Wie bei einer Scheidung: Der schwarze Peter geht hin und her

12.04.2001
Apiras, Anbieter von kaufmännischer Software, ist pleite. Jetzt sucht das Unternehmen, das 1998 von ehemaligen KHK-Leuten gegründet wurde, Hände ringend nach einem Käufer oder Investor. Der Handel wäscht unterdessen schmutzige Wäsche, Apiras schießt mit markigen Worten zurück. Lachender Dritter ist der Wettbewerb.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Apiras Software GmbH am 28. März den Gang zum Insolvenzgericht angetreten. Als Grund gibt Apiras-Geschäftsführer Herbert Lörch gegenüber ComputerPartner Liquiditätsschwierigkeiten an: "Allein im Jahr 2000 mussten wir Forderungen an unsere Kunden in Höhe von einer halben Million Mark ausbuchen, weil einige Händler pleite gemacht haben", gibt Lörch erstmal seinen Kunden die Schuld.

Sonja Meinert, Vertriebsleiterin beim Wettbewerber KMR Consulting in Essen, glaubt den Grund für die Apiras-Pleite zu kennen: "Die Investoren schickten die Apiras-Mannschaft auf die Cebit mit der Losung: möglichst viele Aufträge schreiben, sonst wird der Laden dichtgemacht. Anscheinend haben sie dann tatsächlich zu wenig verkauft." Zudem ist sie überzeugt, dass viele Händler zwar zahlen konnten, aber nicht wollten: "Die Händler hatten langsam die Faxen dicke, weil die Software nicht rund lief. Und deswegen wollten sie nicht alles zahlen."

Schöne Hülle, nichts dahinter

Ein Wiederverkäufer, der Meinert nur zustimmen kann, ist Lars Renger von der MR Elektronik GmbH & Co. KG in Hessisch Lichtenau. Renger hat von der KHK-Software auf die Apiras-Software gewechselt und eine herbe Enttäuschung erlebt. "Die KHK-Software ist zwar nicht kaputt zu kriegen und läuft stabil, ist aber leider nicht State-of-the-Art, weil sie noch viel mit alten DOS-Masken arbeitet - die Kunden wollen aber was Modernes", begründet Regner den Ausflug zu Apiras. Der hat sich für ihn aber nicht gelohnt: "Die Apiras-Software ist zwar modern und hat viele gute Funktionen, aber: Was nützt die schöne Hülle, wenn es nicht läuft", beklagt sich Renger und fügt noch hinzu: "So viele schöne bunte Fehlermeldungen wie bei dieser Software habe ich nie zuvor auf einmal gesehen."

Derart heftige Kritik kann Apiras-Geschäftsführer Lörch nicht auf sich sitzen lassen. Für ihn liegt das Problem eher an den Händlern, die "die Installation nicht gebacken kriegen, das Programm an die falsche Zielgruppe verkaufen wollen, und einfach zu wenig Know-how mitbringen". Aber er gibt immerhin zu, dass die Software keinen guten Start hatte: "1999 hätte ich noch zugegeben, dass das Produkt nicht ausgereift ist, jetzt nicht mehr. Allein im Jahr 2000 haben wir die Software bei 800 Endanwendern installiert - die würden nicht die Pflegegebühr bezahlen, wenn sie nicht zufrieden wären", verteidigt Lörch sein Produkt.

Für Wettbewerber ein Freudenfest

Jetzt sucht Apiras nach einem Käufer: "Wir haben zahlreiche Übernahmeangebote, auch eine Anfrage aus Holland ist dabei", kommentiert Herbert Lörch den aktuellen Stand der Dinge. Ob es sich bei den genannten Holländern um die Firma Exact handelt, wollte Lörch gegenüber ComputerPartner nicht bestätigen. Auch beim Kontrahenten KMR Consulting GmbH hat Apiras angefragt, ob er an einer Übernahme von Apiras interessiert sei: "Das war für uns ein wahres Kirschblütenfest: Ausgerechnet Apiras, die uns gegenüber immer überheblich waren, rufen an, und fragen uns, ob wir sie kaufen wollen", freut sich KMR-Vertriebsleiterin Meinert. Sage KHK sei laut Meinert ebenfalls von Apiras angerufen worden.

Die Zeit drängt. Momentan läuft der Geschäftsbetrieb nach Angaben von Lörch normal weiter, es wird ausgeliefert und auch der Support ist besetzt. "Aber wir brauchen natürlich bald eine Entscheidung, bevor die ersten Mitarbeiter abwandern", so Lörch.

Fraglich ist, ob der Käufer mit seiner Errungenschaft glücklich wird. "Die Produkte sind so schwer zum Laufen zu kriegen, da lohnt es sich nicht, Geld reinzustecken", kommentiert ein Händler die Veräußerungs-Bemühungen von Apiras. (st)

www.apiras.de

ComputerPartner-Meinung:

Ein Unternehmen, das mit großen Hoffnungen an den Start ging, steht vor dem Aus. In diesen Tagen keine Ausnahme. Nach Clarfeld erwischt es bereits den zweiten Anbieter von kaufmännischer Standard-Software innerhalb kurzer Zeit. In beiden Fällen sind die Ursachen nicht im Markt zu suchen, sondern in internen Fehlern. Beide Fälle zeigen: Wer eine Alternative zu den marktführenden Unternehmen sein will, der muss mindestens so gut sein wie sie. Wer diese erforderliche Professionalität nicht leistet, verliert. (st)

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