Was die beste Marge bringt, ist nicht unbedingt die beste Lösung

09.06.1996
BERLIN: Dr. Lutz Kredel ist Vorsitzender der Omnia Organisation GmbH, die Kongresse und Seminare für Digitales Publizieren und interaktive Medien veranstaltet. Im Gespräch mit ComputerPartner beschreibt der Berliner aktuelle Trends auf dem DTP-Markt.

BERLIN: Dr. Lutz Kredel ist Vorsitzender der Omnia Organisation GmbH, die Kongresse und Seminare für Digitales Publizieren und interaktive Medien veranstaltet. Im Gespräch mit ComputerPartner beschreibt der Berliner aktuelle Trends auf dem DTP-Markt.

?Was gibt's Neues beim Desktop-Publishing?

KREDEL: Das Internet-Publishing. Da wird's neue Produkte geben, wie zum Beispiel Adobes PrintMill: Das Internet dient als Verlängerungsleitung zum Drucker und wird als universellste Schnittstelle ein wichtiger Bestandteil des Publishing. Neu ist auch das Cross Media Publishing, mit dem ich aus einem Datenbestand heraus Dokumente auf unterschiedlichen Distributionsmedien generiere. Schließlich wird auch der digitale Farbdruck zu einer weiteren Individualisierung des DTP führen, denn jetzt kann man kleinere Auflagen auch in Farbe drucken und nicht nur in schwarzweiß.

?In welchen Bereichen gibt es noch Marktwachstum?

KREDEL: Es gibt eine hohe Marktdurchdringung bei den klassischen Zielgruppen wie den Betrieben der Druckvorstufe, Werbeagenturen, oder der technischen Dokumentation. Die großen, unerschlossenen Zielgruppen gibt es nicht. Einige Firmen werden ins Database-Publishing investieren. Viele Druckereien werden sich noch eine eigene Druckvorstufe als Computer-to-Plate anschaffen. Aber das sind alles begrenzte, überschaubare Bereiche.

?Was muß der Fachhandel tun, um mit DTP Geld zu verdienen?

KREDEL: Das Internet und Cross Media Publishing haben das Potential für neue Marktsegmente mit neuen Kundengruppen. Damit kann man auch Geld verdienen, weil Cross Media ein Logistikansatz ist, mit dem die Kunden Kosten senken können. Nur gibt es in diesem Bereich noch keinen Systemanbieter. Es gibt niemanden, der den Kunden die Vorteile von Cross Media erklärt und Nachfrage generiert. Das Problem ist alt: Zu viele Händler können noch immer nur Kisten schieben. Keiner setzt sich mit den Problemen des Kunden auseinander, versucht herauszufinden, was der Kunde eigentlich machen will. Es wird einfach nur verkauft, was der Händler selber kennt.

Viele Händler haben keine bereichs- und auch plattformübergreifende Kompetenz. Das, womit die Händler am meisten Marge machen, ist nicht immer die beste Lösung. Aber so ist das halt: die einen erzählen Ihren Kunden immer nur "Quark, Quark, Quark" und die anderen verkaufen nur PageMaker oder Freehand. Allerdings kann man das nicht nur den Händlern anlasten. Denn die meisten Kunden sind auch nicht bereit, für kompetente Beratung zu zahlen, weil die Produkte immer billiger werden.

?Bringt Cross Media Publishing denn zusätzliches Wachstum?

KREDEL: Da Cross Media zukünftig integraler Bestandteil jeder Kundenkommunikation sein wird, werden ein bis zwei Drittel der Printprodukte verdrängt. Da aber das klassische DTP im Cross Media Publishing aufgehen wird, sind insgesamt zehn bis fünfzehn Prozent Wachstum drin. Optimistisch lassen sich vielleicht sogar 30 bis 40 Prozent vorstellen, wie in der Anfangszeit des DTP.

?Wie wird sich die Konkurrenz der Plattformen entwickeln?

KREDEL: Unix hat allenfalls im Bereich der technischen Dokumentation gute Lösungen. Was sich immer mehr als großer Renner herausstellt, ist Windows NT. Im Profimarkt hat Apple sicher noch immer die Überhand. Für den semi-professionellen Bereich gilt das schon nicht mehr. Ich sage Ihnen, in zehn Jahren wird es Apple nicht mehr geben.

?Sie veranstalten Kongresse und Seminare zum Thema DTP. Was ist Ihr zur Zeit größtes Problem?

KREDEL: Das gleiche Problem, das auch die Händler haben: Es gibt keine klaren Zielgruppen mehr. Früher gab es die Druckvorstufenbetriebe, Werbeagenturen und die Verlage. Heute ist DTP überall. Es kommen ständig neue Zielgruppen hinzu. Fotografen zum Beispiel für die digitale Fotografie. Direkt-Marketing-Unternehmen interessieren sich für Cross Media Publishing. Nur: Fotografen gibt es in Deutschland gerade mal 8.000, Direkt-Marketing-Firmen vielleicht 4.000. Das ist für den Händler sicher schwer zu greifen. Wenn Sie zum Beispiel einen Farbausdruck brauchen, dann kann es sein, daß Sie in einem Architekturbüro sitzen, oder in einem Immobilienbüro oder einem Reisebüro. Ich kenne Hotels, die ihre Speisekarten selber gestalten und drucken.

?Aber sind das nicht semi-professionelle oder private Anwender, die den qualifizierten DTP-Fachhändler sowieso nicht interessieren?

KREDEL: Sicher, reine DTP-Händler tun sich hier schwer, weil sie sich notgedrungen auf ihre klassischen Profimärkte konzentrieren. Aber Spezialhändler für bestimmte Branchen können zusätzlich zu ihren meinetwegen kaufmännischen Lösungen auch noch eine auf ihre Branche zugeschnittene DTP-Komplettlösung anbieten.

?Ist das auch ein Grund für den Vormarsch von Windows im semi-professionellen DTP-Markt?

KREDEL: Sie sagen es. Der Profianbieter will doch wahrscheinlich wieder Macintosh verkaufen. Wenn die Leute schon ein Windows-System mit ihren Spezialapplikationen - zum Beispiel Buchhaltung - haben, dann wollen sie für DTP wieder ein Windows-System und sich nicht noch einen Macintosh hinstellen.

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