Wenn über Unternehmen der Pleitegeier schwebt

24.09.1998

Sanierungskonzepte sichern Firmenfortbestand

Heiligenhaus: Mit über 28.000 Unternehmensinsolvenzen erreichte die Zahl der Firmenpleiten 1997 einen neuerlichen Rekord. Viele Unternehmen haben jedoch den bitteren Gang vor das Konkursgericht angetreten, ohne darüber informiert zu sein, wie sie die finanziell prekäre Lage noch hätten abwenden können. Thomas Uppenbrink* skizziert verschiedene Rettungsmöglichkeiten.

Das Kernproblem für Unternehmen, die ins Straucheln geraten, liegt zunächst darin, daß sie oftmals völlig allein dastehen und an einer Vielzahl meist unbekannter Vorschriften scheitern. Gerade hier bietet sich jedoch die Chance, ausgehend von der bestehenden Rechtslage, eine Fortsetzungs- und Erhaltungsgesellschaft zu gründen, um die gesunde Substanz eines Unternehmens und damit Arbeitsplätze zu retten.

Zunächst muß ein wirtschaftlich realistisches Fortsetzungskonzept bestehen beziehungsweise erstellt werden. Außerdem sind die Vorschriften des geltenden Konkursrechts zu beachten. Erst wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Fortbestand auf Unternehmensseite gegeben sind, ist eine sogenannte "übertragende Sanierung" möglich.

Läßt sich ein Konkursverfahren nicht mehr abwenden, stellt sich zunächst die Frage, ob und in welcher Form ein Teil des Unternehmens erhalten werden kann. Ein Fortführungs- oder Sanierungskonzept wird allerdings in der Regel nicht von einem Konkursverwalter erstellt, sondern muß bereits im Vorfeld von externen Beratern, die auf Unternehmenssanierung und/oder -konsolidierung spezialisiert sind, erarbeitet werden. Die zu erstellenden Analysen mit Bewertung und strategischer Neukonzeption müssen so gestaltet sein, daß sowohl das Konkursgericht als auch die "finanzierende Bank der Erhaltungsgesellschaft" wirtschaftlichen Sinn im Fortbestand beziehungsweise in der Unterstützung der neuen Gesellschaft sehen.

In einer Fehleranalyse werden zuerst die Ursachen ausgemacht, die die Krise herbeiführten. Liegen diese im Unternehmensprodukt, in der Marktsituation oder in anderen unkorrigierbaren Faktoren, so ist ein Konkursverfahren - sprich: die Zerschlagung des Unternehmens - unabwendbar. Handelt es sich aber um Management-

fehler im operativen Bereich, zum Beispiel um eine falsche Vertriebs- und Finanzstrategie oder um Liquiditätsmängel aufgrund des Wegfalls eines Großkunden, so kann ein Sanierungskonzept erstellt werden. Dieses enthält den kurz- und langfristigen Finanzplan, Marktchancen, ist in Sachen Ertragskraft plausibel und wird als Entscheidungsfindung für die finanzierende Bank erstellt. Die Kreditinstitute erwarten darüber hinaus, daß sich die Consultants, die das Konzept für die Fortsetzungs- und Erhaltungsgesellschaft entwickelt haben, über eine gewisse Zeit im Unternehmen engagieren.

Das Konzept ist allerdings nur dann von Erfolg gekrönt, wenn die gleichmäßige Befriedigung der Altgläubiger aus der "Konkursmasse" gewährleistet wird und den Gläubigern des Altunternehmens keine haftende Vermögensmasse entzogen wird. Dies läßt sich dadurch sicherstellen, daß die Gläubiger so gestellt werden, wie sie auch in einem Konkursverfahren stehen würden.

Ermittlung des Zerschlagungswertes

Nach der Eröffnung eines Konkursverfahrens wird das Unternehmen zumeist "zerschlagen", was eine Veräußerung der freien - also im uneingeschränkten Eigentum des Unternehmens stehenden - Bestandteile des Unternehmensvermögens zu Marktwerten nach sich zieht. Diese liegen jedoch oftmals bei Null, da bei entsprechender Spezialisierung das Warenlager, der Maschinenpark oder sonstige Produktionsmittel von anderen nicht unbedingt nutzbar sind. Außerdem bewegen sich die Kosten der Verwertung vor allem bei einer eventuellen Zwischenlagerung häufig über den Erlösen. In der Praxis sind außerdem viele Gegenstände sicherungsübereignet, stehen unter Eigentumsvorbehalt oder sind geleast. Diese besonderen Umstände werden zumindest mittelbar durch die hohe Zahl der Konkurse eindrucksvoll belegt, die "mangels Masse" abgewiesen werden. Das Fortsetzungskonzept kann dann umgesetzt werden, wenn eine positive Bestandsprognose auf der Basis eines realistischen Geschäfts- und Finanzplans für das Erhaltungsunternehmen erstellt werden konnte und die Interessen der Altgläubiger angemessen Berücksichtigung finden. Die Umstrukturierung kann rein privat stattfinden, indem mit sämtlichen Gläubigern Vereinbarungen getroffen werden oder im Rahmen eines Konkursverfahrens, und zwar im Wege des Unternehmensverkaufes durch den Konkursverwalter.

