Eine Trainingsbibliothek im Unternehmen aufbauen

Warum Seminare von der Stange genügen, Teil 2

06.03.2009
Wann sollten Seminare "maßgeschneidert" sein und wann genügt eine angepasste "Konfektionsware"? Hierüber sprach Bernhard Kuntz mit Wolfgang J. Schmitt, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Schmitt und Partner, Würzburg.

Herr Schmitt, Ihr Unternehmen entwickelt und vertreibt seit über zehn Jahren unter der Marke Trainplan (R) fix und fertig ausgearbeitete Seminarkonzepte. Mit Erfolg?

Schmitt: Als wir 1997 die ersten sieben Konzepte herausbrachten, waren wir Pioniere am Markt. Unsere Produktidee war völlig neu. Entsprechend skeptisch anfangs die Reaktion einige Trainer. Trotzdem hatten wir von Anfang an Erfolg und wurden schnell Marktführer und seit drei, vier Jahren boomt die Nachfrage regelrecht.

Warum hat sich die Nachfrage in den letzten Jahren so stark erhöht?

Schmitt: Zum einen haben wir heute Seminarkonzepte zu über 80 Themen im Programm. Zum anderen ist der Zeitgeist ein anderer als vor zehn Jahren.

Inwiefern?

Schmitt: Damals herrschte in der Weiterbildungsszene das Credo: Seminarkonzepte müssen maßgeschneidert sein - auf die Zielgruppe und das Unternehmen. Dieser Denke widersprach es, ausgearbeitete Seminarkonzepte nebst Trainingsunterlagen für einen günstigen Preis einzukaufen und diese dem Bedarf anzupassen. Ich war aber schon damals überzeugt: Es ist nicht nötig, dass jeder Trainer und jedes Unternehmen das Rad sozusagen neu erfindet. Das ist Zeit- und Geldverschwendung. Zumindest bei den Standardthemen im Trainingsbereich und wenn es zum Beispiel um das Vermitteln des kleinen Ein-mal-eins des Verkaufens geht, kann auf bewährte Konzepte zurückgegriffen werden.

Geht damit nicht ein Qualitätsverlust einher?

Schmitt: Nicht unbedingt, wenn der Trainer praxis- und felderfahren ist. Denn letztlich sind die Seminar- und Trainingsunterlagen nur Hilfsmittel. Das eigentliche Lernen findet im Dialog zwischen Trainer und Teilnehmern statt.

Sind Sie grundsätzlich gegen ein Maßschneidern von Seminaren?

Schmitt: Selbstverständlich nicht. Wenn zum Beispiel hochqualifizierten Experten Spezialwissen vermittelt oder erfahrenen Führungskräften der gewünschte Feinschliff verpasst werden soll, dann führt daran meist kein Weg vorbei. Aus meiner Sicht wurde das Thema Maßschneidern jedoch häufig übertrieben.

Inwiefern?

Schmitt: Faktisch waren die meisten maßgeschneiderten Seminare nicht maßgeschneidert. Dieses Attribut diente vielfach nur als Legitimation für den hohen Preis. In der Praxis fügten die meisten Trainer vorgefertigte Seminarbausteine mal in der Reihenfolge ABC, mal BCA und mal CBA zusammen und fertig war das maßgeschneiderte Seminar. Das heißt, letztlich wurden nur geringfügige Änderungen am Standardkonzept vorgenommen. Und wenn man die Seminarkonzepte beispielsweise mehrerer Präsentationstrainer nebeneinander legte, dann stellte man oft fest: Sie enthalten nicht nur weitgehend dieselben Inhalte. Es werden teilweise auch die gleichen Folien verwendet. Wenn dies so ist, dann kann ich als Trainer beim Neuentwickeln eines Seminars auch gleich ein bereits ausgearbeitetes Konzept sozusagen als Grundgerüst nutzen und dieses dann meinem Corporate Design und Bedarf anpassen. Das spart viel Entwicklungsarbeit.

Haben das inzwischen viele Trainer erkannt?

Schmitt: Ja, sie nutzen heute ganz selbstverständlich unsere Konzepte - zumindest bei den Themen, die nicht ihre Kernthemen sind. Wir registrieren aber auch eine stärkere Nachfrage seitens der Unternehmen.

Wie erklären Sie sich das?

Schmitt: Hierfür gibt es mehrere Ursachen. Zum einen beurteilen die Unternehmen die Qualität der Weiterbildung heute stärker unter Effizienz-Gesichtspunkten. Also fragen sie sich auch häufiger: Ist beim Schulen der Zielgruppe x oder des Themas y wirklich ein maßgeschneidertes Seminar nötig? Schließlich dauert es in der Regel mehrere Wochen bis ein wirklich maßgeschneidertes Seminar entwickelt ist - und nicht nur ein, zwei Tage. Hinzu kommt: Gerade wenn es um das Schulen großer Mitarbeitergruppen geht oder bestimmte Trainings regelmäßig durchgeführt werden, erachten es die Unternehmen zunehmend als wichtig, dass in allen Seminaren - egal wer sie hält - dieselben Konzepte und Unterlagen eingesetzt werden; unter anderem damit in ihnen dieselbe Philosophie vermittelt wird und die Teilnehmer anschließend auf dem gleichen Wissensstand sind. Auch deshalb legen die Unternehmen mehr Wert auf standardisierte Trainingskonzepte und -unterlagen.

Gibt es weitere Gründe?

Schmitt: Ja. Gerade in den mitarbeiterstarken Bereichen der Unternehmen werden die Mitarbeiter zunehmend auch arbeitsbegleitend von ihren Vorgesetzten geschult. Oder wie dies in Callcentern gang und gäbe ist, von ihren Teamleitern oder sogenannten Coachs. Das heißt, diese Personen setzen sich, wenn sie zum Beispiel registrieren, dass die Mitarbeiter auf Einwände nicht adäquat reagieren, mit diesen zusammen und sagen: "Lasst uns noch mal eine halbe Stunde über das Thema Einwandbehandlung sprechen." Dafür brauchen die internen Trainer natürlich Schulungsunterlagen. Deshalb bauen viele Unternehmen in ihrem Intranet eine Art Bibliothek auf, in der sich statt Büchern Seminarkonzepte und -unterlagen befinden. Und diese können die Trainer oder Führungskräfte dann nutzen, wenn ein entsprechender Schulungsbedarf entsteht. (oe)

Bernhard Kuntz ist Inhaber des Büros für Bildung & Kommunikation. Kontakt: Eichbergstr. 1, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151 89659-0, Fax: 06151 89659-2, E-Mail: info@bildung-kommunikation.de, Internet: www.bildung-kommunikation.de.

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