iPad Air 2022 im Test

Wer braucht noch ein iPad Pro?

Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Apples iPad Air 5 beeindruckt im Test mit erstklassiger Performance, einige Kritik müssen wir aber an Apple doch üben.
Das iPad Air bietet eine hervorragende Leistung, hat aber einen stolzen Preis.
Das iPad Air bietet eine hervorragende Leistung, hat aber einen stolzen Preis.

Auf den ersten Blick sieht das neue iPad Air wie sein Vorgänger aus, neue CPU und gute Frontkamera sorgen aber für eine deutliche Aufwertung. Was auffällt: Der Abstand zum Pro-Modell mit 11-Zoll ist nur noch klein, leider auch preislich.

Gleiche Leistung wie ein iMac oder Mac Mini

Etwas überrascht war wohl mancher, dass Apple das iPad Air mit dem M1-Chip ausstattet, der neben den Pro-Modellen auch in Macs wie iMac 24 Zoll, Macbook Pro und Mac Mini verbaut wird. Allerdings ist dieser Chip nicht mehr ganz neu und diese Geräte und auch die iPad Pro erhalten wohl bald einen schnelleren M2-Chip. Das iPad Air von 2020 wird durch den neuen Chip aber klar abgehängt und die Grafikleistung steigert sich immens. Zusätzlich verbaut Apple nun statt 4GB RAM gleich 8 GB RAM, womit man eigentlich auch bei einem Desktop meist auskommt.

In unserem Test mit der App Geekbench schafft das iPad 5 dann auch im Single-Core-Test gute 1713 Punkte, im Multicore-Test hervorragende 7258. Beim Grafiktest Metal sind es 19309 Punkte. Abgehängt wird das iPad Air 2020 primär in der Grafikleistung und dem Multicore-Benchmark: Im Single Core-Test erzielte es zwar noch immer zeitgemäße 1583 Punkte, beim Multiprozessor-Test liegt es aber mit 4210 deutlich zurück und schafft beim Grafik-Test Metal 12447 etwa die Hälfte. Auch der doppelt so große Arbeitsspeicher sollte dem neuen Modell einen Vorsprung verschaffen – bei Spielen, Videobearbeitung oder auch kommenden Anwendungen wie VR und AR.

Vor allem die Multiprozessorleistung ist erstklassig.
Vor allem die Multiprozessorleistung ist erstklassig.

Der M1 verbraucht allerdings auch mehr Energie und erzeugt so mehr Abwärme. Wie unser Test mit APSI zeigt, wird der Achtkerner deshalb relativ bald gedrosselt, und dies in zwei Stufen. Im APSI Bench erzielt es aber trotzdem überragende 80 Punkte, Linpack 30042 Punkte, Wildlife 10018 und Manhattan Offscreen 23791 Punkte. Gut schneidet es auch bei den Browser-Benchmarks Spider und Jetstream ab und erzielt hier mit 68,4 und 189,9 erstklassige Werte, die weit über dem Vorgänger liegen.

Der M1 drosselt seine Leistung recht bald, auch diese gedrosselte Leistung ist aber noch sehr hoch.
Der M1 drosselt seine Leistung recht bald, auch diese gedrosselte Leistung ist aber noch sehr hoch.

Aktuell scheint ein M1-Chip vielleicht sogar schneller, als im Alltag nötig wäre. Allerdings gibt es vielleicht bald iOS-Funktionen, die nur noch iPads mit M1-CPU unterstützen. Ein iPad mit M1-Chip könnte da eine gute Investition sein. Angenehm fällt die gute Leistung schließlich schon beim Surfen auf: Selbst eine extrem überladene Desktop-Version einer Seite wie www.dailymail.co.uk lässt sich schnell und ohne Abstürze aufrufen – was bei älteren iPads nicht immer gelingt.

iPad-Pro-Design

Das Design des Air ist topaktuell und steht dem iPad Pro in nichts nach. Legt man das iPad Air 5 neben ein iPad Pro von 2018, kann man die beiden kaum auseinanderhalten. Eigentlich könnte das neue iPad Air auch ein Pro sein und wirkt wie eine parallele Entwicklung die einige andere Abzweigungen genommen hat. Was uns besonders gut gefiel, sind die neuen Farben. Silber wird durch „Polarstern“ bzw. Weiß ersetzt, statt Hellblau und Grün gibt es Violett und ein kräftigeres Blau. Rosa ersetzt Roségold.

Das neue Blau wirkt deutlich „erwachsener“ als das letztjährige Hellblau und auch das neue Violett ist sehr seriös und wirkt eher wie ein violett getöntes Space Grau. Wir empfehlen, vor dem Kauf im Apple Store einen Blick auf die verschiedenen Farbvarianten zu werfen, Fotos sind hier oft etwas trügerisch und der Farbeindruck hängt zusätzlich von der Beleuchtung ab.

