Wettbewerbsverbote und das richtige Gericht

31.08.2006
Kommt es beim Thema Wettbewerbsverbote zu einem Rechtsstreit, stellt sich die grundsätzliche Frage, welches Gericht zuständig ist: das Zivilgericht oder das Arbeitsgericht? RA Grunewald klärt auf.

Kommt es beim Thema "Wettbewerbsverbote" zu einem Rechtsstreit, stellt sich die grundsätzliche Frage, welches Gericht zuständig ist: das Zivilgericht oder das Arbeitsgericht?

Auch wenn es auf den ersten Blick reizvoll erscheinen mag, das Arbeitsgericht anzurufen, rate ich allen Freiberuflern entschieden davon ab.

I. Zuständigkeitsgerangel der Gerichte

Jeder Richter prüft bei einer Klage zuerst und vor allem, ob er bzw. sein Gericht überhaupt zuständig ist. Sieht er eine gute Chance, die Klage an ein anderes Gericht abgeben zu können, wird er sie nutzen. Diese Gefahr ist bei Arbeitsgerichten im Falle von Klagen wegen Wettbewerbsverboten für Freiberufler sehr hoch. Dies hängt damit zusammen, dass Arbeitsgerichte zuständig sind für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern

a) aus dem Arbeitsverhältnis;

b) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses;

c) aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen"

Das heißt konkret, dass Arbeitsgerichte für die Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zuständig sind.

Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, es sich beim Freiberufler um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt oder der Freiberufler tatsächlich "frei" ist, lässt sich zumindest zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage in der Regel nicht abschließend beantworten. Damit ist der Streit über die Zuständigkeit zwischen den in Betracht kommenden Gerichten programmiert.

Ich selbst habe in diesem Zusammenhang z.B. nach Übernahme eines Mandats festgestellt, dass eine Klage bereits mehrfach zwischen dem angerufenen Arbeitsgericht und dem sonst zuständigen Zivilgericht hin- und hergegangen war und allein dieses Zuständigkeitsgerangel über ein halbes Jahr gedauert hat, ohne dass man inhaltlich auch nur einen Millimeter vorangekommen wäre.

II. Gegenwehr des Gegners

Sofern der Freiberufler gegen das Wettbewerbsverbot vor dem Arbeitsgericht klagt, wird sich der Gegner noch erheblich erbitterter wehren, als er das sonst täte.

Er muss nämlich in diesem Fall damit rechnen, dass nicht nur das Wettbewerbsverbot als unzulässig erklärt, sondern dass für ihn als Auftraggeber des Freiberuflers der Status als Arbeitgeber gerichtlich festgestellt wird.

Eine Entscheidung, die für ihn wirtschaftlich katastrophale Folgen haben würde (dazu ausführlich unter III.).

Daher wird auch der Gegner in einem derartigen Verfahren seinerseits alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um vom Arbeitsgericht wegzukommen und zudem versuchen, ebenfalls Argumente für die Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts zu finden. Konkret bedeutet dies eine vorhersehbare weitere Verschleppung des Verfahrens.

III. Sozial-, arbeits- und steuerrechtliche Konsequenzen

Stellt ein sich als zuständig definierendes Arbeitsgericht fest, dass es sich nicht um ein freies Mitarbeiterverhältnis sondern um ein Arbeitsverhältnis handelt, so hat dies für beide Beteiligte dramatische rechtliche Konsequenzen:

Der Auftraggeber wird dann als Arbeitgeber behandelt mit der Folge, dass er für den freien Mitarbeiter, der nunmehr als sein Arbeitnehmer gilt, sämtliche Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten muss. Der Auftraggeber, jetzt Arbeitgeber, kann sich aber vom freien Mitarbeiter, jetzt Arbeitnehmer, nur drei Monatsbeiträge zurückholen, so dass der Auftraggeber den Löwenanteil der Belastung tragen muss - und dies sowohl für einen zurückliegenden Zeitraum von maximal 4 Jahren und die Zukunft, so lange das Arbeitsverhältnis besteht.

