Warum Open Source eine glänzende Zukunft hat

23.08.2007
Von Emma McGrattan
Schluss mit den Vorurteilen zu quelloffener Software! Die Wahrheit über moderne Open-Source-Software muss ans Tageslicht - sagt Emma McGrattan.

Bei jedem Pokerspiel kommt der Moment der Wahrheit, der Moment, in dem alle Spieler ihre Karten auf den Tisch legen. Die Zeit der Bluffs ist dann vorbei. Gewinnen wird derjenige, der das beste Blatt hat.

Deshalb sollten auch Anbieter von Closed-Source-Lösungen endlich ihre Karten auf den Tisch legen. Allzu lange behaupten sie schon, dass die Open-Source-Technologie nur eine Randerscheinung ist, dass sich Open-Source-Produkte für geschäftskritische Anwendungen nicht eignen und dass Veränderungen im Quellcode geradezu erschreckend ungeregelt und unkontrolliert ablaufen. Einige kommerzielle Anbieter unterstellen gar, dass für Open-Source-Software kein professioneller Support gewährleistet ist. Und sie schüren gezielt Ängste und Unsicherheiten hinsichtlich der geistigen Eigentumsrechte an Open-Source-Code. Die FUD (fear, uncertainty and doubt) genannte Marketingstrategie zielt auf Verunsicherung der Kunden ab. Hier gilt es nun, die Wahrheit über moderne Open-Source-Software ans Tageslicht zu bringen.

Vorurteil 1:

Open Source ist eine Randerscheinung

Möglicherweise war dieses Argument berechtigt, als Linux und Apache noch in den Kinderschuhen steckten. Aber heute, viele Jahre später, haben sich Open-Source-Produkte weltweit eine solide Position in den Rechenzentren erarbeitet. Die Abwertung von Open Source als Randerscheinung ist daher schlichtweg nicht mehr haltbar. Quelloffene Lösungen haben sich einen beeindruckenden Marktanteil erobert. Sie sind schon lange nicht mehr nur eine praktikable Alternative zu traditionellen Closed-Source-Produkten. Clevere IT-Leiter wissen vielmehr, dass Open-Source-Software häufig die besseren Resultate erbringt als ihre kommerziellen Rivalen - hinsichtlich Performance, Flexibilität, Sicherheit und Funktionalität ist sie dem "closed source" vielfach überlegen.

Im November 2005 erschien beim Marktforschungsunternehmen Gartner eine Studie mit dem Titel "Open Source entwickelt sich zum Mainstream", und ein halbes Jahr später behauptete sein Konkurrent IDC: "Open-Source-Software ist der wichtigste, umfassendste und langfristigste Trend, den die IT-Branche seit Einführung der grundlegenden Datenspeicherarchitekturen und SQL-APIs Anfang der 1980er gesehen hat."

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Produkten und Serviceleistungen im Open-Source-Bereich: Den meisten IT-Chefs dürften Namen wie Red Hat Linux, MySQL und Apache ebenso vertraut sein wie Windows und Internet Explorer. Gleichzeitig konnte Open Source das Image von Freeware beziehungsweise Shareware schon lange abstreifen. Risikobewusste IT-Entscheidungsträger wissen längst, dass sie mit dem Open-Source-Modell ein Produkt mit dem zugehörigen Quellcode nutzen, analysieren, modifizieren, verbessern und verbreiten können. Und sie wissen auch, dass ihnen für geschäftskritische Implementierungen ein zuverlässiges Netz an Support- und Serviceleistungen zur Verfügung steht.

Aber selbst wenn man die Aussagen von Analysten, Branchenexperten und Open-Source-Enthusiasten beiseite lässt, bleibt eines festzuhalten: Wenn Microsoft in großem Maßstab in eine Technologie einsteigt, bedeutet das, dass diese wirklich ernst zu nehmen ist. Die zwischen Microsoft und Novell getroffene Vereinbarung, die eine Zahlung des Software-Riesen an Novell in Höhe von 348 Millionen Dollar vorsieht, um ein Zusammenspiel von Linux und Windows zu ermöglichen, ließ ein beträchtliches Beben durch die Open- und Closed-Source-Communities gehen.