Das WLAN-Modell ist mit 461 Gramm gerade einmal 3 Gramm schwerer als das Modell von 2020. Man erhält ein rahmenloses flaches Gerät mit moderner Optik, das stark den iPad-Pro-Modellen ähnelt. Was allerdings von einigen Nutzern kritisiert wurde ist die Verarbeitungsqualität der neuen Gerät. Einige Käufer berichten sogar von einem ständig knarzenden Gehäuse. Bei unserem Testgerät trat dies aber nicht auf, die Verarbeitung ist auf hohem Niveau und steht den Pro-Modellen oder Vorgängern nicht nach. Wir vermuten, dass sich in den ersten produzierten Geräten einige Fertigungsfehler eingeschlichen haben - das gab es leider schon häufiger.

Kamera

Die Rückenkamera des iPad Air ist auf hohem Niveau und bietet mit f1,9 eine gute Lichtstärke. Immerhin stehen bis zu 5x digitaler Zoom und Smart HDR 3 zur Verfügung - etwa das Niveau eines älteren iPhones. Auch die Videofunktion ist ausgezeichnet, 4K ist mit bis zu 60 fps möglich, erweiterter Dynamikbereich bei bis zu 30 fps. Ärgerlich sind kleine Schikanen: Im Unterschied zu den Pro-Modellen hat man nämlich keinen Blitz zur Verfügung, verzichten muss man zudem auf Funktionen wie Audiozoom und Stereoaufnahme – hier gönnt Apple den Pro-Modellen etwas Vorzugsbehandlung.

Für viele ist aber wohl die Frontkamera die eigentliche „Hauptkamera“ wird sie doch für Chats und Videokonferenzen oft täglich genutzt. Wie bei allen neueren Geräten setzt Apple auf eine hochwertige Weitwinkelkamera, die Center Stage unterstützt. Wir haben die neue Weitwinkel-Kamera bereits ausführlich vorgestellt, sie entspricht der in iPad Mini und iPad. Nach unserer Meinung ist sie ein echter Pluspunkt. Per Automatik bleiben Sie dann auch bei leicht schrägem Blickwinkel oder einer Bewegung immer im Zentrum des Bildes. Neben der Center-Stage-Funktion sollte man auch die Ultraweitwinkel-Funktion nicht unterschätzen. Man kann durch Aktivieren dieses Bildmodus einen sehr umfangreichen Blickwinkel ins Bild nehmen, was etwa bei Präsentationen oder Workshops nützlich sein kann.

Mit der Rückenkamera sind gute Aufnahmen möglich, ein Blitz fehlt allerdings.
Mit der Rückenkamera sind gute Aufnahmen möglich, ein Blitz fehlt allerdings.

Was uns auffiel: Bei Nutzung der Rückkamera wird ein neues „2x“Symbol eingeblendet. Per Antippen aktiviert sich der Digitalzoom mit zweifacher Vergrößerung bzw. 57 mm Kleinbildäquivalent. Mit langem Druck blendet sich ein vom iPhone bekanntes Auswahlrad ein, über das man eine andere Digitalzoom-Einstellung wählen kann. Bis zu fünffache Vergrößerung ist möglich. Das gefällt uns weit besser als der übliche Schieberegler. Animoji und Memoji fallen mangels TrueDepht-Funktion weg, was wohl viele verschmerzen können.

Akkulaufzeit

Keine Überraschungen gab es bei der Akkulaufzeit: 10 Stunden hielt das Air im Webbrowsen-Test durch, fast genau so lange wie der Vorgänger. Ganze 12 Stunden und 50 Minuten waren es dagegen beim günstigen Konkurrent iPad 9. Eigentlich kein Wunder, mit 7544 mAh ist der Akku kleiner als der 8557 mAH-fassende Akku des Einstiegsmodell. Beim zweiten Test spielen wir mit voller Helligkeit ein Video ab. Der Akku schafft 5 Stunden und 45 Minuten, ein guter Wert. Interessant ist aber auch die Ladezeit: Nach einer halben Stunde ist der Akku zu 17 Prozent, nach einer Stunde zu 37 Prozent geladen und zu 80 Prozent nach 2 Stunden. Das Ladetempo sinkt danach: Insgesamt benötigen wir mit dem beiliegenden 20W-Netzteil 2 Stunden und 48 Minuten für eine komplette Aufladung. Ab 80 Prozent verlangsamt Apple offenbar das Aufladen, um den Akku zu schonen.

Display

Beim Display gibt es ebenfalls keine Neuerungen zu berichten. Die für schnelle Bildreaktionen sorgende Pro-Motion-Technologie fehlt weiterhin, ansonsten bietet das iPad Air ein erstklassiges Display. Mit 10,9 Zoll ist es minimal kleiner als der 11-Zoll-Panel des iPad Pro. Selbst wenn man die beiden Geräten nebeneinanderhält, sieht man den Unterschied aber kaum. Die Helligkeit ist mit über 500 Nits hoch genug für die Arbeit im Freien, Spiegelungen bleiben im Rahmen. Gegenüber dem Standard-iPad profitiert man durch die flachere Bauart des Displays und eine Spezial-Beschichtung. Es handelt sich aber um ein gängiges IPS-Panel, will man ein HDR-taugliches Mini-LED-Panel, muss man gleich zum iPad Pro 12,9-Zoll greifen.

