Weniger ist manchmal mehr

29.03.2001
Der wohl erfolgreichste Chipsatz von Intel ist der BX 440. Dieser Chipsatz arbeitet in Millionen von Rechnern. Doch langsam ist seine Zeit abgelaufen. Sein Nachfolger Solano weist zwar bessere Fähigkeiten auf, doch niemand wollte ihn zunächst so richtig haben. Jetzt sind die ersten Mainboards mit dem Nachfolger des Solano, dem 815EP-Chipsatz, auf dem Markt. Und dessen Verkaufschancen stehen nicht schlecht.

Nach dem BX-440-Chipsatz wollte Intel eine All-in-One-Lösung präsentieren. Der designierte Nachfolger, der 815er, besaß gleich eine Grafik-on-Board. Damit versuchte Intel, seinen i740-Grafikchipsatz, der nicht so richtig vom Markt angenommen wurde, doch noch unter die Leute zu bringen. Also tat man den BX 440 und den i740 in einen Kessel, rührte kräftig um, und heraus kam der 815er. Der neue Chipsatz unterstützte erstmals auch einen Front-side-Bus von 100 MHz. An einen FSB von 133 MHz wollte Intel nicht so recht glauben, denn der Chip-Gigant setzte damals noch voll auf Rambus. Der 815 wurde als Zwischenlösung für den Office-PC propagiert. Hier macht eine integrierte Grafiklösung ja auch Sinn. Doch in Deutschland lief der Verkauf eher schleppend. Denn im Consumer-Markt, wo Spiele den Verkauf ankurbeln, wurde ein solcher PC nicht gewünscht. Zwar wies der Chipsatz schon große Verbesserungen gegenüber dem BX 440 auf, zum Beispiel unterstützte er jetzt auch Festplatten mit UDMA 66, aber die integrierte Grafik machte ihn zum Ladenhüter. Die Grafikkarte auf dem Board ließ sich zwar abschalten, aber nur per Software. Und das brachte Probleme bei einigen schnellen 3D-Grafikkarten. Das war der Todesstoß für diesen Chipsatz.

Andere Hersteller wie beispielsweise VIA brachten eigene Kreationen von Chipsätzen heraus, die AMD den Markt ebneten. Intel verlor Kunden an AMD. Und dieser Trend hält zur Zeit immer noch an. Im Endkundenmarkt setzen inzwischen schon mehr als 90 Prozent aller Anwender auf den ewigen Zweiten im Prozessorgeschäft. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass Intel unheimlich viel Geld verdienen könnte, wenn es Chipsätze für AMD-Prozessoren bauen würde.

Der 815EP

Zu sehr war die Führungsebene mit dem Pentium 4 und mit Rambus beschäftigt. Doch als nach vielen Fehlschlägen endlich der Pentium 4 auf den Markt kam, wollte auch diesen Prozessor niemand so recht haben. "Zu teuer und nur für Rambus zu gebrauchen", lautete die einhellige Meinung des Marktes. Der Endkundenmarkt ist im Moment praktisch in der Hand von AMD. Da Intel aber die Weiterentwicklung eines Chipsatzes für SDRAM praktisch verschlafen hat, musste schnell etwas Neues her. Nun zieht Intel mit dem 815EP einen quasi alten, neuen Chipsatz aus dem Hut.

Im Prinzip handelt es sich beim 815EP um einen abgespeckten 815er-Chipsatz. Er bietet alle Funktionen des 815, verzichtet jedoch auf den Grafikchip. Der Speicherausbau ist wie beim 815 auf 512 MB limitiert. Im Gegensatz zum alten Chipsatz unterstützt der neue jetzt auch einen Frontside-Bus von 133 MHz, und das IDE-Interface erlaubt nun einen Datentransfer nach UDMA-100-Spezifikationen.

Neue Features

Ein gutes Motherboard allein anzubieten reicht heute nicht mehr aus, denn Mainboards gibt es wie Sand am Meer. Um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden, integrieren die Hersteller neue Funktionen. Dass inzwischen das Übertakten von Prozessoren ein neues Spiel geworden ist, haben die Hersteller auch erkannt. Deshalb statten sie das Bios auf dem Board mit immer mehr Fähigkeiten aus. Zum Beispiel lassen sich bei den neuen Epox-Boards die Spannung für den Prozessorkern und die I/O-Bausteine getrennt per Software ändern. Ebenfalls sind die Taktfrequenzen für den Frontside-Bus und auch der Multiplikator für den Prozessor im Bios frei wählbar. Dass Übertakten die Rechenleis-tung nur um wenige Prozentpunkte steigert, interessiert Tuningbegeisterte Anwender nicht: Hauptsache, ihre CPU läuft um einige MHz schneller.

Dafür ist die Gefahr einer Überhitzung aber gewaltig gestiegen. Vielleicht aus diesem Grund statten immer mehr Hersteller die Boards mit einer Post-Anzeige aus. Diese Anzeige gibt im Fehlerfall beim Start des PCs auf zwei Sieben-Segment-Displays den entsprechenden Fehlercode im Hexadezimalsystem aus. Dieser Code ist von Bios zu Bios unterschiedlich, wird aber in guten Handbüchern aufgelistet. Ein Blick ins Handbuch genügt nun, und der versierte Tuning-Spezialist kann sofort erkennen, wo der Fehler liegt. Die Sache hat nur einen Haken: Man kann den PC perfekt tunen, ohne ihn aufschrauben zu müssen, weil sich alle Einstellungen per Bios vornehmen lassen. Sind die beiden Displays aber auf dem Motherboard, lässt sich der Fehlercode nicht ablesen. Also muss man wieder zum Schraubenzieher greifen. Epox hat dieses Problem erkannt und stellt nun mit dem Board EP 3SPA3 eine Lösung vor. Das Board gibt alle Fehlercodes verbal durch den internen PC-Lautsprecher bekannt.

ComputerPartner Meinung:

Intel hat die Zeichen der Zeit erkannt und bringt mit dem 815EP einen Chipsatz auf den Markt, den die Anwender wollen - ob es Intel passt oder nicht. Intel hat wohl festgestellt, dass die Endkunden nicht alles mit sich machen lassen. Früher konnte der Chip-Gigant produzieren, was er wollte, der Markterfolg war ihm sicher. Nun hat sich erstmals der Kunde durchgesetzt, und wenn nicht noch mehr Anteile an AMD verloren gehen sollen, sollte Intel mit Augen und Ohren näher am Markt bleiben. (jh)

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