Wertewandel in der New Economy: "Alte Hasen" sollen Starthilfe geben

18.10.2001
Lauter, schneller, weiter - dies war das Motto der New Economy in ihren Anfangszeiten. Doch inzwischen kann von kurzfristigem Denken in den Wachstumsbranchen keine Rede mehr sein, die Manager setzen auf betriebswirtschaftliches Denken. Das sagen zumindest die Marktforscher der Rarecompany.

Die New Economy leckt ihre Wunden und orientiert sich neu: Wachstum um jeden Preis hat nicht mehr oberste Priorität. Schon bei der Gründung werden neuerdings die Bedürfnisse des Marktes intensiv analysiert und die Produkte oder Dienstleistungen den Ergebnissen entsprechend angepasst. Grundlegende Regeln der Betriebswirtschaftslehre werden wieder verstärkt berücksichtigt, wenn es um die Entwicklung des Businessplanes und die Umsetzung des Geschäftsmodells geht.

Das jedenfalls ist der Tenor der Aussagen von Unternehmern, die an einer Befragung des Beratungsunternehmens Rarecompany zu den Erfahrungen und Erfolgsfaktoren im Wachstumsmarkt teilgenommen haben. In den vergangenen zwei Monaten äußerten sich mehr als 100 Entscheidungsträger aus dem Hightech-, Software- und Mobile-Commerce-Umfeld zu ihren individuellen Erfahrungen der zurückliegenden zwei Jahre.

Fehler wurden schon in der Anfangszeit gemacht

Einen Fehler haben fast alle jungen Unternehmen gemacht: Gerade in den ersten beiden Geschäftsjahren haben sie häufig zu viel Wert auf "Time-to-Market"-Ansätze gelegt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Unternehmer diese Strategie nicht mehr als das alleinige Erfolgsrezept der Zukunft verstehen. Vielmehr sind die Analyse des Marktes und die optimale Anpassung der Leistung an die Bedürfnisse des Kunden der entscheidende Erfolgsfaktor, glauben heute 85 Prozent der Manager.

Das Tempo scheint um einiges langsamer geworden zu sein: "Stufenweise Implementierung" und die "kontinuierliche Messung des Erfolges" entlang der Marktnachfrage dominieren die Prioritäten der Befragten. "Wachstum um jeden Preis" hat man aus dem eigenen Vokabular hingegen vorsorglich gestrichen.

Stattdessen hat sich die altbewährte Erkenntnis durchgesetzt, dass selbst eine bahnbrechende Innovation nur erfolgreich sein kann, wenn der Markt sie aufnimmt.

Künstliches Wachstum statt handfeste Erfolge

Um dies zu leisten, ist allerdings ein branchenerfahrenes Managementteam mit einem etablierten Netzwerk zur Umsetzung der Geschäftsidee notwendig, davon sind heute immerhin 82 Prozent der Befragten überzeugt. Der Faktor "Human Resources" wurde von 90 Prozent als wichtigster Aspekt zur Umsetzung der Geschäftsidee - unabhängig von anderen Umfeldfaktoren - genannt.

Die New Economy vernachlässigte während der anfänglichen Wachstumsphase vor allem grundlegende betriebswirtschaftliche Konzepte, so das Fazit der Experten von Rarecompany: "Wachstum wurde aggressiv durch externe Finanzierung entwickelt, ohne dabei auf erfolgsmessende Plausibilitätsüberprüfungen zurückzugreifen." Eine der wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen zwölf Monate sei nun aber die Einsicht, dass Wachstum nicht künstlich erzeugt werden könne. Ein Teilnehmer bemerkte: "Eine Firma muss stufenweise entwickelt und an Veränderungen angepasst werden, um erfolgreich zu sein. Dies geht nicht in einem Jahr, sondern dauert mehrere Jahre."

Der Druck aller Beteiligten im Bereich des Wachstumsmanagements habe den Unternehmen keinen Raum zur Entwicklung gelassen, so die Marktforscher. "Jeder war von kurzfristiger Maximierung getrieben, anstatt auf mittel- und langfristige Erfolgskennziffern zu achten." Nun merken 84 Prozent der Unternehmen an, dass ein weiteres Wachstum erst erfolgen sollte, wenn dieses mindestens zu 50 Prozent aus den bestehenden Umsätzen finanziert werden kann. 45 Prozent der Befragten würden die nächste Expansionsphase heute erst starten, wenn der Kundenstamm erfolgreich gesichert ist oder bisherige Projekte profitabel sind. Ein Wertewandel, der für viele Pioniere der ersten Stunde zu spät kommt.

Von Innovation und Wachstum spricht keiner mehr

Konzepte wie Risikomanagement und Controlling sind zur Zeit laut Umfrage bedeutender als Konzepte wie Innovation und Wachstum. 33 Prozent der Teilnehmer würden diese risikominimierenden Bereiche sogar schon bei der Entwicklung des Geschäftskonzeptes mit erfahrenen Personen besetzen. Kundenaufbau und -bindung sowie die Konzentration auf stabile Marktsegmente mit einer hohen Wachstumswahrscheinlichkeit werden als weitere wichtige Erfolgsfaktoren angesehen.

Darüber hinaus kristallisiert sich bei 90 Prozent der Unternehmen der Trend zu soliden und langfristig angelegten Kooperationen mit komplementären Unternehmen beziehungsweise strategischen Partnern aus der Old Economy heraus. Einzelkämpfer sind schon jetzt nur noch selten anzutreffen: Die meisten jungen Unternehmen suchen Partnerschaften, die für beide Seiten einen direkten finanziellen und technologischen Vorteil bringen.

www.rarecompany.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Ergebnisse der Studie zeigen vor allem eins: Die Krise in den Wachstumsbranchen wäre vermeidbar gewesen, wenn sich die Manager nicht von Euphorie und kurzfristigem Maximierungsdenken hätten hinreißen lassen. Ohne betriebswirtschaftliche Regelwerke lässt sich kein Unternehmen zum Erfolg führen - unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Hightech-Schmiede oder um den Bäcker von nebenan handelt. (mf)

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