Web-Server & Co: Der Markt marschiert, aber keiner weiß wohin

16.08.1996
MÜNCHEN: Schnelles Wachstum hat im DV-Markt bekanntlich Tradition. Was gestern noch Insidern vorbehalten war, entwickelt sich im ICE-Tempo zur Massenware. Was heute allenfalls für den Hersteller hochtechnologischer Produkte interessant ist, wird morgen von der Großbäckerei nachgefragt. Langfristige Strategien verbieten sich von selbst, die Positionierung neuer Technologien ist oft mit mehr mit Frage- als Ausrufezeichen versehen.Absolut beispielhaft verhält es sich mit dem Internet, unbestritten das Zauberwort der DV-Auguren in unseren Tagen. Rund 15 Prozent aller großen Unternehmen haben laut Gartner Group heute schon ihre eigenen Webseiten. Tendenz starkt steigend. Obwohl heute keiner wissen kann, wohin die Datenautobahn führen wird - Spielzeug für Technikverliebte oder Massenkommunikationsmittel der nahen Zukunft? - ergeben sich dadurch immer wieder neue Absatzmärkte. Man mag es als übertriebenen Eifer bezeichnen, wenn jeder Hundefutterfabrikant nach einer eigenen Website verlangt. Es ist aber nun einmal so.

MÜNCHEN: Schnelles Wachstum hat im DV-Markt bekanntlich Tradition. Was gestern noch Insidern vorbehalten war, entwickelt sich im ICE-Tempo zur Massenware. Was heute allenfalls für den Hersteller hochtechnologischer Produkte interessant ist, wird morgen von der Großbäckerei nachgefragt. Langfristige Strategien verbieten sich von selbst, die Positionierung neuer Technologien ist oft mit mehr mit Frage- als Ausrufezeichen versehen.Absolut beispielhaft verhält es sich mit dem Internet, unbestritten das Zauberwort der DV-Auguren in unseren Tagen. Rund 15 Prozent aller großen Unternehmen haben laut Gartner Group heute schon ihre eigenen Webseiten. Tendenz starkt steigend. Obwohl heute keiner wissen kann, wohin die Datenautobahn führen wird - Spielzeug für Technikverliebte oder Massenkommunikationsmittel der nahen Zukunft? - ergeben sich dadurch immer wieder neue Absatzmärkte. Man mag es als übertriebenen Eifer bezeichnen, wenn jeder Hundefutterfabrikant nach einer eigenen Website verlangt. Es ist aber nun einmal so.

Jedenfalls lassen sich Produkte und Dienstleistungen trefflich vermarkten, die Infos zu Doggies Lieblingshappen weltweit auf die Bildschirme bringen. Im übrigen gibt es natürlich viele Unternehmen, für die das Web heute bereits eine sinnvolle Sache ist, oder die sich rechtzeitig mit einem Medium vertraut machen wollen, das über kurz oder lang eine Selbstverständlichkeit in kaufkräftigen Haushalten sein könnte. Die Nachfrage ist groß, das Angebot unübersichtlich, und die speziell auf diesen neuen Markt abgestimmten Vertriebskonzepte von Herstellern und Distributoren sind in den meisten Fällen noch nicht sattelfest ausgearbeitet.

Initiiert wird die allerorten hektische Betriebsamkeit nicht unbedingt von IT-Experten. Dennoch sind sie natürlich gefragt, wenn es um die Web-technische Präsentation des Unternehmens geht. An einschlägigen Produkten, die zur Präsenz im Netz der Netze verhelfen, herrscht kein Mangel. Für den eigenen Server braucht es Hard- und Software, wobei die Hardware zu vernachlässigen ist, weil hinreichend bekannt.

Wichtiger ist die Software, die den Zugang bewerkstelligt, für Sicherheit zu sorgen hat und die Kommunikation im weltumspannenden Gewirr von Servern ermöglicht. Hier geht es um WWW, um Intranet, E-Mails und Firewalls. Getreu des Spruchs von Andrew Carnegie "Der erste bekommt die Auster, der zweite nur die Schalen" schicken einige Hersteller in rascher Folge neue Produkte ins Rennen. Für den Handel stellen sich da einige Fragen: Gibt es Partnerprogramme mit Handel und Systemhäusern? Gibt es Unterstützung bei der Erschließung dieses neuen Marktes?