Lautsprecher

Stärke der Pro-Modelle war bisher immer ein besseres Lautsprechersystem, beim direkten Vergleich zwischen einem iPad Pro 11 konnten wir kaum noch einen Unterschied feststellen. Vor allem im Landschaftsmodus bietet das iPad einen annehmbaren Stereoton. Für Youtube, Konferenzen oder ein wenig Hintergrundmusik ist die Tonqualität mehr als ausreichend, auch Dolby Atmos wird unterstützt. Vor allem gegenüber älteren iPads hat Apple in den letzten Jahren hier viel verbessert. So hatten wir bei einem Wechsel vom iPad Air 5 zu einem privaten iPad Air 3 kurz den Eindruck, dessen Lautsprecher wären defekt.

USB-C

Wie der Vorgänger bietet das iPad Air nur USB-C statt Thunderbolt. Bei der aktuellen Version ist die Datentransferrate laut Apple aber immerhin doppelt so hoch wie beim Vorgänger (10 statt 5 GBit/s). Nicht nur für Fotografen und Videofilmer eine interessante Verbesserung. Von einem M1-Macs kopieren wir per USB-C eine 6,37 GB große Videodatei in 33 Sekunden auf das iPad – 193 MB/s. Schneller funktioniert dies mit einer direkt angeschlossenen Thunderbolt-SSD (Lacie Portable Pro). Hier dauert der Transfer auf das iPad nur 22 Sekunden, vom iPad auf die SSD sind es 21 Sekunden – solide 289,5 bzw. 303 MB/s.

Mobilfunk

Gegen Aufpreis gibt es das iPad Air in einer Version mit Mobilfunkunterstützung, erstmals handelt es sich hier um 5G. Die Netzabdeckung ist zwar in Deutschland aktuell mäßig, langfristig könnte aber Unterstützung für 5G ein Vorteil sein. Vor allem an Orten wie Flughäfen oder Messen sollte sich 5G bald durchsetzen. Der Aufpreis für das Cellular-Modell ist mit 170 Euro leider recht happig.

Das Zubehör

Keinesfalls vergessen sollte man, dass das Air mit dem Pro-Zubehör kompatibel ist. Der Pencil 2 wird unterstützt und ebenso Apples gutes Magic Keyboard. Letzteres ist zwar teuer und schwer, dank erstklassiger Tastatur, Trackpad und solider Bauart macht es das Air fast zum Notebook. Die Tastatur schreibt sich ausgezeichnet und funktioniert ohne Akku und Bluetooth-Fummelei. Gerade bei der Arbeit im Landschaftsmodus lässt sich aber nicht verleugnen, dass man mit dem Air eigentlich ein recht kleines „Notebook“ nutzt.

Der 10,9-Zoll-Bildschirm ist noch kleiner als der des 12-Zoll-Macbook und eignet sich kaum für das Jonglieren mit mehreren gleichzeitig offenen Apps. Hier könnte mancher Nutzer bereuen, nicht doch zum 12,9-Zoll iPad Pro gegriffen zu haben. Farblich passend zu den neuen Hüllen bietet Apple übrigens auch neue Smart Folio-Hüllen in den Farben "Englisch Lavendel", "Dunkelkirsch", "Leuchtorange", "Marineblau", "Federgrün". Den Preis von 89 Euro wollen wir aber nicht kommentieren.

Preisfalle

Das iPad Air für 679 Euro ist nicht gerade ein Schnäppchen und zumindest in Deutschland hat Apple den Preis sogar leicht angehoben. Kritisieren muss man aber die ärgerliche Preispolitik von Apple: Das Basismodell ist nur mit 64 GB ausgestattet, verwaltet man viele Fotos, Videos oder Spiele, ist das recht mager. Als Alternative gibt es aber nur die Variante mit 256 GB. Wählt man allerdings dieses Modell, stößt man mit 849 Euro preislich schon an das iPad Pro 11-Zoll mit 128 GB, wählt man das Cellular-Modell ist man schon bei 1019 Euro. Diese Überschneidung ist wohl Absicht und soll Kunden wohl anregen, doch das noch teurere Pro-Modell zu wählen.

Fazit

Das iPad Air hat keine echten Schwächen, der neue M1-Chip und die gute Front-Kameras sind ein echtes Plus. Das iPad Air war schon immer die stärkste Konkurrenz für das iPad Pro, auch preislich gibt es hier allerdings kaum noch Unterschiede. Als Alternative würden wir vor allem Heimanwendern aber empfehlen, einen Blick auf das gute iPad Mini zu werfen. (Macwelt)

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