Interview mit Media-Saturn-CEO Wolfgang Kirsch

"Was wir tun, entspricht einer ständigen Suche"



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Ob Multichannel-Pilotmarkt, Online-Schwerpunktsetzung oder Service-Offensive: Media-Saturn setzt zurzeit mehr Neuerungen um als je zuvor. Wolfgang Kirsch, CEO von Media-Saturn Deutschland, erklärt, wie sich der Elektronik-Retailer in der sich wandelnden Handelswelt positionieren will.

Herr Kirsch, bei der Eröffnung haben Sie den neuen Media Markt in Ingolstadt als "Leitbild für alle Media Märkte" bezeichnet – stellt der Markt aus Ihrer Sicht bereits das optimale Verkaufskonzept dar?

Wolfgang Kirsch: Einen Markt wie in Ingolstadt kann ich mir heute überall in Deutschland vorstellen – und würde dieses Konzept auch gerne an allen Standorten sehen, so ist es mittelfristig auch geplant. Allerdings ist damit noch kein Ende der Entwicklung erreicht, sondern unser Verkaufskonzept wird auf der in Ingolstadt gezeigten Plattform weiterentwickelt. Im Unterschied zu anderen Handelsunternehmen setzen wir nicht auf verschiedene Entwicklungslevels, die in mehrjährigem Rhythmus aufeinander folgen, sondern gehen bei Media Markt und Saturn mit jeder Neueröffnung ein Stück weiter. So gibt es bereits eine Reihe von Dingen, die wir künftig realisieren wollen und die in dem Markt in Ingolstadt noch nicht integriert sind.

Media-Saturn-Deutschlandchef Wolfgang Kirsch gehört dem Unternehmen seit 1993 an und ist seit 2008 Mitglied der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding.
Media-Saturn-Deutschlandchef Wolfgang Kirsch gehört dem Unternehmen seit 1993 an und ist seit 2008 Mitglied der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding.

Was sind das für Neuerungen? In welche Richtung muss sich der stationäre Technikhandel weiterentwickeln?

Kirsch: Wo sich der Handel hin entwickeln wird, weiß auch ich heute noch nicht. Im Prinzip entspricht das, was wir tun, einer ständigen Suche. So werden wir zum Beispiel in absehbarer Zeit in unseren Märkten den Einsatz von iBeacons testen. Ist das die Lösung? Man weiß es nicht, sondern muss es ausprobieren. Ein anderes Beispiel ist unsere Media Markt App, in welche wir schon bald Location Based Services integrieren, die es ermöglichen, Kunden anzusprechen, wenn sie sich in der Nähe einer unserer Märkte befinden.

Zudem muss man auch ausprobieren, was technologisch funktioniert. So haben wir in dem Media Markt in Ingolstadt noch nicht überall elektronische Preisschilder eingesetzt – weil es eine riesige Aufgabe ist, tausende von Preisschildern in unsere Markt-IT einzubinden. Wir probieren hier immer viel aus, bevor wir eine Neuerung in allen 260 Media-Markt-Standorten umsetzen.

Wie ist Ihr Zeitplan für das Roll-out der in Ingolstadt eingeführten Neuerungen?

Kirsch: Zum einen sprechen wir hier vom neuen Corporate Design, das wir innerhalb eines Jahres auf alle deutschen Märkte übertragen wollen – und damit sind wir an ersten Standorten auch schon gestartet. Was das neue Verkaufskonzept betrifft, werden wir das immer dann umsetzen, wenn ein Marktumbau oder eine Modernisierung ansteht, was im Durchschnitt alle drei bis fünf Jahre der Fall ist. Aber wenn es ein großer Erfolg wird, kann es auch sein, dass wir deutlich mehr Gas geben.

"Es gibt heute nicht mehr ‚den Kunden‘"

Woher wissen Sie eigentlich, welche Neuerungen Kunden beim Einkauf wollen? Führen Sie dazu regelmäßig Kundenbefragungen durch?

Kirsch: Ja, natürlich, der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt, deswegen führen wir regelmäßig Fokusgruppen-Interviews durch. Aber wir müssen Neuerungen vor allem ausprobieren, um zu sehen, wie sie bei den Kunden ankommen. Der neue Media Markt zum Beispiel läuft sehr gut und erhält von den Ingolstädtern sehr gute Kritiken. Vieles von dem, was wir in dem Markt umgesetzt haben, wird von den Kunden sehr gut angenommen.

Ist es also diese Verbindung von klassischem stationären Einkauf und Online-Funktionen, die der Kunden von heute will?

Kirsch: Es gibt heute nicht mehr "den Kunden". Es gibt unterschiedlichste Kundenwünsche, so wie es auch unterschiedlichste Einkaufsformate gibt – vom billigsten Discounter bis zur edlen Boutique. Natürlich stimmt es, dass das Internet den Handel revolutioniert hat. Eine große Anzahl der Kunden will aber trotzdem noch weiterhin vor einer Anschaffung einen Menschen sehen, der sich mit dem Produkt auskennt und ihnen ein gutes Gefühl bei ihrer Kaufentscheidung gibt. Gleichzeitig gibt es aber auch immer mehr Kunden, die auf das breite Angebot zugreifen, das wir ihnen online bieten.

Auch im Pilot-Markt in Ingolstadt setzen Sie auf Online-Terminals, die den Media-Markt-Webshop in das stationäre Umfeld integrieren sollen. Wie wird dieses Angebot von den Kunden angenommen?

Kirsch: Zunächst muss das Sortiment im Laden gewährleisten, dass wir den Großteil der Kundenwünsche erfüllen können. Das bedeutet, dass in allen Produktgruppen die Topprodukte beziehungsweise die am stärksten nachgefragtesten Artikel stationär verfügbar sein müssen. Das ist ein großer Unterschied zu einer Boutique, wo es nur ein kleines, ausgesuchtes Sortiment gibt. Gleichzeitig gibt es zu einzelnen Artikeln aber eine Vielzahl von Farbvariationen oder Zubehörteilen. Diese zu bevorraten, wäre nur schwer möglich und würde viel Geld kosten. Hier ist es sinnvoll, Kunden auf den Onlineshop zu verweisen und zu sagen: dieser Artikel ist zwar nicht lokal vorrätig, gehört aber zu unserem Bestand und kann morgen in den Markt bestellt oder nach Hause geliefert werden. Diesen Service finden viele Kunden – auch in unserer Online-Zeit – sensationell.

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