Digitale Spieleaktion im Einkaufscenter

Wenn Shopping zur Unterhaltung wird



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Mit der digitalen Spieleaktion „Play it!“ will der Shoppingcenter-Betreiber ECE das Einkaufserlebnis attraktiver gestalten. Entwickler Alexander Stricker berichtet über die Potenziale von virtuellen Assistenzsystemen im Handel.

Wie die Menschen in Zeiten von Amazon und Zalando in den stationären Handel locken? Der Einkaufscenter-Betreiber ECE versucht das unter anderem seit 2016 durch den Einsatz einer interaktiven, digital vernetzten Spieleaktion: Die Gameshow "Play it!" ermuntert Center-Besucher dazu an fünf Spielstationen mit Wissen, Geschick, Konzentration und Schnelligkeit Punkte zu sammeln und den Highscore zu knacken. Als Belohnung winken Einkaufsgutscheine. Seit dem Start der Aktion ist "Play it!" durch mehr als 50 ECE-Center getourt, wurde mehr als 500.000 gespielt und hat mehr als 1,3 Millionen Zuschauer angezogen. Derzeit sind die Spielstationen mit ihren großformatigen Displays und Technologien wie Augmented Reality und Gestensteuerung im München Olympia Einkaufscenter zu Gast.

"Service, Entertainment und Atmosphäre sind die Stärken eines Shopping-Centers - das sind alles Dinge, die das Internet nicht bieten kann", erklärt dazu Joanna Fisher, ECE-Geschäftsführerin für den Bereich Center-Management. "Mit Aktionen wie "Play it!" spielen wir diese Stärken aus, da sie Besucher emotional ansprechen, zum Mitmachen einladen und ein neuartiges Erlebnis bieten. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir die Kunden damit überzeugen und das Produkt Shoppingcenter attraktiv halten." Für den Center-Betreiber steht die Spieleaktion in einer Reihe mit digitalen Initiativen wie dem ECE "Future Lab", Einkaufs-Apps oder Digital-Signage-Projekten. Ziel ist es, dass stationäre Shopping durch digitale Features zeitgemäß zu halten und das Einkaufserlebnis zu ergänzen.

Die Spieleaktion "Play it!" ist derzeit im Münchner Olympia Einkaufszentrum zu Gast
Die Spieleaktion "Play it!" ist derzeit im Münchner Olympia Einkaufszentrum zu Gast

Mit Gamification spielerisch einkaufen

Für Alexander Stricker, Geschäftsführer der für die Entwicklung von "Play it!" zuständigen Kölner Charamel GmbH, geht es bei der Zusammenarbeit mit ECE in erster Linie um den Aspekt Gamification: "Der Begriff ist für mich sehr weit gefasst. Für uns ist Gamification zum Beispiel eine App mit Avatar wie auch alle Sorten von Games. Bei 'Play it!' geht es darum, Spielewelten in die Shoppingcenter zu bringen, mit der Intention, die Leute dort zu halten." Mit seinem Unternehmen entwickelt Stricker seit 20 Jahren interaktive Trainingssoftware sowie digitale 3D-Assistenten zur Unterstützung der Mensch-Maschine-Kommunikation. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen wie Audi, Bosch, Telekom und Vodafone, daneben ist Charamel auch immer wieder Projektpartner in verschiedenen Forschungsprojekten auf Bundes- und Europaebene.

"Play it!" hat Stricker im Auftrag von ECE entwickelt, mit dem man auch bereits beim "Future Lab" kooperiert hat. Auffällig ist, dass sich der Shoppingcenter-Betreiber dabei für eine Lösung entschieden hat, die dem Entertainment-Aspekt den Vorzug vor der Digitalisierung des Handelsgeschäfts gibt. "Viele Retailer experimentieren erst auf eine unterhaltsame Weise mit digitalen Innovationen und schauen dann, was sich daraus für den Handel ergeben könnte", berichtet Stricker. Einen Schritt weiter als "Play it!" gehe Charamel mit einem Projekt, das man für die Geschäfte der Handelskette Globus entwickelt habe. "Hier haben wir einen digitalen Assistenten für die Einkaufswägen entwickelt. Der nützliche Aspekt des Einkaufszettels wird dabei mit einer spielerischen Dimension verbunden. Für die Kunden ist das nicht nur sympathisch, sondern hat auch einen nachhaltigen Effekt: Sie können so spielerisch einkaufen."

Alexander Stricker ist Geschäftsführer der für die Entwicklung von "Play it!" zuständigen Charamel GmbH
Alexander Stricker ist Geschäftsführer der für die Entwicklung von "Play it!" zuständigen Charamel GmbH
Foto: Charamel

Shoppingcenter als Vorreiter für die Digitalisierung

Wie Stricker berichtet, ist der Einsatz digitaler Assistenzsysteme in Bereichen wie Automotive oder Bildung schon weiter vorangeschritten als im Handel. Zum Teil hänge das auch mit den damit verbundenen Investitionen zusammen. "Das Erstinvest ist vergleichsweise hoch. Zudem verläuft die technische Entwicklung sehr schnell. Für 'Play it!" haben wir beispielsweise auf den Einsatz von Technologien wie Virtual Reality oder Spracherkennung verzichtet, weil das damals noch nicht so große Themen waren." Die Zusammenarbeit mit ECE betrachtet Stricker dennoch als einen Glücksfall, weil der Center-Betreiber seinem Unternehmen andere Möglichkeiten eröffnen konnte als das bei einem einzelnen Händler der Normalfall gewesen wäre. "Die Bereitschaft in digitale Projekte zu investieren, ist bei den Center-Betreibern größer. Im Ausland, zum Beispiel im arabischen Raum ist die Digitalisierung der Einkaufszentren noch viel weiter vorangeschritten." Für die Zukunft sieht Stricker im Handel weitere Potenziale für digitale Assistenzsysteme, wenn es um Themen geht wie die Produktberatung am POS oder die Instore-Navigation.

Digitale Assistenten, wie sie Charamel entwickelt, haben aber nicht nur das Potenzial den stationären Einkauf zu erleichtern und unterhaltsamer zu gestalten, sondern können auch im E-Commerce-Kontext eingesetzt werden. "Wir arbeiten gerade mit der Telekom an einem Avatar für deren Webseite", berichtet Stricker. Auch in Onlineshops hätten Assistenzsysteme das Zeug, das Einkaufserlebnis zu fördern, Beratung zu liefern oder etwa auch Chatbots persönlicher zu machen. In vieler Hinsicht werde es davon abhängen, wie schnell die Kunden die Interaktion mit virtuellen Charakteren als natürlich annehmen würden. Entwicklungen wie der Trend zum autonomen Fahren würden dafür sorgen, dass die Mensch-Maschine-Interaktion immer häufiger und damit auch immer natürlicher werde.

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