Top-Manager lieben "harte" Zahlen, Daten und Fakten. Eher ungern befassen sie sich hingegen mit den Denk- und Verhaltensmustern, die ihre Organisation prägen. Das ist schade! Denn die harten Daten wie Umsatz und Ertrag sind meist das Resultat der sogenannten "weichen" Erfolgsfaktoren.
Ich bin ein logisch denkender Mensch und ein rationaler Planer - dieses Selbstbild haben die meisten Top-Manager. Deshalb messen sie beim Treffen von Entscheidungen "harten" Zahlen, Daten und Fakten eine hohe Bedeutung bei. Eher ungern beschäftigen sie sich hingegen mit den "weichen" Erfolgsfaktoren - wie der Mitarbeiterkommunikation und -motivation. Oder der Zusammenarbeit und Führungskultur in ihrer Organisation.
Diese Erfahrung sammelt Dr. Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (D), immer wieder. Mit diesem "Sozial-Kram" wollen viele Top-Manager nichts zu tun haben - auch weil ihre Leistung an harten Zahlen gemessen wird. Zum Beispiel dem Umsatz und Ertrag. Oder dem Börsenkurs. Deshalb liegt ihr Fokus fast automatisch auf diesen harten Daten.
Dabei übersehen Top-Manager laut Kraus jedoch oft: Die sogenannten "hard facts" eignen sich nur bedingt als Instrument zum Steuern des Erfolgs von Unternehmen. Denn in den Zahlen spiegeln sich primär die (Miss-)Erfolge der Vergangenheit wider. "Aus ihnen lässt sich zwar ableiten, dass ein Handlungsbedarf besteht, aber meist nicht, was getan werden sollte, um beispielsweise den Ertrag oder die Innovationskraft eines Unternehmens zu steigern."
Kraus erläutert dies an einem Beispiel. Angenommen ein Unternehmen erzielt zu geringe Umsätze. Dann lässt sich über eine Zahlen-Daten-Fakten-Analyse zwar ermitteln, dass die Vertriebsmitarbeiter beispielsweise nur zehn Kundenbesuche pro Woche machen; des Weiteren, dass sie nur bei zwei Besuchen Abschlüsse erzielen und deren Volumen im Schnitt zu niedrig ist.
Nicht beantwortet ist damit aber die Frage: Was ist die Ursache hierfür und wie kann folglich der Umsatz gesteigert werden? Denn besagte "Mängel" können zahlreiche Ursachen haben. Darauf weist Dr. Anja Henke, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Carpe Viam, Düsseldorf, hin. Die Verkäufer können zum Beispiel demotiviert oder ungenügend geschult sein. Sie können auch überlastet sein. Doch damit nicht genug: Alle genannten Ursachen können ihrerseits wiederum viele Ursachen haben. Das erläutert Henke am Beispiel mangelnde Motivation.
Aus "soft facts" werden "hard facts"
Der "fehlende Biss" der Verkäufer kann seine Ursache darin haben, dass diese sich nicht mit den Produkten des Unternehmens identifizieren. Oder darin, dass sie sich eher als Berater denn als Verkäufer verstehen. Oder darin, dass sie frustriert sind, weil sie von ihren Vorgesetzten kaum Anerkennung erfahren. Oder darin, dass sie überfordert sind, weil ihnen der Innendienst zu wenig Support gewährt.
Daraus folgt laut Julia Voss, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Voss+Partner, Hamburg: "Wer solche ,hard facts‘ wie den Umsatz oder Ertrag positiv beeinflussen möchte, muss sich in der Regel mit den ,soft facts‘ befassen. Denn wenn diese nicht stimmen, dann können auch nicht die gewünschten ,hard facts‘, wie eine Umsatzrendite von zwölf Prozent zu erzielen, erreicht werden."
Das ist vielen Top-Managern nicht ausreichend bewusst – "auch weil sie häufig ein eher mechanistisches Weltbild haben", beklagt die Wiener Managementberaterin Sabine Prohaska. Deshalb unterschätzen sie oft, "welche Potenziale, aber auch Gefahren beispielsweise in der Unternehmenskultur stecken". Prohaska ist felsenfest überzeugt: "Eine hoch motivierte Mannschaft kann scheinbar Unmögliches erreichen." Und eine demotivierte Belegschaft? "Sie kann ein Unternehmen ruinieren."