Im Lichte dieses Deals ist die Vermutung, dass die Zukunft der Open-Source-Welt maßgeblich von Großunternehmen geprägt sein wird, 100-prozentig bestätigt worden Dieser Trend wird letztlich die Verbreitung der Open-Source-Technologie weiter beschleunigen und ihren kommerziellen Erfolg noch mehr fördern.

Vorurteil 2:

Open-Source-Produkte sind für geschäftskritische Anwendungen nicht geeignet

Viele Open-Source-Gegner halten hartnäckig an der Auffassung fest, dass die quelloffene Software nicht zuverlässig genug für geschäftskritische Anwendungen arbeitet und die Qualität der Produkte den hohen Anforderungen der Unternehmen nicht genügt.

Dem ist entgegenzusetzen, dass Open-Source-Produkte selbstverständlich den gleichen Tests hinsichtlich Performance, Belastbarkeit, Funktionen, Sicherheit und Regression unterzogen werden wie herkömmliche Closed-Source-Software. In diesem Zusammenhang hat Open Source sogar einen eindeutigen Vorteil, denn dieser ermöglicht bereits in einer frühen Entwicklungsphase die intensive Kooperation mit den Endanwendern. Diese können am Entwurfs- und Entwicklungsprozess aktiv teilhaben und neue Funktionen in der Praxis testen, sobald die entsprechenden Features in der Community-Produktversion verfügbar sind. Bugs und Programmierungsfehler können so bereits sehr früh im Entwicklungszyklus identifiziert und behoben werden. Auf diese Weise profitieren Anwender von einem hochwertigen Produkt, das auf ihre Bedürfnisse maßgeschneidert wurde.

Es gibt viele Beispiele für die professionelle Entwicklung, Verwaltung und Unterstützung von Open-Source-Projekten, die sich bei geschäftskritischen Implementierungen mehr als bewährt haben. Bekannte Namen wie Linux, JBoss und MySQL stehen für den Erfolg dieser Lösungen.

Und nicht nur die Open-Source-Anbieter selbst preisen die Vorteile ihrer Technologien an: Auch auf Kundenseite werden freie Softwareanwendungen immer beliebter: Positiv überraschte Anwender teilen der Community regelmäßig mit, dass sie - trotz anfänglicher Bedenken - dem Open-Source-Ansatz eine messbare Performance-Steigerung und deutlich geringere Ausfallzeiten verdanken.

Überzeugen mag in diesem Zusammenhang, dass auch der öffentliche Sektor vermehrt auf quelloffene Software setzt. Gartner nennt hier zwei Beispiele aus Frankreich ("Association of Developers and Users of Open Source Software in Administrations and Local Communities") und Malaysia ("Public Sector Open Source Software Master Plan"). Derselbe Analyst sagte im August 2006: "In Behörden und bei Regierungsstellen ist mittlerweile eine sehr viel realistischere Haltung gegenüber dem Thema quelloffene Software festzustellen. Diese Anwender haben erkannt, dass sich das Lizenzierungs- und Community-Modell der Open-Source-Technologie auch in ihrem Bereich gewinnbringend einsetzen lässt."

Vorurteil 3:

Open-Source-Anbieter haben keine geistigen Eigentumsrechte an ihren Produkten

Zu den hartnäckigsten Vorurteilen rund um Open Source gehört die Auffassung, dass Firmen, die quelloffene Software anbieten, keine geistigen Eigentumsrechte an ihren Produkten haben und somit ihr geistiges Eigentum nicht so effizient schützen können, wie dies bei herkömmlichen Softwareanbietern der Fall ist. Dabei wird immer wieder das Argument vorgebracht, dass aufgrund der vielen Autoren eines Open-Source-Projekts geradezu zwangsläufig rechtliche Unklarheiten entstehen, die man den Kunden nicht zumuten kann.

