Widerrufsrecht

Widerrufsbelehrung im IT-Handel

Michaela Witzel schreibt als Expertin zum IT-Vertragsrecht und zu aktuellen rechtlichen Themen in Zusammenhang mit Outsourcing und Cloud-Computing, Compliance, Open Source Software, AGB-Recht und zu Projektverträgen. Sie ist Fachanwältin für Informationstechnologierecht und auf diesen Gebieten seit 2000 zunächst bei SSW, heute bei Witzel Erb Backu & Partner in München tätig.
Die Vorgaben, einen Verbrauchervertrag zu widerrufen, sind gesetzlich geregelt. Was Händler beachten müssen, lesen Sie in diesem Beitrag.

Das Widerrufsrecht bei Bestellungen im E-Commerce gibt dem Verbraucher das Recht, sich ohne weitere Voraussetzungen vom zuvor geschlossenen Vertrag zu lösen. Händler müssen sich über dieses Recht zum Widerruf richtig und vollständig informieren. Dieser Vorgang der sog. "Widerrufsbelehrung" bietet immer wieder Anlass zu Abmahnungen. In den meisten Fällen geht es dabei um fehlende oder veraltete Mustertexte. Darüber hinaus ergeben sich Streitigkeiten bei Fragen zu Rücksendungen, Fristen, individuell angefertigten Produkten und beim grenzüberschreitenden Handel. Deshalb sind Online-Händler gut beraten, sich mit den aktuellen Entwicklungen und Urteilen zu befassen und die entsprechenden Schritte im Bestellvorgang regelmäßig zu überprüfen.

Wer trägt nach einem Widerruf die Rücksendekosten für die Retoure? Das ist nur einer der vielen Punkte, über die ein Käufer vorab informiert werden muss.
Wer trägt nach einem Widerruf die Rücksendekosten für die Retoure? Das ist nur einer der vielen Punkte, über die ein Käufer vorab informiert werden muss.
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Das Widerrufsrecht

Das Recht zum Widerruf haben Verbraucher gegenüber Unternehmen. Dabei kommt es darauf an, in welchem Zusammenhang der Vertrag geschlossen wurde. Nach § 355 BGB gilt das Widerrufsrecht bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen und beim Fernabsatz geschlossen wurden. Darunter fallen alle Verträge mit Online-Händlern.

Ein Online-Händler muss den Verbraucher rechtzeitig, bevor es zu einem Vertragsabschluss zwischen beiden Parteien kommt, über sein Widerrufsrecht unterrichten. Die Information ist technisch in den Bestellprozess zu integrieren.

Mit der Umsetzung der Europäischen Verbraucherrichtlinie wurde das BGB in seinen Bestimmungen (§ 312 bis § 510) neu strukturiert, so dass sämtliche Muster für Widerspruchsrechte, die vor Juni 2014 gestaltet wurden, nicht mehr dem geltenden Recht entsprechen. Der Schutz des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen soll mit zwei Grundinstrumenten sichergestellt werden:

  • Den Informationspflichten des Verkäufers und

  • den Widerrufsrechten des Verbrauchers.

Der Widerruf bedarf keiner Begründung. Der Verbraucher soll damit die Möglichkeit haben, eventuell übereilte Geschäftsabschlüsse rückgängig zu machen.

Die Widerrufsbelehrung

Mit der Widerrufsbelehrung informiert der Online-Händler den Verbraucher über seine Rechte. Die Anforderungen wurden mit der EU-Verbraucherrechterichtlinie zum 13. Juni 2014 EU-weit vereinheitlicht. Die Widerrufsbelehrung regelt insbesondere

  • die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren zum Ausüben des Widerrufsrechts und

  • etwaige Kosten, die der Verbraucher für die Rücksendung der Waren zu tragen hat.

Online-Händler können diese Pflichten erfüllen, indem sie das Muster für die gesetzliche vorgegebene Widerrufsbelehrung aus der Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB verwenden. Es muss sichergestellt werden, dass die Widerrufsbelehrung dem Kunden vor dem Check-Out in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung gestellt wird.

Widerruf bei individuell angefertigten Produkten

Bei Kaufverträgen, die nach den Vorgaben des Verbrauchers hin Maßanfertigungen beinhalten, ist ein gesetzlicher Widerruf grundsätzlich ausgeschlossen. Damit soll verhindert werden, dass bei individuell angefertigten Produkten dem Händler Verluste entstehen, weil er es im Falle der Rückgabe nicht anderweitig verkaufen kann.

Allerdings ist zu beachten, dass im Streitfall der Online-Händler die Beweislast trägt. Die Antwort auf die Frage, ob ein Widerrufsrecht gewährt werden muss oder nicht, erfordert eine detaillierte, einzelfallorientierte Prüfung.

Abmahnfalle Telefonnummer

Für Verwirrung sorgt bei Händlern häufig die Unterscheidung zwischen Widerrufsbelehrung und Widerrufsformular. Beides muss in den Prozess eingebunden sein, doch beide Dokumente haben unterschiedliche Funktionen. Ein häufiger Anlass für Abmahnungen ist die Telefonnummer:

  • Die Telefonnummer muss zwingend in der Widerrufsbelehrung enthalten sein, da der Widerruf auch telefonisch erklärt werden kann.

  • Im Widerrufsformular darf die Telefonnummer jedoch nicht stehen, da es sich hier nur um ein Muster handelt.