Aus Platzgründen kann eine Erläuterung von Produkt- und Vertriebskonzepten, soweit sie denn vorhanden, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Schließlich gibt es in der Branche keine Unternehmen, für die das Thema keines ist. Um als Händler oder Systemhaus am Ball zu bleiben, sei zudem eine Quelle empfohlen, die umfassende und aktuelle Informationen von (fast) allen Playern bereithält: das Internet.

Kaum Partnerprogramme bei Distributoren und Herstellern

Für die großen Distributoren scheint der Vertrieb von Server-Produkten keinen besonderen Charakter zu besitzen. Server-Produkte, Hardware und Tools finden sich reichlich in den Produktkatalogen, nicht aber die zündenden Ideen, wie denn verunsicherte Anwender von verunsicherten Händlern angegangen werden könnten.

Sicherlich sind bei Computer 2000, Merisel und Co. einschlägige Konzepte in Arbeit. Bisweilen ist man sich aber einig in der Ansicht, daß der Markt reichlich unübersichtlich sei.Kultig: Netscape

Klarer Marktführer in Sachen Client-Software ist unbestritten Netscape Communications, deren Navigator in Surfer-Kreisen Kultstatus genießt. Netscape selbst redet von mehr als 38 Millionen installierten Browsern und einem Marktanteil jenseits der 80 Prozent. Wenn auch einige Mitkonkurrenten diese Zahlen bezweifeln, so dürfte der realistische Wert bestimmt nicht unter 70 Prozent liegen. Irgendwie clever erscheint in diesem Zusammenhang das Share-ware-Konzept, den Client kostenlos einer breiten Basis zur Verfügung zu stellen, und so den Firmennamen fest als Synonym für Internet-Software zu etablieren.

Wen wundert es da, daß Netscape seit Dezember 1994 auch zusehens kräftiger im Markt der Server-Software mitmischt. Dümpelte das Unternehmen im ersten Halbjahr 1995 noch mit einem Umsatz von 20,5 Millionen Dollar und fuhr dabei 7,3 Millionen Dollar Verlust ein, sind es 1996 schon 131,1 Millionen Dollar Umsatz mit 4,5 Millionen Dollar Gewinn. Unternehmenskunden, die sich für Inter- und Intranet-Anwendungen interessieren, bringen eben Geld in die Kassen.

Netscape hat diverse Server im Programm, und scheint sie auch zu verkaufen. Catalog Server, Mail Server, Directory Server, Proxy Server, Certificate Server, FastTrack Server, News Server, Enterprise Server - da besteht kaum Gefahr, den Überblick zu behalten. Die amerikanischen Preise beginnen bei 295 Dollar, diverse Server kosten 995 Dollar, der Enterprise Server auch, sogar inklusive dem Navigator Gold 2.0. Allerdings gibt es den Enterprise Server auch im Bundle mit der Datenbank Informix Online und das große Paket mit sechs Server-Komponenten, Netscape SuiteSpot genannt.

Sicherlich besitzen die mehr als 12.000 Entwickler hier den Überblick, die zur Zeit Mitglied im "DevEdge"-Programm von Netscape mitarbeiten. Die Gemeinde erstellt Applikationen, die auf der Netscape Server- und Client-Software aufsetzen. Hierzulande ist diese Geschichte allerdings von geringerem Interesse, da die deutsche Netscape-Niederlassung damit nichts zu tun hat. Ein vergleichbarer germanischer Zirkel ist bislang nicht in Sicht.

Microsoft

Der dicke Zug aus Redmond ist bekanntlich mit einiger Verspätung ins Internet gestartet, verspricht aber, mächtig in Fahrt zu kommen. Den Explorer gibt's wie den Navigator kostenlos an jeder Ecke, und mit dem Release 3.0 sollte Microsoft noch eine gutes Stück Anteil am gigantischen Browser-Kuchen ergattern können. Die Beta wurde nämlich ausgiebig getestet und in Fachkreisen für ausgesprochen gut befunden.

Beim Thema Server setzt Microsoft auf eine Produktfamilie rund um den Internet Information Server, der ebenfalls nichts kostet oder vielleicht schon. Fakt ist, daß er im Download gratis zu bekommen ist. Fakt ist auch, daß die CD-Version 49 Mark verschlingt. Außerdem braucht es Windows NT, in der Version 4.0 für rund 700 Mark als Vollprodukt zu haben. Da ist der Information Server schon drin.

Sei es wie es sei, da die Fachwelt Windows NT im Wettbewerb zu Novell NetWare gute Karten einräumt, wird der Erfolg dieses Netzwerkbetriebssystems auch die Verbreitung des Information Server fördern. Microsoft hat nun einmal den Vorteil, kraft seiner generellen Marktbedeutung immer standardverdächtige Produkte auf den Markt bringen zu können.

