gewandelt haben. Jetzt, wo die erfolgreichen Dienstleister konsequent Managed- und Cloud-Services anbieten, wird vor allem über die wiederkehrenden Einnahmen ein planbares und ein verlässliches Geschäft betrieben.

IT-Systemhauschefs, die seit über 20 Jahren in der Branche sind, werden jetzt innerlich sagen, dass sie das die vielen Jahre zuvor, basierend auf sehr langen und loyalen Kundenbeziehungen, auch schon hatten, auch wenn ihre Kunden nicht in Dauerschuldverhältnissen gebunden waren. Finanzinvestoren sehen das aber zumeist anders. Das Hauptaugenmerk wird also auf bestehende Verträge gelegt. Zudem ist festzustellen, dass sich einige Investoren auch bereits sehr tief mit dem Geschäftsmodell eines IT-Systemhauses befasst haben und dabei die Unterschiede zwischen Kontingentverträgen, Managed und Cloud Services, Microsoft365 und den Lizenzierungsvarianten kennen und diskutieren wollen.

Inhaber, die vor der Nachfolge stehen, reagieren aber häufig reflexartig auf Beteiligungsgesellschaften, mit dem Ergebnis, dass sie sich einen Verkauf an diese zunächst gar nicht vorstellen können.

Wenn zwei miteinander sprechen und sich nicht verstehen

Damit eine Transaktion (eine Beteiligung oder ein Verkauf) erfolgreich funktionieren kann, ist es wichtig, dass die Parteien sich verstehen. Neben der persönlichen Chemie ist es entscheidend, die jeweiligen Geschäftsstrategien und -modelle miteinander abzugleichen. Namhafte, häufig internationale Finanzinvestoren, leben dabei in ihrem Kosmos, während es der IT-Unternehmer auch tut. Das führt in der Praxis dazu, der eine eloquent in jedem dritten Satz seine gewohnten Anglizismen wie Buy-and-Build, Adjustments, Equity Bridge, NBO, etc. verwendet und der andere über MS Azure, Tennants, Hybrid Cloud, SOC spricht. Damit sind Missverständnisse perfekt vorprogrammiert.

Aus diesem Grunde ist es hilfreich und in vielen Fällen auch notwendig, als Verkäufer einen professionellen Transaktionsberater einzubinden, dem es gelingt, zügig ein gegenseitiges Verständnis herzustellen und auch Türen zu vielen Beteiligungsgesellschaften zu öffnen, damit Handlungsoptionen entstehen.

Was ist eine Buy-and-Build-Strategie?

Eine Buy-and-Build-Strategie ist darauf ausgerichtet, eine neue Unternehmensgruppe aufzubauen. Um den Aufbau zu finanzieren, akquiriert eine Beteiligungsgesellschaft in der Regel im Rahmen eines Fonds mit einer terminierten Laufzeit zunächst Kapital für das Vorhaben über private Investoren und institutionelle Anleger. Darüber hinaus kommen Banken ins Spiel, die weitere Finanzierungen bereitstellen. Das eingesammelte Kapitel wird dann dafür verwendet, innerhalb einer typischen Fondslaufzeit von fünf bis sieben Jahren im IT-Systemhausmarkt acht bis zwölf Unternehmen für einen Gruppenaufbau zu erwerben.

Der Startpunkt wird häufig mit einem sogenannten Nukleus oder eines sogenannten Plattformunternehmens gemacht, in dem ein IT-Dienstleister mit über 100 Mitarbeitern erworben wird. Alle weiteren Zukäufe werden dann als sogenannte „add-ons“ bezeichnet, die eng abgestimmt auf die Zielsetzungen und Strategie des Finanzinvestors erfolgen. Bei dem Wissen von rund ein Dutzend Buy-and-Build-Strategien für IT-Systemhäuser in der Region DACH lässt sich einfach ermitteln, dass in den nächsten rund fünf Jahren weitere 80 bis 90 IT-Dienstleister sich bei diesen neuen Gruppen anschließen werden.

Jede Beteiligungsgesellschaft verfolgt pro Gruppe (Plattform) dabei eine klar definierte Strategie, die sich durch Regionalität, durch die Kundenzielgruppen, das Produkt- und Serviceportfolio, die Herstellerpartnerschaften sowie dem Vertriebsansatz etc. zum Teil stark unterscheidet. Die Strategie eines Gruppenaufbaus ist immer, vorhandene Kräfte zu bündeln, um gemeinsam noch schlagkräftiger im Markt zu agieren.

