Wettbewerbsverstoß? Gates wieder unter Beschuß

24.10.1997

WASHINGTON/BRÜSSEL: Microsoft wird mal wieder kräftig in die Zange genommen. Der Prozeß von und gegen Sun ist noch nicht abgeschlossen, da reicht gleich wieder das US-Justizministerium eine Klage gegen den Gates-Konzern ein. Die Forderung: das Unternehmen soll täglich eine Million Dollar zahlen - bis es Besserung gelobt. Auch den Wettbewerbshütern der Europäischen Kommission in Brüssel liegt eine Beschwerde gegen die Microsoft Corporation vor.

Derzeit entsteht der Eindruck, US-Gerichte hätten kaum noch etwas anderes zu tun, als Klagen und Gegenklagen von IT-Konzernen zu bearbeiten. Nach Digital gegen Intel, Sun gegen Microsoft und Novell gegen Raubkopierer nun der neueste Fall: Das amerikanische Justizministerium legte einen Strafantrag gegen Microsoft beim Bundesgericht in Washington vor. Der Vorwurf: Die Koppelung von Windows 95 mit dem Internet Explorer sei wettbewerbswidrig. An der Höhe der geforderten Strafe scheiden sich noch die Geister, Gerüchte über einen geforderten Betrag von einer Million Dollar pro Tag sind im Umlauf.

Microsoft dürfe die Vergabe von Win-95-Lizenzen nicht weiter an die Bedingung knüpfen, auch seinen Internet-Browser zu übernehmen. Der Softwarehersteller nutze sein Windows-Monopol unrechtmäßig dazu, dieses "Monopol zu schützen und auszuweiten und so die Entscheidungsfreiheit der Konsumenten einzuschränken", soll sich amerikanischen Quellen zufolge Justizministerin Janet Reno empört haben.

Das sieht Microsoft ganz und gar anders. Bill Gates gegenüber der Presse: "Der Browser ist kein eigenständiges Programm, sondern ein Bestandteil von Windows 95." Daher, so sein Fazit, ziele der Vorwurf des Justizministeriums ins Leere.

Win 95, das weltweit die meisten PCs steuert, machte möglich, was nach Netscapes erfolgreicher "Navigator"-Einführung niemand für möglich gehalten hatte: Der Explorer, Microsofts stark verspäteter Internet-Browser, hat mittlerweile einen Marktanteil von 30 Prozent.

Das Justizministerium in den USA spielt mit seiner Forderung der Microsoft-Konkurrenz in die Hände, die sich noch mit Grauen an ähnliche Aktivitäten der Gates-Company im Bereich Festplattenkomprimierung erinnert: Mit der Integration von DriveSpace in Windows 95, so erinnert sich ein Branchenexperte, "hat es doch den gesamten Markt für solche Programme glatt zerschossen".

In diesem Zusammenhang mag auch die Beschwerde stehen, die der Europäischen Kommission in Brüssel gegen Microsoft vorliegt. Die Rede ist auch hier von "unfairem Wettbewerb", über die Quelle oder genauere Hintergründe wollten sich die EU-Beamten allerdings nicht äußern. "Uns liegen mehrere Fälle bezüglich Microsoft vor. Wir werden versuchen, in diesem Fall bis Ende des Jahres eine Anhörung hinter verschlossenen Türen zu organisieren", hieß es nur allgemein. (du)

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