Wenn die Augen größer sind als der Magen

13.03.2003

"Ist der Mann naiv, mutig oder einfach irre?" Diese Frage stellten wir vor sieben Monaten an dieser Stelle und meinten damit Michael Märtens, der den maroden PC-Filialisten Comtech vor dem Aus rettete (siehe ComputerPartner 31/02, Seite 17). Die Frage, welcher Teufel Märtens damals geritten hat, stellt sich heute mehr denn je. Denn Comtech ist in größten Schwierigkeiten (lesen Sie hierzu unseren Beitrag auf Seite 10).

Aber er schweigt: Michael Märtens, der Mann, der vor einem guten halben Jahr angetreten war, das Unternehmen zu retten und zu neuem Glanz zu führen. Ein schöner Traum, aber wohl nur ein Traum. Märtens hatte damals ein Geheimnis darum gemacht, woher er das viele Geld erhalten habe, das für die Fortführung und Sanierung von Comtech erforderlich war. Heute stellt sich die Frage, ob überhaupt Geld vorhanden war. Denn bereits im September, also nur einen Monat nach der Firmenübernahme, soll es erste Probleme mit den Gehaltszahlungen gegeben haben.

Also noch einmal die Frage: Ist Märtens naiv, mutig oder einfach irre? Wahrscheinlich von allem etwas. Und vermutlich kommt noch etwas hinzu: Märtens, zuvor Chef einer unbekannten Firma mit 25 Angestellten, wollte auch mal in die Schlagzeilen, berühmt werden oder zumindest bekannt. Vielleicht hatte er sich ein Vorbild genommen an Jürgen Rakow, dem Unternehmer aus Berlin, der bei der Mutter aller PC-Shops, Vobis, das Kommando übernommen hatte und der heute als einer der wichtigsten Männer im deutschen IT-Handel gilt.

Insofern erinnert Märtens ein wenig an einen anderen Geschäftsmann, der hoch hinaus will und immer wieder wegen Geldgeschichten in die Schlagzeilen gerät, allerdings in die Schlagzeilen auf den Sportseiten. Gemeint ist Herbert Dahms, der Boutiquenbesitzer aus Essen, der den Radsport so liebt und vor allem dadurch bekannt wurde, dass er den Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich für sein Team "Coast" verpflichtet hat. Auch bei ihm, Dahms, fragen sich die Kenner, wie er, dessen Ladenkette einen Umsatz von 50 Millionen Euro macht, sich ein Team von Spitzenfahrern leisten kann, das ihn jedes Jahr sieben bis acht Millionen Euro kostet. Gerade jetzt hat der Weltverband UCI das "Coast"-Team gesperrt, weil Dahms bestimmte Nachweise über Gehaltszahlungen an die Fahrer nicht nachweisen konnte.

Märtens und Dahms, sie stehen für die Neigung des Menschen, aus der Masse herauszutreten, dazu gehören zu wollen zu den großen Machern und Gestaltern, von denen man mit Respekt und Anerkennung spricht, deren Gesichter man aus den Zeitungen kennt, deren Meinungen Gewicht haben. Dabei bewegen sich beide an der Grenze, zumindest in Bezug auf ihre finanziellen Möglichkeiten, und Märtens scheint diese Grenze von Anfang an schon überschritten zu haben.

Die Märtens-Comtech-Story ist nicht komplett ohne Mobilcom. Denn Mobilcom konnte es damals gar nicht schnell genug gehen, den Computer-Filialisten los-zuwerden. Da hat sich die Telefongesellschaft den Käufer wohl nicht ganz so gut angesehen. Es gibt aber auch eine Verantwortung des Verkäufers. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung drängen sich sogar noch andere Szenarien über die Hintergründe dieser Geschichte auf, an deren Anfang die Frage von Märtens an Mobilcom stehen könnte: "Was bekomme ich dafür, wenn ich euch helfe, das Problem Comtech zu lösen, sodass ihr euch den Sozialplan für 325 Angestellte sparen könnt?"

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