Beginn der Widerrufsfrist

Um wirksam zu sein, muss der Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist ausgeübt werden. Zur Wahrung der Frist genügt das Absenden des Widerrufs vor dem Ablauf der Frist. Die Widerrufsfrist beträgt einheitlich 14 Tage und beginnt in der Regel mit dem Erhalt der Ware, jedoch nicht vor Belehrung über das Widerrufsrecht (§ 356 Abs. 2 und 3 BGB). Erst der Zugang einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung etwa per E-Mail, Fax oder Post setzt die Widerrufsfrist in Gang. Verbraucher können also geschlossene Verträge in jedem Fall widerrufen, solange sie nicht oder nicht vollständig über ihre Rechte zum Widerruf informiert wurden.

Rechtsfolgen des Widerrufs

Beim Rückabwickeln müssen die empfangenen Leistungen oder Produkte spätestens 14 Tage nach Widerruf zurückgegeben werden, wobei der Verbraucher grundsätzlich vorleistungspflichtig ist und sein Geld erst zurück erhält, wenn der Online-Händler die Ware zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Versandnachweis erbringt (§ 357 Abs. 4 BGB). Für die Rückzahlung muss der Online-Händler dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung eingesetzt hat, es sei denn, beide Seiten haben etwas anders vereinbart.

Wer trägt die Versandkosten?

Ein häufiger Streitpunkt ist die Rückerstattung von Kosten, die für den Versand hin zum Kunden angefallen sind. Grundsätzlich muss der Händler bei Widerruf auch diese "Hinsendekosten" erstatten, allerdings nur, sofern es sich um Standardversandkosten handelt. Die Mehrkosten für Express- oder Nachnahmelieferungen trägt hingegen der Verbraucher. Aber auch nur dann, wenn er beim Bestellen darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er eine teurere Versandmethode gewählt hat.

Lesetipp: Der DHL-Paketversand wird für Online-Händler bald teurer

Durch die Novelle des Widerrufsrechts hat sich Regelung bei den Rücksendekosten geändert. Die Kosten für die Rücksendung trägt danach grundsätzlich der Verbraucher. Allerdings muss der Online-Händler ihn rechtzeitig vor Vertragsabschluss darauf hingewiesen haben. Wenn er dies versäumt, trägt er die Rücksendekosten selbst. Oft übernehmen Online-Händler die Rücksendekosten entgegen der gesetzlichen Regelung aus Kulanz.

Ein Sonderfall ist Speditionsware, die nicht per Post zurückgesandt werden kann. In diesem Fall muss der Händler die Waren auf seine Kosten abholen.

Wann erlischt das Widerrufsrecht?

Das Widerrufsrecht erlischt, wenn Siegel etwa bei CDs oder DVDs entfernt wurden. Auch beim Erwerb von digitalen Inhalten wie Musik, Filmen oder Software kann das Widerrufsrecht erlöschen, sobald der Download oder das Streaming beginnt. In diesem Fall muss der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt haben, dass der Vorgang beginnt und vorher davon in Kenntnis gesetzt worden sein, dass er sein Widerrufsrecht verliert. Ein Hinweis in den AGB oder der Klick auf den Kaufen-Button reichen dafür nicht aus.

Verkauf über Plattformen

Anders als beim eigenen Online-Shop gibt es auf Plattformen wie Amazon und eBay mehrere Vertragsverhältnisse. Käufer und Verkäufer schließen zunächst mit dem Plattformbetreiber einen Vertrag. Unabhängig davon wird dann zwischen dem Plattformbetreiber - also Amazon oder Ebay - und dem Käufer der eigentliche Kaufvertrag geschlossen.

Auch bei Amazon und Ebay gelten die Vorgaben des Fernabsatzrechts. Das bedeutet, dass jeder Online-Händler auch bei Amazon und Ebay seine Kunden ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informieren und eine korrekte und aktuelle Widerrufsbelehrung einbinden muss.

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Da der Online-Händler bei Ebay im Rahmen des Bestellvorgangs keine Informationen mehr mitgeben kann, sollte die Widerrufsbelehrung in der Artikelbeschreibung platziert werden. Dazu gibt es das Textfeld "Rücknahmebedingungen: Weitere Angaben". Händler sollten insbesondere darauf achten, dass die Angaben zur Widerrufsfrist im Text und in der Informationsbox gleichlautend sind. Andernfalls stellt dies einen Wettbewerbsverstoß dar.

Widerruf im grenzüberschreitenden Onlinehandel

Das Widerrufsrecht gilt EU-weit. Das heißt, dass alle Verbraucher im EU-Ausland das gleiche Recht zum Widerruf haben. Wer als Online-Händler seine Waren darüber hinaus an Verbraucher im Nicht-EU-Ausland verkaufen möchte, muss die Frage klären, welches Rechtssystem im Zielland Anwendung findet.

Lesetipp: Weil Online-Handel keine Grenzen kennt

Wenn kein Rechtssystem vereinbart wurde, dann gilt das Rechtssystem des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Haben die beiden Vertragsparteien vereinbart, dass deutsches Recht gilt, dann umfasst dies auch das Fernabsatzwiderrufsrecht für Verbraucher außerhalb der EU.

B2B- oder B2C-Shop

Richtet sich das Angebot des Online-Händlers sowohl an Verbraucher (B2C) wie auch an Unternehmenskunden (B2B), kann es zwar eine gemeinsame Homepage geben. Von dort aus muss der Nutzer aber in den richtigen Bereich weitergeleitet werden. IT-Händler mit beiden Zielgruppen sollten daher deutlich zwischen Privat- und Geschäftskunden unterscheiden oder der Händler muss in den Rechtstexten deutlich darauf hinweisen, welche Regelungen für welche Käufergruppe gelten. Andernfalls gelten auch für Unternehmenskunden die strengen Regelungen des Verbraucherschutzes. (bw)

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