Denn selbstverständlich finden alle arbeitsrechtlichen Vorschriften vom Kündigungsschutz über den Urlaubsanspruch bis hin zum Arbeitnehmererfindungsgesetz Anwendung auf das "neue" Arbeitsverhältnis.

An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass die in manchen Verträgen enthaltenen anders lautenden Regelungen, die in diesem Zusammenhang eine Zahlungs- bzw. Erstattungspflicht des Freiberuflers vorsehen, meiner Meinung nach unwirksam und gerichtlich nicht durchsetzbar sind.

Zudem entsteht ein weiteres Problem: Die Rechnungen des Freiberuflers, der regelmäßig Umsatzsteuer ausweist, sind im Nachhinein unrichtig, denn als Arbeitnehmer darf er keine Umsatzsteuer vereinnahmen. Somit wären sämtliche Rechnungen und die geltend gemachte Vorsteuer zu korrigieren.

IV. Rentenversicherungspflichtige Konsequenzen

Stellt das Arbeitsgericht fest, dass es sich zwar um ein freies Mitarbeiterverhältnis, beim Freiberufler aber um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt, so sind die rechtlichen Folgen, zumindest für den Freiberufler, nicht weniger dramatisch:

In diesem Fall wird der Freiberufler zwar als selbständig, jedoch als rentenversicherungspflichtig eingestuft. Dies wird ihn vom Wettbewerbsverbot befreien - gleichzeitig aber mit der Rentenversicherungspflicht belasten. Diese kann ebenfalls maximal 4 Jahre rückwirkend gefordert werden und je nach Gewinn des Freiberuflers über 20.000 Euro allein für die Vergangenheit betragen.

Geld, das zwar der Deutsche Rentenversicherung Bund helfen mag, vorübergehend eines ihrer zahlreichen Finanzlöcher zu stopfen, dem Freiberufler aber keine wirkliche Alterssicherung bietet.

V. Entscheidungen der Zivilgerichte

Und schließlich gibt es einen weiteren guten Grund, nicht zum Arbeitsgericht sondern gleich zum Zivilgericht zu gehen, wenn es um Wettbewerbsverbote geht: Die Zivilgerichte selbst!

Mittlerweile haben zahlreiche Land- und Oberlandesgerichte zu Gunsten der Freiberufler in Sachen Wettbewerbsverbote entschieden:

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.01.2003, Az. 13 U 15/01, LG München I, Urteil vom 05.12.2003, Az. 6 O 12790/03, LG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2003, Az. 3 O 135/03, LG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2004, Az. 10 O 431/03, LG München II, Urteil vom 02.07.2004, Az. 2 O 1505/04, OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.2004, Az. I 6 U 38/04, OLG Köln, Urteil vom 23.02.2005, Az. 27 U 19/04, LG Köln, Urteil vom 26.07.2005, Az. 16 O 622/03, OLG Köln, Urteil vom 02.03.2006, Az. 12 U 73/05

Natürlich stellen diese Urteile keine Garantie dar, bei anderen Land- oder Oberlandesgerichten auch zu gewinnen - allerdings wird ein Land- bzw. Oberlandesgericht eher auf diese Entscheidungen achten als dies ein Arbeitsgericht tun würde.

VI. Fazit

Das Ergebnis kann daher nur lauten: Hände weg vom Arbeitsgericht! Kann das Problem Wettbewerbsverbote nicht außergerichtlich gelöst werden, sollte immer das zuständige Landgericht angerufen werden. Das Risiko, das dieses Gericht sich als nicht zuständig betrachtet ist meiner Erfahrung nach äußerst gering und vor dem Hintergrund der oben genannten bisherigen Urteile erheblich Erfolg versprechender als der Gang zum Arbeitsgericht. (dr. Benno Grunewald/mf)

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