Die private Lösung

Sie sollte gesucht werden, da sie kostengünstiger und schneller realisierbar ist. In der Regel sieht sie so aus:

- Gründung der Erhaltungsgesellschaft - zumeist in Form der GmbH unter Einschaltung des Treuhänders.

- Erwerb derjenigen Unternehmensteile der Altgesellschaft, die zur Fortsetzung benötigt werden.

- Übernahme der Mitarbeiter, die man halten will - im Idealfall sind das alle Arbeitnehmer der Altgesellschaft.

- Vereinbarungen mit den Gläubigern, denen Sicherungsrechte an den zur Fortsetzung benötigten Unternehmensbestandteilen zustehen. Das sind mit Blick auf das Warenlager Banken oder Lieferanten, soweit sie unter Eigentumsvorbehalt geliefert haben.

- Der Kaufpreis fließt naturgemäß nicht der alten Gesellschaft zu, sondern über einen Treuhandpool den Gläubigern, und zwar je nach ihrer Quote. Dabei bietet es sich an, diesen Betrag nicht in einer Summe sofort auszuzahlen, sondern in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung der Erhaltungsgesellschaft zu gestalten und ratenweise zu bedienen.

- Dieser Weg bedarf der Zustimmung der beteiligten Gläubiger, wobei gewisse Abstufungen vorzunehmen sind: Zustimmen müssen die Gläubiger, die unmittelbar am Fortsetzungskonzept beteiligt sind, denen also Aus- oder Absonderungsrechte zustehen. Des weiteren sollten die kritischen Gläubiger zustimmen - also das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger. Stimmen die übrigen ungesicherten Gläubiger nicht zu, kann das Fortsetzungskonzept trotzdem realisiert werden, da sein Kernpunkt die jederzeit mögliche Veräußerung von Unternehmensgegenständen ist.

Um eine Anfechtungsgefahr innerhalb und außerhalb eines Konkursverfahrens auszuschließen, sollte durch einen neutralen Dritten ein objektiver Gegenwert für den Unternehmensverkauf ermittelt werden und dieser den Gläubigern gemäß ihrer Rangfolge zufließen. Will man dieses Risiko ausschalten, bietet sich der Weg über das Konkursverfahren an.

Die Konkurslösung

Die einzelnen Schritte unterscheiden sich nicht wesentlich von der "privaten Lösung". Als Verkäufer handelt jedoch der Konkursverwalter im Rahmen des Konkursverfahrens, also mit Rückendeckung des Gerichts. Der Ablauf sieht folgendermaßen aus:

- Gründung der Erhaltungsgesellschaft.

- Stellen des Konkursantrags durch die Altgesellschaft.

- Einreichung des Sanierungskonzepts mit der Bitte an das Konkursgericht, möglichst umgehend einen Gutachter zu bestellen.

- Mit diesem Gutachter, der später als Konkursverwalter fungiert, wird das Sanierungskonzept abgestimmt.

- Bei Zustimmung erfolgen Konkurseröffnung und Unternehmensverkauf in möglichst enger zeitlicher Abfolge.

- Der Verkaufserlös wird im Rahmen des Konkursverfahrens nach gesetzlicher Rangfolge an die Gläubiger verteilt.

Fazit: Die private Lösung ist schneller, einfacher und kostengünstiger. Ein letztes Anfechtungsrisiko läßt sich nicht vollends ausschließen. Dieses wird jedoch durch eine sorgfältige Konzeption auf ein vertretbares Maß reduziert. Die Konkurslösung ist komplizierter und bringt vor allem durch die Einschaltung von Konkursverwalter und Gericht zusätzliche Entscheidungsträger ins Spiel, deren Hauptziel nicht in erster Linie der Erhalt von Arbeitsplätzen ist. Insbesondere im Hinblick auf Finanzierung und Haftungsrisiken der Fortführungsgesellschaft ist die zweite Variante jedoch der sicherere Weg.

*Thomas Uppenbrink ist Geschäftsführer der Sozietät CID Uppenbrink & Partner GmbH. Beratungsschwerpunkte sind aktive Unternehmenssanierung beziehungsweise -konsolidierung.

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