Schwachstelle Strategieumsetzung
Die Münchener Strategieberaterin Dr. Daniela Kudernatsch stellt im Kontakt mit Unternehmen immer wieder fest: Sie haben eine zukunftsweisende und -fähige Strategie. Doch im Betriebsalltag gelingt es ihnen nicht diese umzusetzen. Oft fragen sich die Verantwortlichen dann: Was sind die Ursachen? Haben wir die Ziele zu hoch gesteckt? Oder haben wir die falsche Mannschaft? Oder identifizieren sich die Mitarbeiter zu wenig mit den Zielen des Unternehmens? Solche Fragen stellen sich die Verantwortlichen zu Recht. "Denn nur wenn die Faktoren bekannt sind, die den Erfolg oder Misserfolg fördern, können sie gezielt beeinflusst werden."
Von Ferdinand Piëch, dem heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden und früheren Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, wird kolportiert: Er zog sich nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender einen Blaumann an und arbeitete mehrere Tage am Fließband. Das tat er nicht, um zu lernen, wie man den Motor in ein Auto einbaut. Nein, er wollte die (Arbeits-)Einstellung der Mitarbeiter kennenlernen. Denn hieraus konnte er Rückschlüsse ziehen: Wo sollte das Management den Hebel ansetzen, um die Kultur des Unternehmens wie gewünscht zu beeinflussen?
Auf der nächsten Seite geht es u.a. um das Entwickeln einer Unternehmenskultur.
- Mitarbeiterbefragung
Von den eigenen Mitarbeitern kann man viel lernen – wenn man kluge Fragen stellt. Management-Consultant und Buchautorin Anne M. Schüller (www.anneschueller.de) präsentiert eine ganze Reihe an Fragen, mit denen Führungskräfte die Ist-Situation in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern ermitteln können. - Fragen zum Ist-Zustand (I)
Was mir bei uns am besten gefällt, ist: …<br> Was mir bei uns am meisten fehlt, ist: …<br> Was sich an meinem Arbeitsplatz konkret verbessern ließe: …<br> Ich biete an, folgende Aufgaben zu übernehmen: …<br> Ich biete an, folgende Aufgaben abzugeben: …<br> - Fragen zum Ist-Zustand (II)
Mein größter Wunsch an meine Führungskraft ist: …<br> Was wir für die Kunden noch tun könnten: …<br> Warum mir unser Unternehmen so wichtig ist: …<br> Was ich Außenstehenden über uns sagen würde: …<br> Woran ich bei mir selber arbeiten möchte: …<br> - Fragen zum Ist-Zustand (III)
Wobei ich mir Unterstützung wünsche: …<br> Was mich bewegen könnte, noch lange hier zu bleiben: …<br> Was ich immer schon mal sagen wollte: …<br> Was mir besonders am Herzen liegt: …<br> Was man beim nächsten Mal noch fragen könnte: … - Fragen zur Ermittlung der Mitarbeiterloyalität
Ich kann mir gut vorstellen, noch länger hier zu arbeiten. Und dies, weil ….<br> Ich spreche mit Dritten (Bekannte, Freunde, Kunden) positiv über uns. Und dies, weil ….<br> Ich ermutige Interessenten, bei uns Kunde zu werden. Und dies, weil ….<br> Ich ermutige potenzielle Mitarbeiter, sich bei uns zu bewerben. Und dies, weil ….<br> Ich tue all dies nicht, weil … - Fokussierende Fragen
Welches sind die drei Dinge, die Sie sich von Ihrem Vorgesetzten am meisten wünschen?<br> Wenn es eine Sache gibt, die Sie unbedingt übernehmen wollten, was wäre das für Sie?<br> Wenn es eine Sache gibt, die Ihnen in Hinblick auf Ihre Arbeit als besonders nutzlos erscheint, die also wirklich niemandem etwas bringt, was wäre das für Sie?<br> Und wenn es eine Sache gibt, die wir im Interesse der Kunden unbedingt verändern sollten, was wäre da aus Kundensicht betrachtet das Wichtigste für Sie? - Frage ans Gewissen
"Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?"