Wertvolle Zeit nicht ungeschehen verstreichen lassen

11.05.1998

BERLIN: Allenthalben sind derzeit Klagen über die schlechte Zahlungsmoral von Kunden zu vernehmen. Die alte Kaufmannssitte, Rechnungen stets pünktlich zu begleichen, scheint mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten. Niko Härting* gibt einen Überblick über die Palette an Möglichkeiten, um säumigen Kunden das Handwerk zu legen.Mit der Zahlungsmoral so mancher Kunden ist es nicht weit her. Firmen kennen jedoch in der Regel ihre "Pappenheimer". Viele meiner Mandanten berichten, daß sie bei etlichen Kunden vor der zweiten Mahnung von vornherein keine Zahlung erwarten können. Mit der Folge: Das Mahnwesen nimmt in der kaufmännischen Unternehmensführung immer breiteren Raum ein.

Gegen schlechte Zahlungsmoral gibt es ebenso einfache wie häufig vernachlässigte Mittel. Gläubiger haben gegenüber einem säumigen Schuldner eine Vielzahl wirksamer Rechte. Um in deren Genuß zu gelangen, müssen Gläubiger konsequent handeln.

Erster Schritt: In Verzug setzen

Gemäß Paragraph 271, Absatz 1, BGB sind Zahlungen sofort nach Leistungserbringung, beispielsweise einer Warenlieferung, fällig, sofern die Parteien nicht vertraglich eine abweichende Regelung getroffen haben. Sieht der Liefervertrag die Zahlungsfälligkeit "14 Tage nach Lieferung" vor, so tritt die Fälligkeit zwei Wochen nach Lieferung ein.

Haben dagegen die Vertragspartner keine Vereinbarungen getroffen, so ist die Rechnung sofort nach deren Übersendung zahlbar. Hinweise zu Zahlungsfristen, wie sie häufig in Rechnungen verwendet werden (zum Beispiel "zahlbar innerhalb von 28 Tagen") haben dann für den Lieferanten keinerlei Vorteile. Im Gegenteil: Die Gewährung einer Zahlungsfrist tritt an die Stelle der gesetzlichen sofortigen Fälligkeit.

Bleibt eine fällige Rechnung unbezahlt, so bedarf es im Regelfall einer Mahnung, um den Schuldner in Verzug zu setzen. Auf die Frage, wie richtig abgemahnt wird, gibt es eine einfache Antwort: Nach der Rechtsprechung reicht jede "ernsthafte Aufforderung zur Leistung" aus. Eine deutlich gefaßte mündliche Zahlungsaufforderung genügt demnach bereits, um die Verzugsfolgen herbeizuführen. Zu Beweiszwecken sollte man allerdings auf eine schriftliche Mahnung nicht verzichten.

Entgegen der landläufigen Meinung ist es rechtlich nicht erforderlich, die Mahnung mit einer Fristsetzung zu verbinden. Wenn dennoch Fristen gesetzt werden, steht deren Bemessung im freien Belieben des Gläubigers. Eine Zahlungsaufforderung "innerhalb von zwei Tagen" führt genauso zum Schuldnerverzug wie eine Zahlungsaufforderung ohne Fristsetzung oder eine Mahnung, die mit einer großzügigen Zahlungsfrist verbunden wird.

In zahlreichen Fällen gerät der säumige Schuldner auch ohne Mahnung in Verzug. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vertragspartner einen Zahlungstermin einvernehmlich und "kalendermäßig" festgelegt haben. Ein solcher Termin ist beispielsweise die Vereinbarung "Zahlung Mitte April", also somit der 15.4.

Dagegen liegt keine kalendermäßige Vereinbarung vor, wenn die Vereinbarung "30 Tage nach Rechnungsstellung" lautet, da der genaue Fälligkeitstag dann von dem Tag der Rechnungsstellung abhängt und dieser Tag bei Vertragsschluß noch unbestimmt ist.

