Schutz gegen Burnout

Wege aus der Stressfalle

06.09.2006
Von Michael Schweizer

An Zahlen, wie viele Menschen durch Arbeitsstress erkranken und was das kostet, herrscht kein Mangel. Eine Gallup-Studie kommt für 2003 in Deutschland auf einen Schaden von 250 Milliarden Euro durch innere Kündigung, Alkohol, Fluktuation, Mobbing, Psychopharmaka und Fehlzeiten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO führt 50 bis 60 Prozent der Fehlzeiten auf "stressassoziierte" Gesundheitsprobleme zurück. Solche Angaben sind nicht über jeden Zweifel erhaben, da viele Krankheiten und Leiden stressbedingt sein können, aber nicht müssen. Dass Stress krank machen kann und dadurch viel Geld verschlingt, ist jedoch sicher.

Was können Unternehmen tun?

Nicht in allen Firmen regiert der Schrecken. Otmar Fahrion, Gründer und Chef von Fahrion Engineering aus Kornwestheim, kann lange darüber reden, für welche Aufgaben sich seine vielen älteren Ingenieure besser eignen und wofür die Jungen. Arbeit, die man beherrscht, stresst weniger. Uwe May, Geschäftsführer der IT-Beratung Maihiro in Ismaning, erinnert seine Leute regelmäßig daran, ihren Urlaub zu nehmen. Bei der Schweizer Bank UBS werden auch Führungskräfte dazu gezwungen. Natalie Lotzmann, die bei SAP den Bereich Gesundheitswesen leitet, räumt ein, dass die Arbeit in einem börsennotierten IT-Unternehmen zu Erschöpfung, Burnout und psychosomatischen Beschwerden führen kann. SAP helfe den Betroffenen aber durch anonyme externe wie persönliche interne Beratung, Coaching, Workshops, eine "hoch frequentierte Mitarbeiterambulanz" und ein breites Sportangebot.

Was kann der Einzelne tun?

Zahlreiche Ratgeberbücher versprechen Hilfe auf dem Weg zur guten Work-Life-Balance. Dem Leser geht es mit ihnen und mit den Ankündigungen von Anti-Stress-Kursen bald wie Mark Twain mit den Bergen der Alpen: Kennst du einen, kennst du alle. Manche Tipps sind so offensichtlich richtig, dass sie praktisch jedem einschlägigen Autor oder Coach einfallen.

Wer sich in einer anstrengenden, aber geklärten Situation befindet, dem hilft eine verhaltenstherapeutisch grundierte Selbstpflege. Im Wesentlichen geht es darum, für wohltuende Tätigkeiten oder auch Untätigkeiten Zeiten zu reservieren und eisern zu verteidigen. Zusätzlich verhindern einfache Alltagstricks, dass zum unvermeidlichen Stress auch noch vermeidlicher kommt. Das liegt auf der Ebene: Frühstücke in Ruhe und brich so auf, dass du nicht in den Stau gerätst.

Wer hingegen seine Lage noch nicht gut genug verstanden hat, um sich solche Regeln geben zu können, sollte sich Fragen stellen wie: Was genau stresst mich eigentlich? Was liegt an mir, was an anderen? Was kann ich ändern, was kann ich umgehen, was muss ich hinnehmen? Was ist mir wichtig? Für solche Analysen hat die Medizinerin Sabine Schonert-Hirz ausgefeilte Fragebögen erarbeitet ("Meine Stressbalance", Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006, 247 Seiten, 19,90 Euro).

Hat jemand sich derlei Fragen ehrlich beantwortet, wird er vielleicht wissen, dass er, um seine Gesundheit zu retten, an seiner Arbeit mehr ändern muss, als auf den ersten Blick möglich scheint. "Dies umgreift im Ernstfall die ganze Berufs- und Lebensexistenz", schreibt Engelbert Fuchtmann. "Manch einer kommt erst nach einem ersten Herzinfarkt im Klinikbett darauf."

Karin Schmidt, Universitätsklinik Freiburg: "IT kann man nur für eine begrenzte Zeit machen."
Karin Schmidt, Universitätsklinik Freiburg: "IT kann man nur für eine begrenzte Zeit machen."

Karin Schmidt schaffte es auch so. In der Universitätsklinik Freiburg war sie bis vor zwei Jahren für SAP HR zuständig, und zwar vom Customizing bis zum Support. Das konnte Arbeit am 24., 25. und 31. Dezember bedeuten. Die heute 52-Jährige bekam das Gefühl, "dass man IT nur eine begrenzte Zeit machen kann", und wechselte intern auf eine Position, auf der sie mit Software nur als Anwenderin zu tun hat. Nebenberuflich begann sie, Menschen "in persönlichen Krisen" zu coachen.

Auch außerberufliche Träume können nicht schaden. Emil wollte für diesen Artikel so heißen, weil er, der schon in Prag, New York und Berlin über die Marathonstrecke gegangen ist, Material für ein Buch über berühmte Läufer sammelt: "Über Emil Zatopek habe ich schon zwei Ordner. Das schreibe ich, wenn sie mich hinausgeschmissen haben. Dann habe ich endlich Zeit."

Wann Sie zum Arzt sollten

Folgende Stresssymptome sollten medizinisch abgeklärt werden:

  • Bluthochdruck;

  • Schlafstörungen (länger als zwei Wochen);

  • Herzrhythmusstörungen;

  • Schwindel (länger/öfter);

  • Angstgefühle (wiederholt)

  • Niedergeschlagenheit;

  • Hörsturz;

  • Ohrgeräusche;

  • Infektionsanfälligkeit;

  • unbestimmte Schmerzen;

  • Magen- und Darmprobleme;

  • Hautprobleme und Wundheilungsstörungen;

  • Gewichtsprobleme (starke Zu- oder Abnahme).

Quelle: Sabine Schonert-Hirz, Meine Stressbalance

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