Was läuft im Heimkino?

11.05.2007
Heimkinoprojektoren sind immer noch eine Definitionssache. Die Bandbreite ist groß: Sie reicht von günstigen Crossover-Beamern, die eigentlich eher Business-Geräte sind, bis hin zu High-End-Geräten mit Full-HD-Auflösung, von Entertainment bis Home Cinema.

Von Klaus Hauptfleisch

Über den Sinn und Unsinn von Heimkinoprojektoren und inwieweit sie in den Women’s Acceptance Factor passen, darüber lässt sich natürlich streiten (siehe auch "Stimme aus dem Handel" auf Seite 3). Will man den Analysten von Decision Tree Consulting (DTC) glauben, dann soll der deutsche Markt für Heimkinoprojektoren 2007 um stolze 68 Prozent wachsen. Und das ausgerechnet in einem Jahr, da weder eine Welt- noch ein Europameisterschaft locken. Laut Cemix-Daten und der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (GfU) wurden 2005 in Deutschland insgesamt rund 35.000 Heimkinoprojektoren verkauft, im WM-Jahr 2006 waren es gerade mal 25.000. DTC zufolge machte der Heimkinobereich im vergangenen Jahr etwa 15 Prozent des Gesamtmarktes aus. Laut Epson soll es aber rund ein Drittel sein. "Die Vorhersagen für den Heimkinomarkt waren ein wenig zu optimistisch, und die Erwartungen haben sich nach unseren Beobachtungen nicht erfüllt", spricht Markus Sasse, Produktmanager Projektoren bei NEC Display Solutions aus, was viele hinter vorgehaltener Hand gestehen. Benq-Senior-Produktmanager Erik Schuldt sagt indes: "In den letzten Monaten des Jahres 2006 ist der Heimkinobereich gemessen am Gesamtmarkt um zirka 20 Prozent in Deutschland gewachsen." Und für sein Unternehmen entwickle sich das Segment durchaus positiv.

Grauzone Crossover

Woher kommt die große Diskrepanz zwischen den Zahlen zu Heimkinoprojektoren? Die Vermutung liegt nahe, dass je nach Marktforscher und Herstellerangaben der große Crossover-Graubereich von günstigen Business-Projektoren enthalten ist, die "zur Not", wie manche sagen, auch für Heimkino eingesetzt werden können und mithin im Food-Channel, sprich bei Aldi & Co. losgeschlagen werden. Das bestätigt indirekt auch Christoph Nell, Sales Manager Reseller and Projector Business D-A-CH bei Viewsonic: "Während der letztjährigen WM konnten wir eine verstärkte Nachfrage nach Crossover-Projektoren feststellen, eher noch als nach Modellen aus dem Bereich der klassischen Home-Cinema-Projektoren."

Christoph Dassau, seit Neuestem Senior Manager der Consumer Electronic Group, vorher für Displays bei dem Münchener Distributor Ingram Micro, geht in seinem Statement zu den DTC-Prognosen erst gar nicht auf Crossover ein, sondern verwendet den Begriff "Projektoren für den privaten Gebrauch". Crossover-Beamer gehen als günstige Einstiegsgeräte oder Auslaufmodelle teilweise schon für Dumpingpreise über den Ladentisch. "Schädlich sind solche Offerten sicher nicht. Auch in anderen Märkten verhindern billige Angebote ja nicht die Existenz von Premium-Marken. Klar muss dem Kunden sein, dass mit einem solchen Gerät sicher kein echter Heimkinogenuss aufkommen wird!", findet Jan Markus Jahn, Projection-Director bei Sanyo.

Es gibt aber auch Anbieter, die das Segment Heimkino gar nicht adressieren. Casio zum Beispiel. Der japanische Hersteller ist laut Junior-Produktmanager Jens Ambros mit seinen superflachen Beamern erst 2003 in den Projektorenmarkt eingetreten und legt das Augenmerk auf die Kernkompetenz Miniaturisierung, ein nicht unwichtiges Argument im Business, während Gewicht und Größe im Heimkino eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Sasse zufolge bietet auch NEC keine speziellen Heimkinoprojektoren an, da der Schwerpunkt im B2B- und Corporate-Umfeld liege. Aber er verweist auf eine Reihe von Crossover-Produkten wie den "NEC NP40", der von einem Heimkinomagazin gerade erst zum Testsieger in der Einstiegsklasse erklärt worden sein soll. Auch wenn der japanische Hersteller es nicht gerne zugibt, verdankt er seine jahrelange Marktführerschaft nicht zuletzt eben auch der Stärke im Crossover-Bereich. Doch 2006 sind Benq und Acer mit günstigen DLP-Beamern teilweise an NEC vorbeigezogen. Letzterer konnte sich im vierten Quartal 2006 die Krone aufsetzen.

