Welche Lösung für welchen Einsatzbereich?

21.06.2001
Innerhalb kurzer Zeit haben Web-Editoren den Weg vom Hilfswerkzeug zur komplexen Anwendung hinter sich gebracht. Die Tools erlauben nun einen effektiveren Aufbau und die leichtere Verwaltung von professionellen Websites. Bei Ausstattung und Arbeitsweise existieren jedoch einige Unterschiede, die Sven Linge* erläutert.

Die Zeiten, in denen Web-Seiten mühsam per Hand in HTML kodiert wurden, sind endgültig vorbei. Eine ganze Reihe komfortabler Web-Editoren hilft heute sowohl dem Profi als auch dem Gelegenheitsdesigner beim Aufbau der eigenen Homepage. Von der günstigen Shareware bis zur teuren Entwicklungsumgebung - ein breites Sortiment buhlt um die Gunst der Anwender. An der Spitze der Beliebtheitsskala stehen vier Produkte: Adobes "Go Live", Macromedias "Dreamweaver", Microsofts "Frontpage" und Net Objects’ "Fusion". Sie alle erfüllen die Grundfunktionen der Web-Seiten-Programmierung Daher ist es müßig, darauf einzugehen, wie Links gesetzt und Grafiken eingebunden werden.

Design oder Struktur?

Das aktuelle Angebot an Web-Editoren lässt sich grundsätzlich in zwei Gruppen einordnen. Die erste Fraktion zeichnet sich durch ihre Herkunft aus dem Bereich Design aus. Deren Vertreter eignen sich vor allem für den Aufbau grafisch orientierter Sites. Dazu gehören namentlich Macromedias Dream-weaver und Adobes Go Live. In der anderen Gruppe liegt die Priorität auf einer möglichst hohen Strukturierung, die eine schnelle und einfache Entwicklung von umfangreichen Web-Inhalten ermöglicht. Zu den bekanntesten Softwarepaketen aus diesem Bereich zählen Fusion von Net Objects und Microsofts Frontpage.

Macromedias Version 4.0 von Dreamweaver ist der bevorzugte Editor für Grafiker, da sich mit diesem Tool auch anspruchsvolle Designvorgaben umsetzen lassen. Echten Nutzen erhalten aber nur die Anwender, die tatsächlich aus dem grafischen Fach kommen oder zumindest einschlägige Kurse besucht haben. Für hochwertige Entwürfe kann der Editor nämlich nur die Rolle eines Werkzeugs spielen. Der kreative Vorgang erfolgt immer noch im Kopf und die primäre Umsetzung zunächst in Photoshop und Fireworks, bevor das Ganze dann ins Web gestellt wird.

Mit Styles wird’s einfacher

Einer der großen Vorzüge Net Objects MX-Version von Fusion besteht in der Möglichkeit, aber auch in dem damit verbundenen Zwang, sehr strukturiert arbeiten zu müssen. Websites sollen danach ein möglichst durchgängiges Design in Aufbau, Farbgebung, Grafik und Schrifttypen aufweisen. Fusion unterstützt dies durch sein Style-Konzept. Styles sind vordefinierte Elemente, bestehend aus Bannern, verschiedenen Navigationsleisten, Hintergründen und Schrifttypen. Der Hersteller bietet mehr als 200 unterschiedliche Module für alle möglichen Anwendungszwecke. Weitere Styles stehen zum kostenlosen Download bereit. All die Vorlagen kann der Entwickler jeweils individuell anpassen.

Frontpage 2000 von Microsoft ist als Einzelprodukt erhältlich, gleich- zeitig aber auch als Bestandteil der Premium-Edition der Office-Suite. Insofern wächst die Verbreitung dieses Editors im Unternehmen. Frontpage arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip wie Fusion, unterstützt also Layoutvorlagen und bietet Assistenten zur Generierung von Standard-Web-Strukturen - etwa für einen typischen Business-Auftritt im Web.

Go Live 5.0 von Adobe erinnert in seiner Bedienung an das legendäre Betriebssystem Nextstep, das nun unter den Fittichen von Apple ein Schattendasein fristet. Go Live kontrolliert die unterschiedlichen Elemente einer Website über so genannte Eigenschaftsfenster, die hier Inspektoren heißen. Vorbildlich sind Adobe die Integration des Drag-and-Drop-Designs, die Kontrolle des Quelltextes und die Seitenvorschaufunktion gelungen.

Wie der Dreamweaver empfiehlt sich Go Live vor allem für professionelle Web-Grafiker. Da diese ihre Vorlagen bevorzugt in Photoshop erstellen, hat der Hersteller auf eigene Vorlagen und Assistenten weit gehend verzichtet. In der aktuellen Version 5.0 sind die Möglichkeiten der Website-Verwaltung gegenüber Go Live 4.0 erheblich erweitert worden.

Datenbank ist Pflicht

Professionelle Web-Auftritte bestehen aus einer Vielzahl von Elementen. Nur wenn diese strukturiert auf dem Server abgelegt sind, können sie später effektiv gepflegt und kostengünstig aktualisiert werden. Denn fast jeder Web-Auftritt kennt einen Bereich "Aktuelles" für regelmäßig erneuerte Mitteilungen. Zu ihrer Pflege reicht im Prinzip eine einfache Datenbankschnittstelle, über die per Browser in entsprechende Felder - etwa Überschrift, Vorspann, Lauftext, Veröffentlichungs- und Verfallsdatum - die gewünschten Daten eingegeben werden können. Der Server holt sich dann immer die neuesten Blöcke ab und gibt sie in einer formatierten HTML-Schablone wieder.