Wegen der Entbehrlichkeit einer Mahnung im Falle einer "kalendermäßig" bestimmten Zahlungstermins empfiehlt es sich, bei notorisch säumigen Schuldnern bereits bei Vertragsschluß klare und eindeutige Zahlungstermine festzulegen. Sobald der Termin verstrichen ist, befindet sich der Schuldner in einem solchen Fall bereits in Verzug, ohne daß eine Mahnung notwendig ist.

Häufig übersehen wird, daß eine Mahnung nur dann überflüssig ist, wenn der Zahlungstermin einvernehmlich festgelegt wurde. Einseitige Terminvorgaben beispielsweise in einer Rechnung ("zahlbar bis zum 30.3.") reichen nicht aus, um den Schuldner in Verzug zu setzen. Ohne Mahnung tritt in einem solchen Fall kein Schuldnerverzug ein.

Zweiter Schritt: Verzugsschaden geltend machen

Die gesetzliche Folge des Schuldnerverzuges ist gemäß Paragraph 286, Absatz 1, BGB die Verpflichtung des Schuldners, dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, der durch die Zahlungsverzögerung entstanden ist. Dies bedeutet zunächst einmal, daß der Gläubiger ab dem Tag des Verzugseintritts Zinsen verlangen kann. Der Mindestanspruch beläuft sich dabei auf den gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozent unter Kaufleuten und vier Prozent gegenüber Privatleuten.

Ist allerdings der tatsächlich entstandene Schaden höher - etwa weil der Gläubiger seinen Dispositionskredit in Anspruch nehmen muß - so richtet sich der Zinssatz nach den Konditionen der eigenen Hausbank. Läßt sich die Inanspruchnahme eines Dispositionskredites zu zehn Prozent nachweisen, so betragen auch die vom Schuldner zu zahlenden Verzugszinsen zehn Prozent. Zu den üblichen Verzugsschäden gehören auch die Kosten eines anwaltlichen Mahnschreibens. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich der Schuldner bei der Abfassung des anwaltlichen Mahnschreibens bereits in Verzug befindet. Ist demnach zwischen den Vertragsparteien kein fester Zahlungstermin vereinbart worden und daher eine Mahnung notwendig, um überhaupt erst den Verzug herbeizuführen, sind die Anwaltskosten erst ab der zweiten Mahnung vom Schuldner zu ersetzen.

Zu dem Verzugsschaden, den der säumige Schuldner zu ersetzen hat, können auch die Aufwendungen des Gläubigers bei der Eintreibung seiner Forderung gehören. Beschränken sich diese Aufwendungen allerdings darauf, daß Mahnschreiben versendet werden, ist die Höhe des Schadens - abgesehen von den Portokosten - schwer nachweisbar. Daher empfiehlt es sich, bereits in die vertragliche Vereinbarung eine Regelung über den Ersatz von pauschalen Mahngebühren aufzunehmen, etwa eine Vereinbarung, daß für jede Mahnung eine Pauschale von zehn Mark zu zahlen ist.

Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Rechtsprechung strenge Anforderungen an die Aufnahme von Mahnpauschalen in allgemeine Geschäftsbedingungen stellt. Übliche Formularklauseln über Mahnkosten sind vielfach unwirksam. rechtlich völlig unbedenklich ist dagegen eine Mahnkostenklausel in einer individuell getroffenen (das heißt, nicht in einem Formular enthaltenen) Vereinbarung.

Recht ungnädig geht die Rechtsprechung mit Inkassobüros um. Inkassokosten werden von den meisten Gerichten nicht als Verzugsschaden anerkannt. Mit der Begründung: Der Gläubiger hätte diese Kosten durch die - meist kostengünstigere - Einschaltung eines Rechtsanwalt vermeiden können.

Dritter Schritt: Gerichtsverfahren

Bringt weder die Mahnung noch die Berechnung von Verzugsschäden den gewünschten Erfolg, so gibt es juristisch keinen Grund, der einer sofortigen Klage oder der sofortigen Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens entgegensteht. Insbesondere bedarf es vor einer Klage weder einer zweiten noch gar einer dritten und "letzten" Mahnung.

