Weltweiter Workstationmarkt schrumpft weiter - Kampf der Plattformen

16.08.2001
Für die gesamte IT-Branche war das zweite Quartal 2001 sehr ernüchternd. Viele Segmente verloren deutlich im Jahresvergleich und selbst boomende Märkte wie der Mobil-Sektor konnten nur relativ kleine Zuwächse erreichen. Die allgemeine Kaufunlust macht auch vor dem Workstationmarkt nicht Halt. So sanken die weltweiten Verkäufe wieder einmal spürbar.

Zum dritten Mal in Folge muss der weltweite Workstationmarkt Federn lassen. Laut den vorläufigen Zahlen von Dataquest sanken die weltweiten Verkäufe von Workstations im zweiten Quartal 2001 um drastische 15 Prozent.

Die Analysten sehen bei diesem ständigen Rückgang nicht nur in der schwachen US-Wirtschaft die Ursache. Laut Pia Rieppo, leitende Dataquest-Analystin, sind vielmehr die schon unnatürlich hohen Zuwachsraten der vergangenen Jahre Schuld, besonders im Einsteigersegment. Es gäbe nun einmal keine endlose Nachfrage nach Workstations. Dieser Ansicht ist auch Eric Bull, Product-Manager Workstations bei Compaq Deutschland. "Die Leistungsfähigkeit von ,Office-PCs# steigt immer weiter, so dass sich viele Kunden im Einstiegsbereich für einen PC statt einer Workstation entscheiden", bestätigt er, relativiert aber im gleichen Atemzug diese Behauptung: "Andererseits erfordern aktuelle WS-Applikationen immer höhere Leistungen, so dass hier eine Verschiebung hin zu höher wertigen Workstations, also Midrange bis Highend stattfindet."

Im Lowend-Segment zählt für viele Kunden in erster Linie wohl der Preis. So konnte als einziger der Top-Fünf-Anbieter Dell einen zweistelligen Zuwachs erreichen und hält damit weltweit die Spitzenposition. Dieser Gewinn ist aber nur relativ, da dieses Plus nur knapp die Hälfte der gewohnten Zuwachsraten der letzten Quartale ausmacht. Auch IBM schaffte immerhin ein hauchdünnes Plus von 0,4 Prozent. Big Blue hatte die Talfahrt im Workstationmarkt schon frühzeitig erkannt. Ab dem dritten Quartal verlieren die Workstations ihren eigenständigen Status und werden der Enterprise Server Division zugeordnet. Laut Matthias Kaelberer, Intellistation Product-Manager Central Region bei IBM, ist das keinesfalls eine Gegenmaßnahme sondern "eine sinnvolle organisatorische Strukturveränderung, da die Verwandschaft zwischen Intellistations und den X-Series-Servern sehr eng ist". Beide Linien hätten auf weltweiter Ebene dieselbe Entwicklungsabteilung und nun würden eben auch Sales und Marketing zusammengefasst.

Massive Verluste oder satte Gewinne?

Laut Gartner Dataquest verloren alle anderen Top-Anbieter zum Teil recht dramatisch. Zweitplatzierter Sun Microsystems büßte 17,2 Prozent, Compaq 27,3 Prozent und Hewlett-Packard sogar 42,3 Prozent ein.

Manfred Wilhelm, in Deutschland für Workstations zuständig, gibt einen spürbaren Rückgang im Markt zu, aber keinesfalls in dieser Größenordnung, diese Zahlen sind seiner Ansicht nach unrealistisch.

Auch wenn im zweiten Quartal die HP-Stückzahlen fast halbiert wurden, wird das Unternehmen in Zukunft laut Rieppo als Einziges von der Einführung der Itanium-basierten Workstations profitieren, da HP diese Architektur entwickelt hat und demnach in naher Zukunft die meisten Zuschläge erhalten wird.

Diese Meinung wird nicht von allen Herstellern geteilt. Anbieter von etablierten Systemen wie Sun Microsystems, Compaq oder IBM sehen sehr wohl in der Itanium-Architektur eine interessante Entwicklung im Highend-Bereich. Solange aber keine entsprechenden Applikationen in ausrei-chender Anzahl zur Verfügung stünden, sei sie mittelfristig keine ernsthafte Konkurrenz zu ihren Systemen. Selbst HP verspricht sich erst in zwei bis drei Jahren ernsthafte Erfolge mit den Itaniumprodukten. Jeder der Mitbewerber konnte zudem nach eigenen Angaben in seinem jeweiligen "Spezialsegment" erfreuliche Zuwachsraten erreichen. Sun etwa ist und bleibt unangefochtener Spitzenreiter im Unix-Markt weltweit und konnte im ebenfalls schrumpfenden deutschen Markt die Führerschaft mit einem Plus von vier Prozenten sogar noch ausbauen. Das lag nach Angaben von Michael Schroeder, Leiter Produktmarketing bei Sun, auch an den sehr preisaggressiven Angeboten im Einsteigersegment.

Im Intel-WS-Segment erzielte Compaq in Deutschland ein Plus von 21,3 Prozent und steigerte seinen Marktanteil um 4,6 Prozent auf 26 Prozent. IBM ist mit dem "soliden zweistelligen Wachstum im Bereich Windows 2000/NT-Workstations" in den ersten beiden Quartalen 2001 ebenfalls sehr zufrieden und erwartet für das dritte und vierte Quartal sogar eine stärkere Nachfrage und damit auch wieder ein Anziehen des Marktes, speziell in den Bereichen CAD/CAE, DCC und Finance.

www.dataquest.com

ComputerPartner-Meinung:

Auch wenn Dataquest bei diesen Quartalszahlen alle Workstation-gruppen über einen groben Kamm scherte und dabei teilweise Äpfel mit Birnen verglich, bleibt eine Tatsache bestehen: Der gesamte Workstationmarkt hat den Zenit in Sachen Wachstum überschritten. Die Hersteller müssen ihr Produktangebot noch feiner als bisher auf den Kundenwunsch abstimmen, sonst haben die Handelspartner neben PCs auch verstärkt Workstations in den Regalen liegen. (go)

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