Um solche und ähnliche Web-Bereiche in einer Datenbank abzulegen, sind keine mächtigen Content-Management-Lösungen notwendig. Die am Markt verbreiteten Web-Server bieten hier schon einiges. So lassen sich etwa unter Microsofts Information-Server-Access und SQL-Datenbanken über die Scriptsprache Active Server Pages komfortabel ansprechen. Für den Apache-Server steht jede Menge Da- tenbankschnittstellen als Perl- oder PHP-Module im Internet zur Verfügung.

Problematisch ist dabei nur, solche Schnittstellen möglichst ohne Programmierkenntnisse gleich in der Produktionsphase mit dem Web-Editor zu verbinden. Eigentlich sollte dies ein Standardmerkmal aller kommerziellen Web-Editoren sein, doch die Hersteller gehen mit dieser Anforderung recht unterschiedlich um. Frontpage unterstützt zwar die hauseigenen Active Server Pages, die Einbindung ei-ner Datenbankschnittstelle unter Frontpage 2000 setzt aber voraus, dass sich der Web-Designer intensiv mit den Unterstrukturen der Menüauswahl und der Dokumentation befasst hat. Der Redmonder Softwareriese geht davon aus, dass Programmierer von Datenbankanbindungen die Web-Entwicklungsumgebung Visual Interdev zu verwenden haben.

Völlig außen vor bleibt die Datenbankunterstützung bei Macromedia. Zwar können mit dem Dream-weaver alle möglichen Plug-Ins komfortabel eingebunden werden, aber eben keine Datenbankschnittstelle. Dafür bietet der Hersteller Drumbeat beziehungsweise dessen Nachfolgeprodukt Dreamweaver Ultradev an - damit können erfahrenere Web-Administratoren eine Datenbankanbindung über Actice oder Java Server Pages (ASP, JSP) beziehungsweise mit Hilfe von Cold-Fusion-Applikationen realisieren.

Wechsel kann sich lohnen

Adobe und Net Objects bieten für den gleichen Zweck kostenlose Erweiterungen. Fusion stellt beispielsweise so genannte Components zur Verfügung, die per Drag- and-Drop an eine beliebige Stelle der Seite gezogen werden. Alle Parameter wie Datenbank- und Feldnamen werden im Eigenschaftsfens- ter übergeben. Daraus erstellt das Programm dann ein Script beziehungsweise ein Java-Applet, das die gewünschten Zugriffe ausführt - Programmierkenntnisse sind nicht erforderlich. Ganz ähnlich arbeiten übrigens die Dynamic Links für ASP in Adobes Go Live.

Der Nutzer eines bestimmten Web-Editors wird diese Anwendung kaum gegen eine andere austauschen. Hierbei zeigt er ähnliche Resistenz wie bei Office-Programmen. Er ist nun mal mit der Bedienung vertraut und hat sich meis-tens ein Sortiment an eigenen Vorlagen erstellt.

Trotzdem kann sich ein Wechsel lohnen, wenn ein neues Projekt ansteht. In der Beliebtheitsskala bei Web-Designern kristallisieren sich derzeit zwei Favoriten heraus: Macromedias Dreamweaver für Sites, in denen das grafische Outfit im Vordergrund steht, und Net Objects Fusion für die Entwicklung gut strukturierter, inhaltsorientierter Web-Auftritte.

Der Einsatz eines Web-Editors empfiehlt sich in jedem Fall. Allein wegen der mühseligen Variantenpflege für die diversen Browsertypen rentiert sich diese Investition: Moderne Web-Editoren erledigen die Anpassung an den Internet Explorer oder Netscape Navigator quasi auf Knopfdruck.

www.adobe.com/golive

www.macromedia.com/dreamweaver

www.microsoft.com/frontpage

www.netobjects.com/products/html

*Sven Linge ist Fachjournalist in München.

Adobe, Macromedia, Microsoft und Net Objects

Wer macht das Rennen?

Adobe Go Live 5.0

Eignet sich gut zur Erstellung neuer Web-Designs, leidet aber in der aktuellen Version 5.0 darunter, dass nur wenige Vorlagen und Assis-tenten beigegeben sind. Bietet eine sehr gute Funktionalität in der Darstellung von Designkomponenten, von HTML-Quelltext und in der Seitenvorschau.

Macromedia Dreamweaver 4.0

Erste Wahl für professionelle Grafiker mit entsprechenden Vorkenntnissen. Grafiken und dynamische Elemente können äußerst genau bearbeitet und dargestellt werden - vorausgesetzt, dass entsprechend gute grafische Inhalte zur Verfügung stehen.

Microsoft Frontpage 2000

Von der Produktphilosophie her der direkte Wettbewerber von Fusion. Erwartungsgemäß gibt es hier eine gute Integration mit anderen Microsoft-Produkten. Für den Aufbau von Standard-Web-Seiten reicht das Werkzeug allemal.

Net Objects Fusion MX

Der beste Allrounder unter Web-Editoren. Semiprofis bietet es Funktionen zum schnellen und sauberen Design von Websites. Ohne wesentliche Vorkenntnisse können ansprechende Webpages erstellt werden. Aber auch der Profi kommt nicht zu kurz: Eine effiziente Produktion von Webinhalten ist möglich.

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