Bei vielen meiner Mandanten beobachte ich, daß der Gerichtsweg erst beschritten wird, nachdem über etliche Monate hinweg in regelmäßigen Abständen Mahnschreiben versandt wurden. Müssen dann später doch die Gerichte bemüht werden, so ist durch wiederholtes Mahnen wertvolle Zeit verstrichen.

Bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens steht man als Gläubiger vor der Alternative, entweder bei dem zuständigen Amtsgericht den Erlaß eines Mahnbescheids zu beantragen oder sogleich selbst oder durch einen Rechtsanwalt Klage zu erheben. Nach meiner Erfahrung ist die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens nur noch in seltenen Fällen zweckmäßig.

Über ein gerichtliches Mahnverfahren gelangen zwar Gläubiger schnell und kostensparend zu einem Vollstreckungstitel, wenn sich der Schuldner gegen das Mahnverfahren nicht zur Wehr setzt. Die Abwehr eines Mahnbescheids ist jedoch kinderleicht; der Vordruck zum einfachen Ankreuzen wird mit dem Mahnbescheid bereits mitgeliefert.

Da das Amtsgericht im Mahnverfahren weder die Berechtigung der geltend gemachten Forderung noch die Berechtigung eines Widerspruchs prüft, führt bereits das einfache Ankreuzen des Widerspruchsfeldes dazu, daß das gerichtliche Mahnverfahren in ein normales Klageverfahren überführt wird.

In der Praxis bedeutet dies, daß das Amtsgericht zunächst den Vorgang an das zuständige Prozeßgericht übersenden muß. Hier muß eine Akte angelegt und dem zuständigen Richter vorgelegt werden. Sogleich erhält der Gläubiger die gerichtliche Aufforderung, seinen Anspruch in Form einer Klage zu begründen.

Da der Schuldner durch einen - vielfach völlig unbegründeten - Widerspruch gegen den Mahnbescheid weiteren zeitlichen Aufschub mit der Zahlung gewinnt, erweist sich das gerichtliche Mahnverfahren in der Praxis vielfach als Bumerang. Statt zügig zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen, führt das Mahnverfahren letztlich zu einem schmerzhaften Zeitverlust.

Ich empfehle daher meinen Mandanten eine gerichtliches Mahnverfahren nur noch in Fällen, in denen mit großer Sicherheit zu erwarten ist, daß sich der Schuldner gegen den Mahnbescheid nicht zur Wehr setzen wird. Das sind allerdings meist zugleich die traurigen Fälle, bei denen sich während der Vollstreckung herausstellt, daß beim Schuldner nichts zu holen ist.

Vierter Schritt: Zwangsvollstreckung

Hat man ein rechtskräftiges Urteil oder einen unanfechtbaren Vollstreckungsbescheid mit gerichtlicher Hilfe erwirkt, bedarf es zur Eintreibung des zugesprochenen Geldes in vielen Fällen der Zwangsvollstreckung. Bei schlechter Zahlungsmoral bleiben Schuldner oft auch von Gerichtsurteilen unbeeindruckt, und dem Gläubiger bleibt der Gang zum Rechtsanwalt oder Gerichtsvollzieher nicht erspart.

Gerade bei Schuldnern, die sich weder vor noch während des Prozesses zu der geltend gemachten Rechnung geäußert haben, führt die Zwangsvollstreckung gelegentlich zu überraschenden Ergebnissen. Mancher Schuldner, der immer wieder beteuert hat, er könne die Rechnung nicht bezahlen, zückt plötzlich Bargeld, wenn er zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung geladen wird.

Daß demgegenüber in vielen Fällen die Zwangsvollstreckung erfolglos bleibt, ist hinlänglich bekannt. Ist man jedoch den oft sehr weiten Weg zu einem rechtskräftigen Urteil bereits gegangen, sollte man nicht vorschnell aufgeben. Die zumeist bescheidenen Vollstreckungskosten sind mehr als gut angelegt, wenn bei der Zwangsvollstreckung plötzlich doch Geld auf dem Bankkonto des Schuldners auftaucht.

* Niko Härting, leitet die Berliner Kanzlei Härting und ist auf die Themen Multimedia und Immobilien spezialisiert.

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