Schlecht verhandelt

Wenn die Kollegen viel mehr verdienen

Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Ein IT-Berater hat neun Monate nach dem Start beim neuen Arbeitgeber entdeckt, dass sein Gehalt 30 Prozent niedriger ist als das der Kollegen. Soll er schon nachverhandeln?

Ein IT-Berater hat nach sechs Jahren den Arbeitgeber gewechselt und hat sich bei seiner Gehaltsforderung am gültigen Tarifvertrag der Branche orientiert. Mittlerweile musste er feststellen, dass das Gehaltniveau in der Firma rund 15 bis 30 Prozent höher liegt und fühlt sich seitdem etwas verärgert: "Am meisten ärgere ich mich natürlich über mich selber, die Lage falsch eingeschätzt zu haben und zu wenig gefordert zu haben. " Nun will er im Online-Karriereratgeber wissen, ob er neun Monate nach dem Einstieg schon eine Erhöhung fordern kann.

Zu wenig gefordert hat ein IT-Berater im Vorstellungsgespräch, weil er sich am Tarifvertrag der Branche orientiert hat.
Zu wenig gefordert hat ein IT-Berater im Vorstellungsgespräch, weil er sich am Tarifvertrag der Branche orientiert hat.
Foto: slasnyi - Fotolia.com

"Eigentlich wollte ich nach einem Jahr das Gespräch suchen. Nun werden wir jedoch organisatorisch umstrukturiert und ich bekomme in Kürze einen neuen Vorgesetzten. Aus meiner Sicht ist der Zeitpunkt für Gehaltsgespräch sehr schlecht. Mein alter Chef wird bald nichts mehr mit mir zu tun haben. Der neue Chef wird wieder erst Leistung sehen wollen, bevor er bereit ist, über eine Gehaltserhöhung zu sprechen." Bei einer Gehaltsverhandlung sieht er folgende Fragen auf sich zukommen:

  1. Sie sind ja erst sehr kurz im Unternehmen und wir möchten erst sehen, ob sie neben kurzfristig guter auch kontinuierliche Leistung erbringen können. Dann werden wir auch über das Thema Gehalt sprechen.

  2. Eine Erhöhung schon im ersten Jahr ist bei uns nicht vorgesehen.

  3. Sie leisten sehr gute Arbeit, weshalb wir sie ja auch eingestellt haben. Und wir zahlen für ihre Leistung ja auch sehr gut, wie damals verhandelt.

  4. Durch die Umstrukturierung können wir derzeit leider das Thema nicht angehen. Das müssen Sie mit ihrem neuen Vorgesetzten besprechen.

Bei Chefwechsel: Zwischenzeugnis ausstellen lassen

Birgit Zimmer-Wagner, Bewerber Consult: "Bei einem Chefwechsel sollte man ein Zwischenzeugnis einfordern, damit die Leistung gut dokumentiert ist."
Birgit Zimmer-Wagner, Bewerber Consult: "Bei einem Chefwechsel sollte man ein Zwischenzeugnis einfordern, damit die Leistung gut dokumentiert ist."
Foto: Birgit Zimmer-Wagner

Karrierecoach Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult antwortet: "Ich verstehe Ihr Dilemma, kann Sie aber beruhigen. Sie befinden sich in "guter Gesellschaft", gerade Personen, die sich auf ihre Leistung konzentrieren und mit sich selbst sehr kritisch sind ("habe ich einen Fehler gemacht?"), vergessen manchmal ihre eigenen Ziele.

Sie haben die wichtigsten Fragen, die bei einer Gehaltsverhandlung eine Rolle spielen, schon selbst genannt. Mir fällt auf: Sie sehen diese Situation fast ausschließlich als Ihr Problem, das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Nur könnte man auch argumentieren, dass Ihr Arbeitgeber an dieser Situation, neun Monate beschäftigt und dann schon eine Umstrukturierung, nicht ganz unschuldig ist. Wusste der Arbeitgeber nicht schon vor Ihrer Einstellung, dass es Veränderungen geben wird?

Ich sehe einen direkten Anknüpfungspunkt bei einem Gespräch mit Ihrem früheren Vorgesetzten: Sie brauchen ein Zwischenzeugnis, damit die ersten neun Monate dokumentiert sind und nicht später mal unter den Tisch fallen. Ein Zeugnis wegen Vorgesetztenwechsel ist üblich, aber eine Holschuld des Arbeitnehmers. Sie müssen sich also selbst darum kümmern. Viele Bewerber gehen direkt an die Personalabteilung, diese geht dann an den Fachvorgesetzten. Besser ist es, wenn Sie mit Ihrem Vorgesetzten eines entwerfen, und die Personalabteilung dies nur noch "ausfertigt".

Versuchen Sie, Ihre Fragen mit ihm zu besprechen, möglicherweise kann er eine Gehaltserhöhung auch nach neun Monaten realisieren. Auch die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, Ihnen größere Projekte an zu vertrauen und damit eine Gehaltssteigerung zu argumentieren, könnten Sie mit ihm besprechen. Die größere Verantwortung wird Ihnen nur gegeben, wenn Ihr Vorgesetzter dies positiv beurteilt.

Variables Gehalt als Alternative?

Sie könnten auch anregen, statt Fixgehalt auf die Variante Fixgehalt plus Bonus (Leistungsmotivation) umzusteigen. Selbst wenn Boni nicht üblich sind: In jedem Unternehmen gewisse ungeschriebene Gesetze, aber auch immer Ausnahmen. Sie brauchen gute Argumente, aber die haben Sie ja schon selbst geliefert, ob man sich darauf einlässt, zeigen die Verhandlungen. Bonusvereinbarungen liegen in der Regel bei zehn bis 15 Prozent des Grundgehaltes.

Wenn Sie sich Ihrer Leistung sicher sind und diese gut dokumentiert ist, gibt es noch die Variante "pokern": Sie bringen sich intern für eine andere, bessere Stelle ins Gespräch. Wenn Sie gut sind und alle soviel von Ihnen halten, kann man Sie doch auch befördern? An diese Variante denken Bewerber oft nicht, wir haben aber schon viele Kandidaten kennen gelernt, die im Zuge einer Umstrukturierung einen Aufstieg realisiert haben.

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