Einstiegsvoraussetzungen für einen Gruppenbeitritt und Exit

Die meisten Finanzinvestoren sind daran interessiert, dass zumindest ein „Altgesellschafter“ an der neuen Gruppe beteiligt wird. In der Regel erwirbt eine Beteiligungsgesellschaft 100 Prozent der Anteile an einem IT-Unternehmen und bietet dann auf Gruppenebene eine Rückbeteiligung an. Die Prognosen zur Wertentwicklung klingen für Inhaber von IT-Systemhäusern auf den ersten Blick zumeist „unseriös“, da es nicht vorstellbar ist, diese hohen Renditen zu erzielen. Dass das grundsätzlich möglich ist, zeigen bei lang etablierten Beteiligungsunternehmen allerdings die Erfolge vergangener Fonds.

Wie gelingt es also, das eingesetzte Kapital in wenigen Jahren zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen? Dazu gibt es zwei entscheidende Hebel. Zum einen wird auf Gruppenebene probiert, zügig Synergien in allen „nicht-produktiven“ Bereichen, also Bereichen, die nicht an der Kundenschnittstelle andocken, zu erzielen. Zum anderen unterliegt eine Unternehmensgruppe aufgrund der Größe und Schlagkraft (wenn die Protagonisten untereinander gut funktionieren) per se einer höheren Bewertung aus Sicht eines zukünftigen (neuen) Investors.

Neben diesen zwei Aspekten forcieren IT-Systemhausgruppen natürlich auch ein gemeinsames und gezieltes organisches Wachstum in Bezug auf weitere Fachkräfte, Neukunden und den strukturierten Ausbau von bestehenden Kundenbeziehungen. Kurzum: Für einen IT-Unternehmer kann es deshalb hoch attraktiv sein, einen Teil seines Geldes hinter die „Brandmauer“ zu bringen und mit einem anderen Teil in einer Unternehmensgruppe beteiligt zu sein, dessen Geschäftsmodell er sehr gut versteht und durch seinen eigenen Beitrag mitgestalten kann.

Von einem Exit wird gesprochen, wenn der Fonds nach seiner Laufzeit weiterverkauft wird. Das bedeutet keinesfalls, dass die Reise hier zu Ende sein muss, sondern lediglich, dass es einen Eigentümerwechsel auf Gesellschafterebene gibt und die etwaigen Gewinne über die Rückbeteiligung realisiert werden.

Unbegründete Ängste auf Verkäuferseite

Wenn Inhaber von IT-Unternehmen mit 20 bis 200 Mitarbeitern an Finanzinvestoren denken, dann kommen häufig Assoziationen zu „Heuschrecken“, die blind aufkaufen und danach das Unternehmen in ihre Einzelteile zerlegen, Mitarbeiter entlassen und Standorte schließen. An dieser Stelle lässt sich mit einem tiefen Einblick in die aktuellen Buy-and-Build-Strategien im Markt sagen, dass keiner der Investoren nur ansatzweise Vorgehensweisen in diese Richtung verfolgt.

Ganz im Gegenteil: Ein Investor tut alles dafür, sein Investment zu schützen und es noch wertvoller zu machen. Gerade bei IT-Dienstleistern haben professionelle Investoren verstanden, dass sie behutsam mit dem Personal umgehen sollten und mögliche bzw. notwendige Veränderungen gemeinsam einleiten. Eine Standortverlegung würde - trotz des aktuell sehr hohen Homeoffice-Anteils - in vielen Fällen dazu führen, dass Mitarbeiter sich nach Alternativen umgucken werden.

Gerade weil ein IT-Systemhaus stark an seinem Standort, in seiner Region und mit seinem heutigen Geschäftsmodell ist, ist es attraktiv für ein Beteiligungsunternehmen im Rahmen von "Buy-and-Build". Zudem sind die Verantwortlichen seitens der Finanzinvestoren in der Regel auch nicht in der IT-Branche sozialisiert worden, sodass sie darauf angewiesen sind, dass starke Geschäftsführer und Führungskräfte vor Ort das operative Geschäft verantwortungsvoll leiten und eng in strategische Entscheidungen auf Gruppenebene eingebunden sind. Finanzinvestoren haben ihre Stärken in der Regel in den Themen Finanzen, Controlling und Unternehmensentwicklung und engagieren sich zumeist moderierend in branchenspezifischen Themen.

Fazit: Für Systemhausinhaber, die ihre Nachfolge regeln oder den nächsten größeren Wachstumsschritt anstreben, sind gezielte Gespräche mit Beteiligungsunternehmen empfehlenswert. Entscheidend ist dabei, sich sehr gut auf diese vorzubereiten und schnell zu erkennen, ob die eigenen Strategien und Ziele zu denen des Investors passen.

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