Wer hoch hinaus will, kann tief fallen

28.10.1999

"Totgesagte leben länger", machte sich am letzten Messetag auf der Systems ein CHS-Mitarbeiter selbst Mut. Ob das aber so ist, bleibt abzuwarten. Fest steht nur: Der drittgrößte Distributor der Welt hat seine Zukunft bereits hinter sich. Und: Kommt es zum endgültigen Aus für CHS, wird es nicht wenige Marktteilnehmer geben, die sich angesichts der Pleite des Großhändlers schadenfroh die Hände reiben. War doch der Kaufrausch, den sich CHS-Chef Claudio Osorio in den vergangenen drei Jahren geleistet hat, von der Branche mit Kopfschütteln begleitet worden.Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Geht CHS in Konkurs, sind die Langfristwirkungen derzeit noch nicht absehbar. Wohl aber die kurzfristigen Folgen. So dürfte das diesjährige Weihnachtsgeschäft kaum Erfreuliches für alle Beteiligten bringen. Zum einen sind da die Händler, die bei CHS eingekauft und auch eine dementsprechende Kreditlinie bei ihrem Distributor hatten. Auf die Schnelle bei einem anderen Broadliner adäquate Finanzierungsmöglichkeiten zu bekommen, das ist schier ein Ding der Unmöglichkeit. Das Weihnachtsgeschäft dürfte dann für diese Händler schon jetzt gelaufen sein.

Zum anderen sind da die Lieferanten. Immerhin hatte CHS Deutschland Distributionsverträge mit mehr als 100 Herstellern. Geht CHS in die Knie, haben IBM, Compaq & Co. ein echtes Problem. Wohin dann mit all den Produkten, die der Distributor bisher verkauft hat? Zumal die anderen Großhändler die Flut an Produkten unter keinen Umständen auffangen können. Dazu kommt ein gewisser Vertrauensschwund, der durch die CHS-Pleite bei den Herstellern vorstellbar ist. Nicht erst seit heute denken viele von ihnen mehr oder weniger laut über einen Direktvertrieb ihrer Produkte nach. Das Wegbrechen einer ihrer größten Vertriebskanäle ist dann für viele Lieferanten Wasser auf die Mühlen.

Das Vertrauen in die Branche dürften mittlerweile auch die Banken verloren haben. Nachdem nach dem Konkurs der PC-Handelsketten Escom und Schadt sowie dem Hickhack um Vobis im vergangenen Jahr wieder etwas Ruhe im Markt eingekehrt war, kommt es nun knüppeldick. Leidet die Branche wirklich so sehr an Solidität? Wie auch immer: Gerade kleinere Händler, die in den nächsten Wochen bei ihrer Bank ob eines Kredits anklopfen, werden sicherlich einen schwereren Stand denn je haben.

Angesichts dieser Szenarien bleibt nun die Hoffnung, daß sich für CHS doch noch Retter in allerletzter Minute finden. Kaufinteressenten gibt es nach Meinung von Branchenbeobachtern durchaus. So wird beispielsweise immer wieder Actebis ins Spiel gebracht - zumindest für Teile des europäischen CHS-Geschäfts. An Deutschland, so der Tenor von Marktkennern, ist Actebis nicht interessiert. Tatsächlich würde Actebis vor allem ein Engagement im osteuropäischen Raum gut zu Gesicht stehen. Denn bisher sind die Ostwestfalen

lediglich in Tschechien vertreten.

Als anderer Kaufanwärter wird Ingram Macrotron gehandelt, die dem Vernehmen nach an der in Konkurs gegangenen Frank & Walter GmbH interessiert sind. Da jedoch Macrotron bereits ein Vertriebsbüro in Braunschweig betreibt, stellt sich die Frage, was eine zweite Niederlassung dem Münchner Broadliner bringt? An Kunden und Lieferanten dürfte Ingram Macrotron angesichts der zahlreichen Überschneidungen mit ihrer eigenen Produktpalette wohl kaum interessiert sein. Bleiben die Mitarbeiter. Und jede Menge Schulden, die Frank & Walter in den vergangenen Wochen nicht nur bei der Mutter CHS angehäuft haben soll. Ein Engagement von Ingram Macrotron in diese Richtung ist daher mehr als fraglich.

Susann Naumann

snaumann@computerpartner.de

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