Novell agiert auf leisen Sohlen

Die Netzwerker aus Utah und hierzulande Düsseldorf machen über ihr Engagement in Sachen Web nicht viel Aufhebens. Derzeit bietet Novell seinen Web Server in der Version 2.5 über seinen Fachhandelskanal an. Es handelt sich um ein ladbares NetWare-Modul (NLM), mit dem sich ein NetWare-Server zum Web-Server ausbauen läßt. Laut Tests amerikanischer Institute gehört das Novell-Produkt zu den ganz schnellen. Fast schnell ist die NetWare-Company beim Einschwenken auf die vertrieblichen Gepflogenheiten von Konkurrent Microsoft. Noch wird der Web-Server verkauft, NetWare 4.11, ab Herbst verfügbar, hat ihn in der serienmäßigen Ausstattung. CEO Bob Frankenberg sieht Novells Zukunft eng mit Intranets verknüpft, die in der Netzwerktechnologie immer bedeutender werden. Seiner Schätzung nach werden die Unternehmen in den nächsten zwei bis drei Jahren rund 10 Milliarden Dollar pro Jahr für Netztechnologie ausgeben. Für Novell reklamiert er 40 Prozent davon, man darf also gespannt sein. Der derzeitige Marktanteil bei Web-Servern dürfte jedenfalls weniger aufregend sein.

Die No-Names liegen derzeit klar an der Spitze

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Befragung der US-Schwesterpublikation "Computerworld" bei 681 amerikanischen IS-Managern. Erfragt wurde, welchem Anbieter in Sachen Web-Server sie zukünftig das Vertrauen schenken würden. Ergebnis: Microsoft und Netscape dominieren eindeutig. Befremdlich an der Auskunft ist der jeweils nicht weiter aufregende aktuelle Marktanteil der beiden. Auf real existierenden Servern arbeiten mehrheitlich ganz andere Produkte. Vorn liegen demnach Erzeugnisse von Apache und NCSA, beide kostenlos, gefolgt von den "Sonstigen". Jene setzen sich aus mehr als 100 Anbietern zusammen. Zu folgern ist aus dieser nicht zwingend repräsentativen Umfrage zweierlei. 1. Die Anwender gehen von einer Konsolidierung des Marktes aus, bei der die etablierten Unternehmen das Rennen machen - Motto: da weiß man, was man hat. 2. Da die tatsächlichen Installationen von Microsoft hinter denen von Netscape liegen, die Markterwartung aber gegenteilig ausfällt, trauen die Anwender dem Software-Multi offensichtlich mehr Durchsetzungskraft zu als der Internet-Company.

Es stand zu lesen, daß man das bei Netscape anders sieht. Demnach seien solche Prognosen ein Ergebnis der ausgeprägten Fähigkeit von Microsoft, den eigenen Produkten zu großer Publizität zu verhelfen.

Es gibt noch andere. Bei all dem Getöse um Microsoft und Netscape geraten andere Anbieter leicht in den Hintergrund öffentlichen Interesses. So hat der Tool-Spezialist Quarterdeck auch einen Web-Server im Programm, nach eigener Aussage "the easiest way to ,host' a Web site". Quarterdeck positioniert ihn als preiswertes Produkt (49 Dollar), was angesichts der Preis- bzw. Schenkungspolitik der "Großen" fast schon Stil hat. Ansonsten erscheint die Positionierung stimmig. Geringe Hardware-Anforderungen und Unterstützung aller gängigen Browser machen Sinn.

IBM-Tochter Lotus konzentriert sich auf Publishing-Komponenten wie "Notes: Newsstand on the Web". Es handelt sich um einen Dienst für Notes, der diverse Bausteine der neuen Electronic Frameworks enthält. Sinn der Übung ist die Erstellung und Verwaltung von Publikationen im Internet. Angekündigt ist das Produkt "Webmaster's Apprentice", ein Tool, das aufbauend auf Notes und dem InterNotes Web Publisher die Einrichtung von sites erlaubt.

Here comes the sun

In jeder Beziehung zu den umtriebigen Playern gehört Sun Microsystems. Mit der Sprache Java hat sich der Hersteller seinen Platz in der "Hall of fame" des Internet schon lange gesichert, legt aber eifrig nach. Als komplette Internet-Lösung positioniert Sun den Netra i, einen fertig konfigurierten Server. Der nach Art des Hauses gestylte Rechner kann als Internet-Gateway für PCs, Macs und UNIX-Maschinen interner Netze fungieren und ebenso als öffentlich zugänglicher WWW-Server seinen Dienst verrichten. Laut Sun brauchen Systemverwalter für die Administrations-Tools keinerlei UNIX-Erfahrung, und beim Einschalten konfiguriert sich der Server ganz automatisch in Betriebsbereitschaft.