Hierzu muss deutlich gesagt werden: Open-Source-Software unterliegt denselben Copyright-Gesetzen wie ein Closed-Source-Produkt. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Open-Source-Anbieter ihr geistiges Eigentum auch anderen zur Verfügung stellen. Als Resultat können bei quelloffener Software weder Monopole entstehen, noch kann ein einzelnes Unternehmen die Preise für Support und Services nach Belieben festlegen. Vielmehr sehen sich die Unternehmen gezwungen, eine erstklassige Servicequalität zu einem attraktiven Preis anzubieten, um im Wettbewerb bestehen zu können. Für die Kunden ist dies in jeder Hinsicht vorteilhaft.

Geistiges Eigentum war immer eine zentrale Antriebskraft für Innovationen in der Softwarebranche. Dies wird auch in Zukunft so sein. Das Open-Source-Entwicklungsmodell steht für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in einer Umgebung, die durch echte Kooperation geprägt ist. Der freie Zugang für jedermann zum geistigen Eigentum "Quellcode" bedeutet letztlich, dass die Produkte schneller zur Marktreife gelangen.

Vorurteil 4:

Open-Source-Software bietet keinen professionellen Support

Dieses Vorurteil schreckt nach wie vor viele Firmen von quelloffenen Produkten ab. Dabei muss man jedoch unbedingt unterscheiden zwischen der Community, die sich häufig rund um Open-Source-Projekte bildet und diese auch unterstützt, und dem Support, den Kunden von Open-Source-Software-Anbietern und ihren Partnern beziehen können. Selbstverständlich genügt dieser Support professionellen Ansprüchen, sodass die betreffende Software erfolgreich für geschäftskritische Anwendungen auch in internationalen Konzernen eingesetzt werden kann.

Zu diesem Thema gab es in jüngster Zeit viele Diskussionen, nachdem Oracle im Oktober verkündet hatte, für sein Produkt "Unbreakable Linux", das von der Red-Hat-Linux-Technologie abgeleitet wurde, das gleiche Support-Programm anbieten zu wollen wie für seine übrigen Produkte.

Grundsätzlich positiv ist es zu werten, dass Anbieter und Dienstleister für Linux-Anwendungen einen ebenso guten Support bereitstellen wollen wie für andere Betriebssysteme. Dessen ungeachtet dürfte der Versuch von Oracle, den Linux-Markt über den Support-Bereich neu aufzurollen, zum Scheitern verurteilt sein, da Oracle vermutlich nicht in der Lage ist, eine dem Red Hat Network gleichwertige Support-Lösung anzubieten.

Auch dürfte es schwierig sein, mit der langjährigen institutionellen Expertise von Red Hat mitzuhalten. Darüber hinaus ist unklar, welche Vorteile es haben soll, die Open-Source-Bewegung für eine Verengung des Marktes zu instrumentalisieren, anstelle innovative Angebote zu entwickeln und diese der gesamten Community zur Verfügung zu stellen.

Was der Konflikt zwischen Oracle und Red Hat aber ganz klar zeigt, ist die Tatsache, welch hohen Stellenwert ein erstklassiger Support für Unternehmen hat - vor allem auch im Bereich quelloffene Software. Nicht zuletzt beruht das Geschäftsmodell der meisten Open-Source-Anbieter maßgeblich darauf, dass die Kunden ihre - kostenpflichtigen - Support- und Serviceleistungen in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund müssen Open-Source-Spezialisten hier Leistungen mit zumindest der gleichen Qualität anbieten wie ihre Closed-Source-Konkurrenten. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, sich als Open-Source-Anbieter erfolgreich am Markt zu behaupten.

