Der Kunde im Mittelpunkt

Wie "Customer Centricity" den E-Commerce verändert

Nico Rehmann ist seit 1997 in der Digitalbranche tätig und Experte für digitale Kommunikation. Als Berater hilft er Unternehmen bei der digitalen Transformation. Er ist CEO und Partner der Digitalagentur asioso GmbH. Zudem ist er Gründer des Content Management Instituts.
B2C- und B2B-Unternehmen stehen gemeinsam vor einer großen Herausforderung: Der Stellenwert der Kundenbeziehungen zwingt viele Händler, sich strategisch neu aufzustellen. Die folgenden Faktoren helfen dabei, erfolgreich auf die geänderten Marktbedingungen zu reagieren.

"Customer Centricity" - dieses neue Buzzword macht derzeit im E-Business die Runde. "Den Kunden ins Zentrum stellen". Ist das nicht ein alter Hut? Dennoch hat dieser Ausdruck seine Berechtigung. Die Rolle, die die konsequente Ausrichtung eines Unternehmens auf seine Kunden spielt, hat nämlich eine neue Dimension erreicht. Interessenten und Käufer sind heute informierter denn je und verfügen über eine Macht zur Einflussnahme im Marktgeschehen wie noch niemals zuvor. Dadurch können sie nun das einfordern, was ihnen schon seit Jahren versprochen wird: wirklich der König zu sein und im Zentrum zu stehen.

Um den Kunden zum König zu machen, kommen auf den stationären und den Online-Handel viele Umstrukturierungen zu.
Um den Kunden zum König zu machen, kommen auf den stationären und den Online-Handel viele Umstrukturierungen zu.
Foto: King_Ollyy - shutterstock.com

Damit unterstreicht der Begriff der "Customer Centricity" ein Phänomen, das der Marktforscher Forrester als das "Age of the Customer", das Zeitalter des Kunden, bezeichnet. Nur wenn Unternehmen ihre Kunden in den Mittelpunkt all ihrer Geschäftstätigkeit rücken - die Betonung liegt auf "all" - bleiben sie wettbewerbsfähig. Für viele bedeutet das, sich strategisch neu auf geänderte Marktbedingungen einzustellen und ihre Prozesse vom Front- bis zum Backend anzupassen. Vier wesentliche Erfolgsfaktoren tragen dazu bei, den gestiegenen Ansprüchen und Erwartungen gerecht zu werden.

1. Datenanalysen liefern wertvolle Prognosen

Zum ersten ermöglichen moderne Systeme heute eine Datenanalyse in Echtzeit. Damit lassen sich aus Vergangenheitswerten und Gegenwartsdaten wertvolle Prognosen erstellen. Das erleben Autofahrer beispielsweise bei ihrem Navigationssystem, das einen neuen Stau sofort berücksichtigt und die geplante Route entsprechend optimiert.
Analog dazu möchten auch Kunden beim Einkaufen immer mehr auf ihr vergangenes und aktuelles Verhalten, auf ihren Standort und ihre konkrete Situation bezogene Empfehlungen erhalten - was mit Hilfe neuester Technologien durchaus realisierbar ist.

So ermöglicht beispielsweise die Auswertung von Kundeninformationen im Zusammenhang mit in Echtzeit verarbeiteter Geolocation-Daten folgendes Szenario: Ein Kunde, der gerade in der Innenstadt unterwegs ist, erhält eine Nachricht auf sein Smartphone: Die Laufschuhe, nach denen er die letzten Tage im Internet bei einem bestimmten Anbieter gesucht hat, werden nun von der Filiale, an der er gerade vorbeigeht, in der passenden Schuhgröße zu einem Sonderpreis angeboten. Eine Gelegenheit, die er mit Sicherheit nicht ungenutzt lassen wird.

2. Information zur rechten Zeit am richtigen Ort

Der zweite Erfolgsfaktor - die Bereitstellung relevanter Informationen - ist eng mit diesem Thema verknüpft. Ein Verbraucher sieht sich heute mit einer Vielzahl an Informationen überhäuft: er erhält E-Mails, Newsletter, WhatsApp- und Facebook-Nachrichten, surft im Internet und wird von Fernseher und Radio beschallt.

Vor dem Hintergrund dieses "Information Overflows" möchte er einfach nur für ihn relevante Informationen erhalten beziehungsweise nimmt nur diese wirklich wahr. Überschüttet ein Unternehmen ihn mit pauschalen Angeboten, die mit seiner individuellen Lebenswirklichkeit nichts zu tun haben, wendet er sich unter Umständen irritiert und genervt ab. Deshalb ist es ganz entscheidend, nicht nur Daten zu erfassen und in Echtzeit zu analysieren, sondern sie so zu verarbeiten, dass am Ende ausschließlich relevante Informationen entstehen.

Im "Age of the Customer" entscheiden Relevanz und Kontext. Erreichen lässt sich das mit Hilfe geeigneter, integrierter Systeme für die Personalisierung und Marketing-Automatisierung, die sämtliche Faktoren berücksichtigen - von Interessen über Kaufverhalten bis hin zu Kontexten und Zeitpunkten. Damit ermöglichen sie eine gezielte individuelle Ansprache, die weit über die übliche grobe Einteilung nach Zielgruppen wie Geschlecht, Alter oder Familienstand hinausgeht, und Bedürfnisse prognostiziert. Hat ein Kunde beispielsweise ein Parfüm gekauft, wird es ihm im Nachgang nicht sofort erneut offeriert, sondern erst wieder nach zwei oder drei Monaten. Auch nach dem Erwerb einer Waschmaschine zum Beispiel möchte er nicht in den nächsten Monaten eine neue vorgeschlagen bekommen.

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