Zur Ausstattung des Netra i gehören HTTP-Server-Software, grafische Administrationswerkzeuge auf html-Basis, bereits konfigurierte Sicherheitsfeatures des UNIX-Derivates Solaris sowie auf Wunsch die Software Solstice FireWall-1. Jene schützt vor den Gefahren nicht-autorisierter Zugriffe. Der Witz dabei ist der Paketfilter des Programms, mit dem sich Zugriffsberechtigungen flexibel vergeben lassen. Einzelne Benutzer oder Arbeitsgruppen erhalten Zugang zu definierten Diensten wie WWW und FTP oder eben nicht. Ebenso können sensible Unternehmensbereiche von internen Langfingern geschützt werden.

Partnerprogramm aufgesetzt

Aus Sicht potentieller Partnerunternehmen in Sachen Internet-Markt ist jedoch eine andere Idee von McNealys Truppe wesentlich interessanter. Internet Associate Program nennt sich ihr Partnerkonzept. "Die Internet Associates komplementieren Suns Systemangebot und helfen kommerziellen Unternehmen bei Aufbau, Einsatz und der Verwaltung von Intranet/Internet-Konzepten", so propagiert Sun sein jüngstes Kind. Es soll Anwender mit einschlägigen Lösungen bedienen, die ihnen handfesten Nutzen aus Intranet/Internet-Anwendungen bringen.

Sun wirbt mit dem Programm um Partner, die beispielsweise rund um Internet/Intranet in den Bereichen Netzbetrieb, regionaler oder überregionaler Internet-Zugang, Web-Dienste, Standard- oder Individual-Lösungen oder Systemintegration sowie Java-Programmierung aktiv sind. Den Zugang zur Kundenbasis und den Vertriebskanälen von Sun erschließen sie sich über "gemeinsame Marketingaktivitäten". Das soll wohl bedeuten, daß Sun willens und in der Lage ist, etwas seiner Professionalität in dieser Disziplin an seine Partner abzutreten. Ansonsten gibt es natürlich Rabatte auf Hardware, Software und Schulungen.

Zusammen mit den Partnern kann Sun sein Systemangebot komplettieren und die Anwender mit Lösungen erfreuen, die Aufbau, Einsatz und Verwaltung von Intranet/Internet-Konzepte einschließen. Daraus ziehen alle beteiligten Vorteile, der Erfolg des Internet Associates Program ist programmiert. Interessierte Unternehmen können unter iap@Germany.Sun.COM weitere Infos abrufen.

Fazit

Der Markt marschiert - und keiner weiß wohin. Mit dieser Aussage liegt der geneigte Beobachter weitgehend richtig. Produkte rund ums Internet laufen und werden es weiter tun, ob Web-Server, Browser oder Sonstiges. Es geht noch ein wenig drunter und drüber, von Konsolidierung keine Spur.

Die bereits erwähnte Untersuchung der "Computerworld" ist hier ungeachtet ihrer generellen Fragwürdigkeit doch bezeichnend. Wenn zwei Unternehmen - Microsoft und Netscape - trotz ihrer vergleichsweise schmalen Marktanteil von Anwendern als die Player der Zukunft gehandelt werden, dann läßt sich das durchaus als Unsicherheit interpretieren. Wo niemand sagen kann, wohin der Zug fährt, setzt man gern Vertrautes auf den Fahrplan. Mit Microsoft kann niemand ganz verkehrt liegen, Netscape ist in manchen Bereichen zum Synonym für Internet-Produkte geworden.

Die ganz großen Umsätze fließen nicht, es geht den Herstellern (noch) darum, das eigene Fähnchen an der richtigen Stelle zu plazieren. Für das zukünftige Lösungsgeschäft erscheinen Konzepte wie das Internet Associate Program von Sun Microsystems ein vielversprechender Weg zu sein. Es geht den Markt in einer Weise an, die dem kommerziellen Anwender Lösungen anbietet und nicht einzelne Produkte. In anderen Bereichen der IT ist das schon lange selbstverständlich.

Die beiden Autoren Frank Gotta und Rolf Hoerner sind Inhaber des Redaktionsbüros Doppelpunkt in Karben.

AU Gotta, Frank

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