Acer-Produktmanager Jens Becker sieht darin ein Zeichen, dass das Heimkino-Segment stark wächst. Mitbewerber nörgeln jedoch, dass der taiwanesische Hersteller dies vor allem dem Deal mit einer Lebensmittelkette verdanke. Und da gehen fast ausschließlich Crossover-Produkte. Aber von mehr oder weniger gut laufenden Food-Deals können auch andere ein Lied singen: Mal war es wie gesagt NEC, mal Toshiba, mal sogar Sharp, obwohl das japanische Unternehmen sonst eher im gehobenen Preissegment unterwegs ist. "Sharp versteht sich als Qualitätshersteller. Das gilt für das Segment der LCD-TVs genauso wie für Projektoren. Wir wollen uns auf die Preisschlacht mit Billiganbietern nicht einlassen", betont Sharp-Produktmanager Peter Heins.

Die Preisfrage

Im Einstiegssegment mit SVGA-Auflösung sind übrigens kaum noch Preisunterschiede zwischen LCD und DLP zu erkennen. Beide Gerätetypen sind schon für unter 400 Euro gesichtet worden. Acer-Manager Becker hält bei anhaltendem Preisverfall auch die auf der CeBIT 2007 ins Gespräch gebrachten 299 Euro als neuen Niedrigstpreispunkt nicht für unwahrscheinlich. XGA-Beamer mit einer Auflösung von 1.024 x 768 Bildpunkten fangen im Internet auch schon bei um 500 Euro an. "Die Preise im Consumer-Bereich, zu dem auch Heimkino-Beamer zählen, werden noch deutlich auf 500 bis 750 Euro sinken", meint Hans-Jürgen Schneider, Vertriebsleiter bei Media-Distributor dexxIT. Benq-Mann Schuldt zufolge sind reine Heimkinogeräte mit 720p-Auflösung bereits für unter 1.000 Euro auf dem Markt, solche mit 1.080p- oder Full-HD-Auflösung schon für unter 3.000 Euro. Letzteres Marktsegment wächst laut Cathrin Wegner, Infocus-Country-Manager Deutschland und Österreich, exorbitant, allerdings immer noch auf kleinem Niveau. Sharp-Manager Heins meint: "Mindestens 1.500 Euro sollten Heimkino-Fans für ein Produkt, das ihnen lange Freude machen soll, schon investieren."

Da auch im Einstiegssegment der Trend weg von SVGA- hin zu XGA-Auflösungen geht, muss Crossover nicht unbedingt schlecht sein, aber allzu viel erwarten sollte man bei absoluten Schnäppchen natürlich auch nicht. 16:9 darstellen können viele der LCD- und DLP-Einstiegsgeräte auch schon, aber in der Regel muss man bei der Wiedergabe von DVDs etwa mit mehr oder weniger deutlich sichtbaren Balken rechnen, während echte Heimkinoprojektoren meist von Hause aus Breitbild liefern. Im Zuge der hohen Marktdurchdringung von Notebooks mit Widescreen und der Einführung von Windows Vista wollen viele Anbieter auch Business-Projektoren mit nativem Breitbild auf den Markt bringen. Damit würde ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen B2B- und B2C-Beamern fallen.

Heimkino-Kriterien

Aber was sind überhaupt die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen einem Business- einem Heimkino-Beamer? "Beim Heimkino sollten sich die Kunden eher an einem relativ hohen Kontrast und weniger an den Ansi-Lumen-Werten für die Helligkeit orientieren. Denn ist die zu hoch, kann das in den meist abgedunkelten Räumen daheim eher schädlich fürs menschliche Auge sein", betont Infocus-Managerin Wegner und fügt hinzu: "Wegen des höheren Kontrasts glauben wir daher, dass DLP für Heimkino die bessere Technologie ist.” Sharp-Produktmanager Heins, wie Infocus in beiden Technologien zu Hause, erklärt: "Unsere Heimkinoprojektoren arbeiten mit DLP-Technologie und unsere Datenprojektoren mit LCD-Technologie. Wir integrieren also die jeweils bessere Technologie für die konkrete Anwendung in unsere Geräte. Auf Dauer ist die Nutzung von LCD gegenüber 1Chip-DLP wesentlich weniger ermüdend", widerspricht Hitachi-Senior-Manager Axel Kutschke seinen Kollegen.

