Tipps für Marketiers

Wenn Big-Data-Analysen nicht weiter helfen

Christian Häfele ist CXM-Experte bei der Digitalagentur Arithnea
Nach dem Hype um Big Data herrscht in vielen Marketing-Abteilungen Ernüchterung. Analytics-Daten zeigen zwar meist sehr gut, wo es Probleme gibt – aber die Suche nach der Ursache bleibt oft ein Ratespiel. Mit Experience Data gehen Unternehmen einen Schritt weiter.
Nach dem Hype um Big Data herrscht in vielen Marketing-Abteilungen Ernüchterung.
Nach dem Hype um Big Data herrscht in vielen Marketing-Abteilungen Ernüchterung.
Foto: Dean Drobot - shutterstock.com

Das Marketing-Team der Viceroy-Hotels stand vor einem Rätsel: Auf der Webseite waren die Nutzerzahlen für Menschen aus der näheren Umgebung stark angestiegen. Besonders im Vergleich zu den Zugriffen von auswärts, die nicht gestiegen waren.

Doch in den realen Besucherzahlen im Hotel spiegelte sich das nicht wider - das Verhältnis lokaler Besucher zu auswärtigen Gästen blieb stabil. Das Team hatte das ganze Arsenal üblicher Analytics-Daten beisammen - und konnte trotzdem nicht erkennen, was die lokalen Besucher vom Abschluss abhielt oder was sie sonst auf der Webseite suchten. Um die Lösung zu finden, mussten sie zunächst mal "Big Data" in "Useful Data" verwandeln.

Wieso Big Data noch nicht bringt, was es versprach

"Big Data ist die Währung der Zukunft" - noch vor wenigen Jahren war das das Mantra der Marketing-Branche. Inzwischen sind viele Experten ernüchtert. Denn die Daten haben zwar die Problemfindung entlang der Customer Journey vereinfacht - aber nicht die Suche nach den Ursachen. Meist können Marketer keine konkreten Maßnahmen ableiten, um ein Problem zu beheben.

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Der Grund dafür? Die Daten, die Unternehmen sammeln, gehören zum Typ der operativen Daten; also quantitative Daten zu Aktionen entlang des Kaufprozesses: Klicks, Bounce-Rates, Shares, E-Mail-Öffnungsraten, Auslieferzeiten oder Retour-Quoten. Diese Daten erzählen zwar, was passiert - aber nicht, wieso es passiert.

Experten können mit den verfügbaren Daten die Kundenzufriedenheit nicht verbessern

86 Prozent aller Marketing-Experten geben an, dass sie diese operativen Daten sammeln. Aber ebenso 86 Prozent sagen, dass sie ihnen nicht ausreichen, um die Customer Experience zu verbessern. Denn dafür müssten sie die Ursache eines Problems kennen: Was die lokalen Besucher auf den Seiten der Hotels wollten? Wahrscheinlich recherchierten sie nur eine Unterkunft für ihre Gäste von auswärts. Wieso ihre Nutzerzahlen stiegen? Vielleicht wegen eines Preises, den das Hotel gewonnen hatte?

Der Unterschied zwischen "Was ist das Problem?" und "Wieso gibt es das Problem?"

Operative Daten beantworten vor allem die Frage nach dem "Was?". Was passiert an unseren Touchpoints? Was machen Kunden, was machen sie nicht? Wo brechen sie ihre Journey ab? Um Verbesserungen abzuleiten, müssen Unternehmen das "Wieso?" beantworten: Wieso verhalten sich die Kunden auf eine bestimmte Art? Wieso sind sie zufrieden oder nicht?

Das Viceroy-Hotel-Team machte genau das: Auf ihrer Webseite platzierten sie eine Echtzeit-Befragung für Besucher aus der Umgebung. Die Auswertung der Daten zeigte: Die meisten lokalen Besucher suchten nicht nach Hotelzimmern, sondern nach dem Mittagsmenü. Das Team sorgte umgehend dafür, dass Besucher mit einer lokalen IP-Adresse auf der Webseite schnell zum Mittagsmenü gelangen - während für Auswärtige weiterhin die Hotelzimmer im Vordergrund stehen. Das Ergebnis: ein deutliches Plus an lokalen Hotelbesuchern zur Mittagszeit.

Von Operational Data zu Experience Data

Kunden-Feedback einzuholen ist nichts Neues - die meisten Unternehmen fragen auf irgendeine Weise die Zufriedenheit ihrer Kunden ab. Der Punkt: Nur wenige machen aus diesem Feedback quantitative Daten. Kunden-Feedback gilt als der qualitative Teil der Analyse, der Entscheidern ein "Gefühl" für den Kunden gibt. Doch die meisten holen es nur stichprobenartig ein und nur zu ganz bestimmten Anlässen, zum Beispiel wenn Kunden etwas zurückgeben wollen oder sich beschweren.

Das ist erstens nicht repräsentativ für alle Kunden: Denn nur vier Prozent aller unzufriedenen Kunden beschweren sich, der Rest bleibt einfach weg. Zweitens zielt es nur auf einen einzelnen Punkt der gesamten Customer Journey. Wenn ein Hotel Feedback von allen seinen Gästen sammelt, dann sagt es ihnen nichts darüber, wieso Website-Besucher nicht zu Gästen werden. Dazu kommt: Wer richtig viel Feedback sammelt, etwa durch Kundenbewertungen auf Amazon, kann oft nicht alle Rückmeldungen aufnehmen und verarbeiten.

Wie aus Kunden-Feedback Daten werden

Es sei denn, man verwandelt auch individuelles Feedback in quantitative Daten. Dafür gibt es heute Tools wie die Customer Experience Management Plattform Qualtrics von SAP. Damit können Unternehmen systematisch Feedback entlang der gesamten Customer-Journey holen und es quantifizieren. Automatisierte Textanalyse interpretiert Kundefeedbacks, unterscheidet sie in positive und negative Aussagen und ordnet sie bestimmten Kategorien zu - zum Beispiel "Produktqualität zu niedrig", "Lieferzeit zu lang", "Service unfreundlich" oder "Retour-Prozess aufwendig". So werden aus persönlichen Kunden-Feedbacks auswertbare Daten: Experience Data. So wie operative Daten eine objektive Antwort auf das "Was?" geben, gibt Experience Data eine objektive Antwort auf das "Wieso?".

Das Ziel: Verknüpfung von Operational Data und Experience Data

Unternehmen sollten an den kritischen Punkten der Customer Journey beide Datentypen erheben. Die operativen Daten verraten, wenn es irgendwo im Prozess hakt. Etwa, dass eine bestimmte Gruppe von Webseiten-Besuchern nicht zu Hotel-Besuchern werden. Wer dann auch Experience Data für den entsprechenden Vorgang zur Hand hat, kann die Ursache hinter dem Problem ergründen und Maßnahmen ableiten. So wie die Viceroy-Hotels durch ihr Live-Feedback auf der Webseite. Dieses Zusammenspiel ist der Kern eines erfolgreichen Customer Experience Management - was letztlich nichts anderes heißt, als die Zufriedenheit des Kunden in den Mittelpunkt zu stellen.

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