Warum sich heute so viele Manager für Politik interessieren

24.07.2003

Wenn man heute mit Geschäftsführern aus der IT-Branche spricht, landet man früher oder später bei der Politik. Meistens früher. Besonders ausgesprägt ist das politische Interesse derzeit bei DeutschlandGeschäftsführern amerikanischer IT-Unternehmen. Das liegt daran, dass Deutschland, und wir reden hier vom einwohnerstärksten Land in Europa, im europäischen Vergleich ein Sorgenkind darstellt und die US-Bosse von ihren deutschen Statthaltern wissen wollen, was hier eigentlich passiert.

Auch bei Vorträgen, die vom Thema her nicht unbedingt eine Betrachtung der politischen Großwetterlage erwarten lassen, steht die Politik im Vordergrund. So zum Beispiel beim Referat von HP-Chef Menno Harms auf dem Kongress "IT 2003. Eine Branche geht in die Offensive!", den die "Wirtschaftswoche" vergangene Woche in München veranstaltete. Der Titel des Vortrags lautete: "Die wirkliche New Economy liegt noch vor uns - Wie müssen wir uns darauf vorbereiten?". Der erste Teil des Referats war schnell abgehandelt: Unter dem strapazierten und durchaus mit negativen Konnotationen versehenen Begriff "New Economy" versteht Harms die "Digitalisierung der Alltagswelt", und er zeigte auf, in welche Lebensbereiche die ITK bereits "diffundiert" sei, wie zum Beispiel die Unterhaltungselektronik, Kfz-Technik, Haushaltstechnik und Medizintechnik. Und man sei noch lange nicht am Ende. "Was digitalisiert werden kann, wird bis zum Ende dieser Dekade digitalisiert sein. Wer da den Zug verpasst, wird vom Markt verschwinden", so Harms, und als Beispiel nennt er die Musik- und Filmindustrie, die heute noch kein Rezept gefunden hat, wie sie mit der Herausforderung durch das Internet umgehen kann.

In dem 35-minütigen Vortrag war Harms, in Personalunion auch Vizepräsident des Branchenverbandes Bitkom, nach einer Viertelstunde bei der Politik. Was er in der gegenwärtigen politischen Diskussion vermisst, ist vor allem die Vision der Rolle, die Deutschland im globalen Wettbewerb spielen solle. Wenn man sich zum Beispiel die "inhaltlich bescheidene Agenda 2010" (Harms) von Gerhard Schröder ansehe, dann "fehlt es vor allem an einem: an der Vision", sagt Harms. Weiter sagt er: "In der Agenda 2010 sucht man die Begriffe Innovation, Technologie und Internet vergeblich. Dafür findet man etwas zu Zahnersatz und Zahnpflege." So werde man es nicht schaffen, vom 17. Platz wegzukommen, den Deutschland im weltweiten Ranking bei den ITK-Ausgaben pro Einwohner einnimmt.

Worauf es ankommt, so Harms, ist die Förderung von Innovationen und die Schaffung innovationsermöglichender Strukturen sowie eines Klimas, in dem Innovationen gedeihen. Das sei nicht zu verwechseln mit Subventionen. "Unsere Branche kennt keine Subventionen. Wir kämpfen immer gegen Belastungen", sagt er. Subventionen hält Harms lediglich im Bereich der Grundlagenforschung für berechtigt.

Es erübrigt sich fast zu sagen, dass die Ausführungen des HP-Chefs im Plenum der Veranstaltung fast durchweg auf verständnisvolles und zustimmendes Kopfnicken trafen. Das aber ist gerade die Crux bei diesem Thema. So wichtig die öffentliche Meinungsbekundung, die Stellungnahme zu politischen Themen der Unternehmer und Wirtschaftskapitäne ist - solange sie sich nur in den eigenen Kreisen bewegen, geht von diesen Statements keine große Wirkung aus. Das Ziel muss sein, diese Botschaften unters breite Volks zu bringen, und zwar in einer Form, die dort auch verstanden wird. Eine Kolumne in der "FAZ" ist gut, ein Artikel in der "Bild"-Zeitung ist besser.

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