"Smart Audio" auf der IFA

Wenn die Software den Ton angibt

09.09.2015
Die klassische Hifi-Anlage wird von vernetzten Lautsprechern in den Hintergrund gedrängt - und das ist erst der Anfang. In der Branche setzt sich die Idee vom "smarten Audio" durch, bei dem es um viel mehr als Musikhören geht.

Digitale Musik aus dem Netz verdrängt nicht nur die CD, sondern krempelt auch das Geschäft der Hi-Fi-Branche um. Die klassische Musikanlage wird von kompakten Lautsprechern mit Internet-Anschluss ersetzt, die auch über mehrere Räume hinweg zusammengeschaltet werden können. Auf der IFA in Berlin war der Trend unübersehbar. Alle bauen vernetzte Lautsprecher, auch die klassischen Hi-Fi-Marken sind auf den Zug aufgesprungen und rücken vernetzte Multi-Room-Systeme in den Vordergrund. Dabei verlagert sich der Wettbewerb immer stärker auf das Feld der Software.

Dafür gibt es viele Anzeichen. Branchenschwergewicht Harman mit Marken wie JBL, Harman/Kardon oder Infinity setzt auf einen hauseigenen Algorithmus, um die Qualität von MP3-Musik wieder zu verbessern, die zuuvor durch hohe Datenkompression abgeflacht wurde. Im Auto werden die Fahrgeräusche aktiv mit Schallwellen bekämpft - das hilft, Isolationsmaterial einzusparen. Beim Multi-Room-Pionier Sonos lässt sich ohne einen zusätzlichen Verstärker oder eine Steuereinheit einstellen, ob ein und derselbe Lautsprecher selbst Stereoton abspielt oder nur einen Kanal, wenn zwei Boxen im Einsatz sind.

Beim kleinen Bluetooth-Modell "A2" der Bang&Olufsen-Tochter B&O Play analysiert Software die Musik und schaltet gerade nicht benötigte Teile des Lautsprechers ab. Die Sound-Qualität wird dadurch nicht beeinträchtigt - aber das Gerät kann im gewöhnlichen Betrieb 24 Stunden mit einer Batterieladung laufen. Amazons Lautsprecher "Echo", der noch nicht in Deutschland zu kaufen ist, spielt Musik auf Sprachbefehl ab - und lässt nebenbei auch mit einem Satz Artikel beim weltgrößten Online-Händler bestellen.

Für die Zukunft gehen die Fantasien noch weiter, dabei spielen das Internet der Dinge mit seiner Vernetzung von allem und jedem sowie die Wearables-Technik, die man direkt am Körper trägt, eine Schlüsselrolle. Was wäre, wenn die Lautsprecher automatisch losspielten, wenn Fitness-Band oder Smartwatch melden, dass der Hausbewohner aufgewacht ist? Oder die Gesundheitssensoren Aufschluss über seine Stimmung oder die gesundheitliche Verfassung geben und es erlauben, Musikauswahl und Sound-Einstellungen daran anzupassen?

Die Branche tastet sich schrittweise in diese Richtung vor. Bei Harman werden sogenannte Hackathons veranstaltet, bei denen Software-Entwickler Ideen für einige Lautsprecher ausprobieren können. Harman-Chef Dinesh Paliwal spricht von einem Trend zu "Smart Audio", bei dem Lautsprecher nicht mehr nur zum Abspielen von Musik dienen, sondern auch zu einer Schnittstelle für das vernetzte Zuhause werden. "Anbieter, die nicht in die vernetzte Zukunft und in Software investieren, werden es schwer haben", ist er überzeugt.

Bei B&O Play werde ebenfalls verstärkt darüber nachgedacht, wie man Lautsprecher in ein Smarthome mit vielen vernetzten Geräten integrieren kann, sagt Marken-Chef Henrik Taudorf Lorensen. "Es gibt viel Aufregung darum in der Branche - aber bisher einen Mangel an sinnvollen Verknüpfungsideen", schränkt er ein. Für die Verbraucher sei unterdessen der aktuelle Kampf der Formate verschiedener Firmen bei Multi-Room-Systemen frustrierend, kritisiert er.

Sonos-Chef John MacFarlane verweist zugleich auf höhere Anforderungen an die Datensicherheit, wenn erstmal ein Lautsprecher in Erwartung von Sprachbefehlen zuhört, was im Zimmer passiert. "Sollte jemals herauskommen, dass die NSA über irgendwelche Cloud-Dienste mitlauschen konnte, kann der Anbieter einpacken", warnt er. Trotz solcher Risiken glaube er dennoch, dass sich Sprachsteuerung mit der Zeit im Haushalt durchsetzen werde - vorausgesetzt, die Spracherkennung klappe besser als heute. (dpa/rs/tc)

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