Werden die Letzten die Ersten sein?

07.06.2001
Bei der Markt-Einführung neuer Technologien stellt sich Herstellern stets die gleiche Frage, will man von Beginn an dabei sein, oder wartet man mit dem Einstieg bis die meisten Kinderkrankheiten der neuen Technik ausgemerzt sind?

Manchmal fehlt auch einfach das Know-how oder die passende Lizenz, um von Anfang an mitzuhalten. Doch wie SIS derzeit beweist, muss es nicht unbedingt zum Nachteil gereichen, das Parkett als letzter zu betreten.

Anders als bei der Festlegung von SDRAM als neuem Speicherstandard, bei dem Intel ein Machtwort sprach und alle folgten, ist der Wechsel zu DDR-Arbeitsspeicher mit einem Wettstreit der Technologien und geteilten Lagern bei den Herstellern verbunden. Team-DDR gegen Intel oder DDR-SDRAM gegen Rambus, es spielt keine Rolle, welchen Titel die Auseinandersetzung um den künftigen Speicherstandard trägt, für Handel und Verbraucher macht sie die Entscheidung unnötig schwierig. Punkte wie Zukunfts- und Investitionssicherheit lassen sich bei konkurrierendem System deutlich schwerer abschätzen.

Auch die Markteinführung von DDR-Speicher verzögerte sich, da nicht alle an einem Strang zogen. Doch inzwischen gibt es vier Chipsätze für Mainboards mit DDR-Slots und alle namhaften Board-Hersteller haben passende Produkte im Angebot. Besonders AMD profitiert von der neuen Speichertechnologie. Aus diesem Grund sind auch die meisten Boards für den Sockel A konzipiert.

Vorreiter AMD

Als erster brachte AMD selber einen passenden Chipsatz auf den Markt. Der AMD760 fand in seiner ursprünglichen Kombination allerdings nicht den Weg in die Massenproduktion. Statt dessen kombinierten die Mainboard-Hersteller, um die Kosten zu senken, die Northbridge AMD761 mit den VIA Southbridges C686B oder VT8231. Von Beginn an dominierten die Boards mit dem AMD-Chipsatz bei Performance und Stabilität. Allerdings belegen interne Papiere von AMD, dass es beim Zusammenspiel mit der C686B Southbridge Probleme mit dem Suspend-to-RAM-Energiesparmodus gibt, sobald "registered DDR-Module" verwendet werden. Da diese bei Bestückung der Platinen mit mehr als zwei DDR-Riegeln zwingend notwendig wären, beschränkt man sich derzeit auf Mainboards mit nur zwei Speicherbänken. Unangenehmer Nebeneffekt: da es noch keine 512 MB DDR-SDRAMs gibt, ist die maximale Speicherausstattung damit auf zwei mal 256 MB begrenzt.

Nach den guten Ergebnissen von VIAs SDRAM-Chipsatz KT133A waren die Erwartungen an den Nachfolger entsprechend hoch. Umso enttäuschender verliefen die ersten Tests. Bis heute kann der VIA Apollo KT266 nicht an die Leistung des AMD760 heranreichen. Dem Leistungsrückstand steht allerdings ein Preisvorteil gegenüber, so dass die Entscheidung durchaus zu Gunsten von Boards mit dem VIA-Chipsatz fallen kann, wenn man auf das letzte bisschen Performance verzichten kann. Zudem ist er, im Gegensatz zum 760, in der Lage auch mit Standard-SDRAMs zu arbeiten. Diverse Boards bieten die Möglichkeit zunächst die vorhandenen Speichermodule weiter zu verwenden. Hier sollte der Handel jedoch klar machen, dass diese Form eines halbherzigen Systemwechsels den Kunden im Endeffekt teurer kommt, als wenn man weiterhin auf ausgereifte Systeme mit Single Data RAM gesetzt hätte. DDR-Boards sind zu teuer, um sie durch alte Speichertechniken auszubremsen.

Zauberkünstler Ali

Auch der dritte am Markt verfügbare Chipsatz, der Magic-1 von Ali, kann mit beiden SDRAM-Typen umgehen. Doch gilt er in Insiderkreisen als noch nicht ausgereift. Die Mainboards mit dem Magic-1 seien entweder schnell und instabil oder aber langsam und sicher. Leistungsschwankungen von über zehn Prozent, je nach verwendeter Bios-Version, beweisen Nachhol-bedarf. Wenn die falsche Revisionsnummer den Leistungsgewinn der neuen Technik auffrisst, macht die Investition keinen Sinn mehr.

Der neue Hoffnungsträger am DDR-Himmel kommt aus einer völlig unerwarteten Ecke. SIS, bisher eher als Anbieter von Billig-Chipsätzen für das OEM-Geschäft bekannt, hat mit dem SIS735 einen Überraschungserfolg erzielt. Dieser Chip (North- und Southbridge wurden in einem Baustein zusammengefasst) ist nicht nur der schnellste, sondern auch der kühlste im Teilnehmerfeld. Während auf allen anderen Northbridges zumindest ein passiver Kühlkörper, teilweise sogar Lüfter sitzen, kommt der 735 ganz ohne Hilfsmaßnahmen aus. Damit vergrößert sich der Preisvorteil des von vornherein schon günstigen Chipsatzes noch weiter. Bleibt zu hoffen, dass die Board-Hersteller das Potenzial des SIS-Produkts richtig einschätzen und nicht die gesamte Produktion in den OEM-Markt geht. Hier bietet sich die Chance, auch im Endkundengeschäft der DDR-Technologie zum Durchbruch zu verhelfen.

ComputerPartner Meinung:

Eine Revolution aus dem Stand anzuzetteln ist schwieriger, als es den Beteiligten klar war. Als Intel mit Rambus zum zweiten Mal einen Speicherstandard im Alleingang durchdrücken wollte, war die Opposition schnell geformt und schien mit DDR-SDRAM auch einen adäquaten Ersatz zu bieten. Doch Markteinführung, Produktion und Akzeptanz beim Kunden verzögerten sich ständig.

Inzwischen sind Boards und Module in ausreichender Anzahl verfügbar, doch der Mehrpreis steht noch immer in keinem Verhältnis zur Mehrleistung. Hier konnte SIS mit seinem neuen Chipsatz 735 den Durchbruch am Markt bewirken. Mit preiswerteren Boards und bis dahin noch weiter gefallenen Speicherpreisen wird DDR-Technologie auch für normale Anwender interessant. Wer bis dahin nicht auf das Mehr an Leistung verzichten kann, ist mit Mainboards, die den AMD760-Chipsatz verwenden, am Besten bedient. (jh)

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