Das Argument, dass DLP den höheren Kontrastwert bietet, dürfte LCD-Technologieführer Epson nicht gelten lassen. Denn der EMP-TW1000 soll einen bisher nie erreichten Kontrast von 12.000:1 bieten. Dies verdankt er unter anderem den neuen D6-Panels, mit denen Epson außerdem bewiesen hat, dass auch LCD-Beamer mit der vollen HD-Auflösung von 1.920 x 1.080 Bildpunkten möglich sind. Bisher war 1080p eine Domäne der DLP-Technologie. JVC hat mit der LCoS-Variante D-ILA sogar schon doppelt so hohe Auflösungen verwirklicht. Der japanische Hersteller Canon konzentriert sich mit seinen LCoS-Projektoren der XEED-Familie in erster Linie auf Business-Anwender, findet seine Geräte aber hin und wieder auch beim Fotofachhandel, wo sie von ambitionierten Fotografen gerne als digitale Diaprojektoren gekauft werden.

Augenscheinlichster Unterschied ist für Ingram-Manager Dassau die Auflösung, sprich das 16:9- oder Breitbildformat, während Business-Beamer meist immer noch mit nativem 4:3-Format ausgeliefert werden. Als weitere wichtige Kriterien im Heimkino sieht Benq-Manager Schuldt eine gute Farbdarstellung und einen geringen Geräuschpegel. Die leisesten Geräte am Markt sind mit 23 oder gar nur 22 dB(A) kaum noch hörbar. "Flüsterleise" Versprechen von jenseits der 33 dB (A) sind dagegen ein Hohn, zumal sich der A-Schallpegel bei einer Frequenz von 1.000 Hertz, gemessen in Dezibel A, eben dB (A), mit jedem Zehnerschritt verdoppelt. Aber Vorsicht: 33 dB (A) sind nicht gleich 33 dB (A). Denn durch Verschieben der Lüftergeräusche in einen niedrigeren Frequenzbereich kann der eine Beamer weit weniger nerven als der andere. Für HD-Beamer wichtig sind natürlich auch Anschlüsse wie DVI oder HDMI.

Beamer versus Flat-TVs

Anders als viele Mitbewerber hat Toshiba auf der CeBIT 2007 hauptsächlich Consumer-Produkte ausgestellt. Dazu gehörten natürlich auch Beamer und die Flachbildfernseher der Reggza-Serie. Was ChannelPartner schon lange vermutet hat und viele bisher nicht zu sagen gewagt haben, Beamer-Chef Gerd Holl hat es ausgesprochen: "LCD- und Plasmafernseher sind preislich so attraktiv geworden, dass Heimkinoprojektoren nicht so gut laufen wie erhofft und von den Marktforschern versprochen."

"Über alles gesehen hat der Erfolg der Flachbildschirme natürlich das Wachstum im Heimkinobereich geschwächt", gibt auch Benq-Manager Erik Schuldt zu. Allerdings haben Heimkinoprojektoren den Vorteil eines Riesenbildes, während bezahlbare Flachbildfernseher bei Bilddiagonalen von 40 oder 42 Zoll aufhören. Ein TV-Ersatz werden Beamer aber nie sein, darin sind sich alle einig. Ein Pluspunkt für portable Geräte ist, dass man sie zum gemeinsamen Fußballabend zu Freunden mitnehmen kann. Eine Saure-Gurken-Zeit zwischen WM und EM befürchtet Acer-Mann Becker nicht: "Neben den kontinuierlich wiederkehrenden WMs und EMs gibt es auch eine spannende Bundesliga, die viel Potenzial im Bereich Public Viewing bietet. Hinzu kommt, dass Kinofilme immer früher auf DVD veröffentlicht werden."

Bleiben die Fragen, über welchen Channel Heimkino am besten läuft und wie der Fachhändler aufgestellt sein sollte, um in dem Markt erfolgreich zu sein. Dazu Viewsonic-Manager Nell: "High-End-Heimkinoprojektoren verkaufen sich eher über AV-Spezialisten, die neben dem Beamer auch eine breite Palette an Bildwänden vorhalten und gleich noch die hochwertige Surround-Anlage. Einstiegs- und Crossover-Modell vertreiben sich besser über einen weniger spezialisierten Fachhandel." Schneider von dexxIT fügt hinzu: "Eine weiße Wand genügt natürlich nicht, um die Qualität eines Projektors auszureizen. Das Thema Bildwand wird aber von vielen Händlern vernachlässigt. Grundsätzlich hat der Handel jedoch eine große Marge beim Zubehörverkauf." Distributoren wie dexxIT, Kindermann und Ingram führen eine große Bandbreite von Zubehör und freuen sich dabei über hohe Zuwachsraten.

Zur Startseite