Vorurteil 5:

Open Source unterliegt keinerlei Regeln, der Quellcode kann von jedem geändert werden

Einige Gegner der quelloffenen Software gehen von der falschen Voraussetzung aus, dass jeder beliebig auf den "Open Code" zugreifen und ihn verändern darf, woraus sich eine zwangsläufige Unsicherheit und Unzuverlässigkeit ergebe.

Die Wahrheit ist jedoch, dass auch Open-Source-Code einer Kontrolle unterliegt und dass Quellcode-Änderungen nur dann zulässig sind, wenn sie ein Problem beheben oder das Produkt verbessern. Änderungen des Quellcodes durchlaufen ein rigoroses Peer Review sowie Akzeptanz- und Regressionstests. In der leistungsorientierten Open-Source-Community muss sich ein Entwickler also erst bewähren, bevor er Code zu einem Projekt beisteuern darf. Und noch etwas ist wichtig: Obwohl Millionen von Entwicklern quelloffene Software selbst nutzen und diese ergänzen, liegt die Arbeit an zentralen Projekten in den Händen einer kleinen Gruppe von Experten.

Anbieter von quelloffener Software stellen Profi-Entwickler ein, um ihr Produkt zu optimieren, Bugs zu beheben und sicherzustellen, dass die Anwender ein hochwertiges Produkt erhalten. Die Entwicklung von Open-Source-Programmen gehorcht einem strikten Leistungsprinzip und unterliegt denselben strengen Vorgaben, wie sie auf Closed-Source-Software angewendet werden.

Vorurteil 6:

Open-Source-Software ist nicht sicher

Ein weit verbreitetes Vorurteil lautet, dass Open-Source-Software durch den für jedermann zugänglichen Quellcode per se anfälliger für Sicherheitsbedrohungen von außen und damit Hacker-Angriffen schutzlos ausgeliefert sei. Hier muss wieder und wieder gesagt werden, dass freie Software von ihrer Konzeption her sicher ist und dass sie allgemein anerkannte Entwicklungsmethoden und sichere Codierungstechniken verwendet.

Alle vorgeschlagenen Code-Änderungen werden vor der Übernahme einem rigorosen Peer Review unterzogen. Dieser sorgt dafür, dass Schwachstellen bereits im Vorfeld erkannt und problematische Code-Abschnitte identifiziert werden können, sodass von Anfang an ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet ist.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Closed-Source-Software mit mehr Schwachstellen behaftet ist als vergleichbare Open-Source-Produkte. So weist beispielsweise der Linux-Kernel nur ein Prozent der Bugs auf, die ein typisches Closed-Source-Programm enthält.

Der Markt für quelloffene Software hat sich entscheidend weiterentwickelt und enormes Wachstum erfahren. Tatsächlich ist die Akzeptanz so weit fortgeschritten, dass viele Kunden nicht mehr vor der Entscheidung "Open- oder Closed-Source-Produkt?" stehen, sondern sich vielmehr der Frage widmen, welches Produkt ihre Anforderungen am besten erfüllt, die höchste Leistung erbringt und den effektivsten Support bietet.

Die fieberhaft betriebenen Partnerschaften und Übernahmen, wie der Kauf von XenSource durch Citrix oder das Joint Venture von Microsoft und Novell, zeigen auf, dass Open-Source-Technologien eine durchaus attraktive Alternative zu herkömmlicher Software darstellen. Allein deshalb versuchen sich die etablierten Hersteller in den Markt für Open-Source-Produkte einzukaufen. Sie berücksichtigen aber nicht, dass OpenSource das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit den Kunden ist, bei der diese in die Produktentwicklung mit einbezogen werden. Dieses Geschäftsmodell unterscheidet sich grundlegend von jenem der traditionelle Softwarehäuser.

Open-Source-Anbieter sind deshalb zuversichtlich, auch in Zukunft den etablierten Playern auf dem Markt eine unbequeme, innovative Technologie entgegenzusetzen. RW

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