Weltuntergang oder ganz normaler Marktverlauf?

14.06.2001

Die USA - Land der unbegrenzten Möglichkeiten - sind im Bereich der PC-Branche zum ersten Mal in ihrer Geschichte an ihre Grenzen gestoßen. So etwas kann ganz schön schmerzen. In diesem Jahr erwarten die Analysten für den amerikanischen PC-Markt erstmals ein so genanntes Minuswachstum von 6,3 Prozent. IDC spricht von einem historischen Tief. Passend zu dieser Moll-Stimmung unkt man in den Chefetagen der PC-Hersteller und bei den US-Marktforschern auch von niedrigeren Wachstumsraten in Asien, Südamerika, Europa und eigentlich überhaupt in der ganzen Welt. (Mehr dazu auf Seite 14.) Die einen suhlen sich nun in Weltuntergangsstimmung; die anderen, wie etwa Dell und Gateway, aber auch HP und Compaq, versuchen sich durch Preisnachlässe an den Marktanteilen der deprimierten Konkurrenten zu bedienen.

Bevor sich nun aber auch der deutsche PC-Markt vollends in Selbstmitleid auflöst und den globalen Weltuntergang ausruft, sollte man wohl erst einmal genau überlegen, was hier passiert und was den deutschen Markt tatsächlich betrifft. Nach der erwartungsgemäß eingetretenen Nachfrage-Flaute im Sog des Jahr-2000-Hypes versuchte sich die Branche durch Zweckoptimismus ("Es kann nur wieder besser werden!") von einem Quartal zum nächsten zu retten. Aber es geschah nichts.

Wirklich nichts? Die vorhergesagten beziehungsweise heiß ersehnten zweistelligen Wachstumsraten konnten nicht erreicht werden, das stimmt. Aber was bedeutet das genau? Es wurden nicht nur genauso viele Rechner wie im Vorjahr in den Markt gedrückt, nein, es waren sogar mehr, mindestens 2,2 Prozent allein in Europa. Für dieses Jahr soll das Wachstum statt der von Gartner erst kürzlich vorausgesagten 13 Prozent "nur" bei sechs bis acht Prozent liegen. Aber hallo! Selbst wenn dieses zurückhaltend prognostizierte Plus am Jahresende in der Realität auch noch gen null tendieren sollte, heißt das nur, dass die Branche es geschafft hat, den Vorjahreserfolg zu wiederholen. Das ist bei der aktuellen Sättigungsrate von etwa 44 Prozent ja auch ein Erfolg.

Es muss den deutschen PC-Herstellern und -Händlern auf jeden Fall herzlich egal sein, was sich am US-Markt tut, denn er hat keinen Einfluss auf den hiesigen Markt. Die amerikanischen Probleme sind nämlich hausgemacht. Dort herrscht gerade eine Rezession, die den Privatkunden in seiner Kaufentscheidung beeinflusst. Wohlgemerkt in den USA. Zugegeben, auch in Deutschland wurde kürzlich die Prognose für das diesjährige Wachstum des Bruttosozialproduktes von 2,2 Prozent auf 1,3 Prozent revidiert, aber das bedeutet keine Wirtschaftskrise, sondern immer noch ein Wachstum! Es ist nun mal eine unbestreitbare Tatsache, dass sich Märkte zyklisch entwickeln. Das heißt: Nach einer Phase hoher Wachstumsraten folgt eine mit niedrigeren. Für den PC-Markt gilt das gleiche. Das heißt aber nicht, dass alle Beteiligten - Händler, Distis wie Hersteller - sich in Selbstmitleid suhlend zurückziehen sollten, sondern sich vielmehr antizyklisch (nach dem Motto: "Jetzt erst recht!") um die Kunden kümmern müssen. Denn eines ist sicher: Wenn SIE dem Kunden keinen Kaufanreiz bieten, Ihr Konkurrent wird es tun.

Ulrike Goreßen

ugoressen@computerpartner.de

Zur Startseite