Streit um Pendelzeiten

Welche Fahrtzeiten sind Angestellten zumutbar?

27.11.2012
Wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber versetzt, so hat dieser ein berechtigtes Interesse, die Arbeitsaufgaben am neuen Ort vom gleichen Personal wahrnehmen zu lassen.
Bestimmte, gesetzlich geregelte Pendelzeiten müssen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht überschreiten.
Bestimmte, gesetzlich geregelte Pendelzeiten müssen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht überschreiten.

Aus § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III, der die Zumutbarkeit einer Beschäftigung regelt, kann kein Maßstab für die Beurteilung der Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden. Werden im Zuge einer Verwaltungsreform Arbeitsaufgaben verlagert, besteht regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, diese Aufgaben am neuen Arbeitsort weiter von dem dafür qualifizierten und eingearbeiteten Personal wahrnehmen zu lassen.

Bedeutung für die Praxis

Die Klägerin arbeitet seit 1993 als vollzeitbeschäftigte Angestellte für das Landesjugendamt in einer Zweigstelle in D. Die Zweigstelle wurde nach einer Verwaltungsreform aufgelöst, die Klägerin wurde daraufhin nach C versetzt. Der einfache Arbeitsweg von der Wohnung der Klägerin in D bis zur Arbeitsstelle in C nimmt bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Schnitt zwei Stunden in Anspruch. Die Klägerin wehrt sich nun gegen die Versetzung.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 17.08.2011, 10 AZR 202/10) hob das Urteil des LAG auf, das der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben hatte, und verwies es zurück. Die Parteien hätten den Arbeitsort in D weder vertraglich festgelegt, noch habe sich der Arbeitsort nach der 15-jährigen Tätigkeit auf D konkretisiert. Die Zuweisung des Arbeitsorts C könne zunächst billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB entsprechen, soweit eine umfassende Interessenabwägung ergebe, dass das Interesse des Arbeitgebers überwiege. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bestehe, wenn im Zuge einer Verwaltungsreform Aufgaben verlagert werden, diese Aufgaben am neuen Arbeitsort weiter von dem dafür qualifizierten und eingearbeiteten Personal wahrnehmen zu lassen.

Soweit das Landesarbeitsgericht wegen der Überschreitung der in § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III (in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung) festgelegten Grenzen für zumutbare Pendelzeiten die Versetzung für ermessensfehlerhaft erachtet habe, habe es den Regelungsgehalt der Norm verkannt. § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III bestimmten lediglich das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitslosen und der Arbeitsverwaltung. (oe)

Christoph J. Burgmer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator. Christian H. Fischer ist Rechtsanwalt.
Internet: www.burgmer.com

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